Prof. Wolfgang Wahlster

"Ausbildung muss an vernetzte Fertigung angepasst werden"

11.11.2013
Von 
Peter Ilg ist freier Journalist in Aalen.
Die industrielle Revolution ist in Gang gekommen. Nur wer setzt sie um? Ein ganz neuer Typ Mitarbeiter, meint Professor Wahlster, einer der Erfinder der Industrie 4.0. Verbände und der wissenschaftliche Beirat würden bereits an Ausbildungs- und Weiterbildungsangeboten für Industrie 4.0 arbeiten.

CW: Herr Wahlster, wie kommt die vierte industrielle Revolution voran?

Wahlster: Nachdem das Thema die diesjährige Hannover Messe dominierte, sind jetzt viele Umsetzungsprojekte angelaufen, so dass die revolutionären Konzepte nun evolutionär in enger Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft umgesetzt werden können. Es werden aber schon noch fünf bis zehn Jahre vergehen, bis die cyber-physischen Produktionssysteme und das Internet der Dinge flächendeckend in den Fabriken Einzug gehalten haben. Die meisten Bestandsfabriken werden schrittweise umgerüstet, indem die alten zentralen Fabriksteuerungen durch verteilte cyber-physische Systeme ersetzt werden, mit dem Ziel, eine höhere Flexibilität und Adaptivität in der Fertigung für kleinere Losgrößen zu erreichen.

Wolfgang Wahlster, 60, Studium der Informatik, Promotion in Informatik, seit 1982 Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes, seit 1997 Vorsitzender der Geschäftsführung und technisch-wissenschaftlicher Leiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken, Kaiserslautern, Bremen und Berlin. Mitglied der Forschungsunion der Bundesregierung und einer der Väter von Industrie 4.0.
Wolfgang Wahlster, 60, Studium der Informatik, Promotion in Informatik, seit 1982 Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes, seit 1997 Vorsitzender der Geschäftsführung und technisch-wissenschaftlicher Leiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken, Kaiserslautern, Bremen und Berlin. Mitglied der Forschungsunion der Bundesregierung und einer der Väter von Industrie 4.0.
Foto: Jim Rakete

CW: Gibt es Branchen, in denen die Vernetzung der Produktion rascher geht als in anderen?

Wahlster: Gerade die Automobilzulieferer sind Vorreiter bei der Umsetzung von Industrie 4.0. Bosch Rexroth ist stark engagiert aber auch innovative Mittelständler wie Wittenstein, Harting, Trumpf und Festo sind Pioniere im Umfeld von Industrie 4.0. Generell stelle ich fest, dass rund um die Automobilproduktion ein besonders großes Interesse daran besteht.

CW: Ihre Erklärung dafür ist....

Wahlster: … dass durch die Vernetzung und die Modularisierung aller am Produktionsprozess beteiligten Komponenten insbesondere Umrüstzeiten und die Einführung neuer Prozesse extrem verkürzt werden, was die Fertigungsflexibilität und Wandlungsfähigkeit von Fabriken stark erhöht. Dadurch wird es möglich, dass wir bei der Variantenvielfalt der Modelle bis hin zur Unikatfertigung Autos weiterhin zu annehmbaren Preisen bauen können. Möglich macht das eine Vielzahl an Mikrowebservern in der Produktion und deren Konfigurierbarkeit durch Softwaresysteme.

CW: Wer steckt hinter der Industrie 4.0: sind das Ingenieure, die Produktionen planen und Informatiker, die vernetzen?

Wahlster: Das Wissen beider. Deshalb brauchen wir für die Industrie 4.0 eine neue, interdisziplinäre Ausbildung. In die Curricula für Informatiker müssen Kenntnisse über Maschinen- und Anlagenbau aufgenommen werden. Und umgekehrt in die Studieninhalte von Maschinenbauern, Elektro- und Nachrichtentechnik-Ingenieuren noch mehr IT-Komponenten einfließen. Multiadaptive Fabrik heißt ja auch, dass ständig neue Verfahren implementiert werden können. Das geht nicht automatisch, das müssen Menschen machen. Dafür brauchen wir von der Berufsschule bis hin zur Universität eine Anpassung der Ausbildungswege an die vernetzte Fertigung.

CW: Wurde dieser Stein schon ins Rollen gebracht?

Wahlster: Ja. Die Verbände BITKOM, VDMA und ZVEI sitzen mit dem wissenschaftlichen Beirat, in dem viele Hochschullehrer Mitglied sind, in der neu geschaffenen nationalen Plattform Industrie 4.0 deshalb zusammen. Sie planen, die Aus- und Weiterbildung im Sinne von Industrie 4.0 zu reformieren, so dass die Beschäftigten in Zukunft fit für Industrie 4.0 sind.

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