Berufsfachschulen für Datenverarbeitung:

Ausbildung in Tuchfühlung mit dem Markt

24.07.1981

Eine Technische Universität wird sich In Ihren Ausbildungsinhalten und sogar in ihren Ausleseprinzipien weniger marktkonform verhalten können als eine Berufsfachschule Die Universitäten sind dazu aufgefordert, sich dem bedrängenden Sog der Industrie zu entziehen, jedenfalls was ihren Auftrag zur Forschung anbelangt. In der universitären Ausbildung kann ein Weniger an diplomierten Abgängern durchaus langfristig ein Mehr an Effizienz - sogar für die Industrie - bedeuten.

Eine Berufsfachschule hingegen wie zum Beispiel die Berufsfachschule für Datenverarbeitung (BFD) in München, immerhin eine GmbH, arbeitet nach geradezu entgegengesetzten Gesichtspunkten. Sie muß natürlich in erster Linie ihrem Anspruch gerecht werden, sie will aber auch Gewinn machen, kann dies aber nur dann, wenn sie sich Ausbildungs-marktkonform verhält, also bedarfsgerecht möglichst viele Berufsanfänger zu einer gewissen Praxisfähigkeit heranbildet.

Woran sich die Münchner BFD orientiert, welche Indikatoren sie auswählt, um mit ihrem Ausbildungsangebot dem jeweils aktuellen Bedarf entgegenzukommen, zeigt nebenstehender Bericht.

Der folgende Bericht soll zeigen, welche Möglichkeiten einer Berufsfachschule für Datenverarbeitung offenstehen, sich am "Bedarf" zu orientieren und wie sich dann dieser "Bedarf" in konkreten Ausbildungsinhalten niederschlägt.

Als wichtige und verläßliche Informationsquellen, den DV-Ausbildungsbedarf zu erfassen, bieten sich an:

- Gespräche mit DV-Leitern und Personalchefs

- Auswertung von Stellenangeboten

Diese beiden Möglichkeiten sind meist auf die ganz speziellen Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens mit seinen derzeit aktuellen Problemstellungen bezogen. Es lassen sich vor allem die aktuellen Einsatzschwerpunkte in den einzelnen Funktionsbereichen der Unternehmen erkennen.

- Ausbildungsverordnungen,

Rechtsverordnungen und Berufsbilder

Ausbildungsverordnungen und ähnliche Quellen sind zur Zeit lediglich für das Berufsbild "DV-Kaufmann" bundeseinheitlich geregelt. Alle anderen Berufsbilder befinden sich im Entwurfsstadium beziehungsweise haben sehr vorläufigen Charakter

- Auswertung von Fachpublikationen und Symposien

Unter dem Thema "Bedarfsgerechte Ausbildung - Soll und Haben" stellte Gustav Knörzer von der Württembergischen Metallwarenfabrik Geislingen bei der Systems '79 folgenden Anforderungskatalog auf:

- Kenntnis der grundlegenden wirtschaftlichen Prozesse, der wichtigsten Funktionen und des Informationsflusses in der Unternehmung.

- Aus dem Bereich der Organisation: Organisationsmethoden, Aufbau- und Ablauforganisation, Gestaltung von Organisationssystemen mit EDV, Einsatz der DV in den wesentlichen Unternehmensbereichen.

- Bei den Programmiersprachen wird die vertiefende Kenntnis und entsprechende Übungspraxis in einer gängigen problemorientierten Programmiersprache erwartet. Als Voraussetzung hierfür müssen Strukturierte Programmierung und Dialogprogrammierung beherrscht werden.

- Themen wie Datenbanksysteme Datenschutz und Datensicherung sowie Datenfernübertragung müssen in einer praxisgerechten DV-Ausbildung enthalten sein.

- Befragung von Teilnehmern an einschlägigen Bildungsgängen

Als wichtigste Informationsquell(..) für eine Berufsfachschule für DV bietet sich die Befragung von Ehemaligen an. Derartige Befragungen finde(..) an der Münchner Berufsfachschule(..) für Datenverarbeitung seit mehrere Jahren statt.

Die Fragen bezogen sich auf die Art der Ausbildung, die erhaltene Förderung, die Zufriedenheit mit der Ausbildung und die Einschätzung der eigenen Berufsaussichten. Nahezu 90 Prozent der Teilnehmer absolvierten eine Vollzeitausbildung. Zwei Drittel von ihnen erhielten eine Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz beziehungsweise dem Soldatenversorgungsgesetz. Immerhin ein Drittel der Absolventen kam für die Ausbildung selbst auf.

Kaum ein Teilnehmer äußerte Unzufriedenheit mit seiner Ausbildung. Bei allen anderen wurden die Erwartungen weitgehend beziehungsweise vollständig erfüllt. Dabei ist eine steigende Zufriedenheit gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen.

Bei der Einschätzung der eigenen Berufsaussichen sehen 30 Prozent diese als sehr günstig, 64 Prozent als günstig und sechs Prozent als eher ungünstig. Bei den sechs Prozent handelt es sich um Teilnehmer, die lediglich zwei Semester der vollständigen Ausbildung belegt hatten. "Gesucht sind Leute aus der Praxis"; "es wäre besser, alle vier Semester zu absolvieren" - dies waren die Kommentare bei denjenigen, die ihre Aussichten eher ungünstig beurteilten.

Ein überraschendes Ergebnis brachte die Frage nach den in der Praxis am häufigsten eingesetzten Programmiersprachen. Assembler (34 Prozent) lag um Haaresbreite vor Cobol (33 Prozent). PL/1 und RPG brachten es lediglich auf zirka 14 Prozent. Basic ist mit fünf Prozent der Nennungen offensichtlich erst im Kommen.

Gespannt warteten alle Teilnehmer auf die Gehaltsstatistik. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde nach Jahresbruttogehältern gefragt. Zu der folgenden Statistik ist eine Anmerkung zu machen: Bei der Ausfüllung der Fragebogen waren überproportional viele Absolventen der letzen Jahre vertreten, so daß die Gehaltsstatistik durch Teilnehmer, die erst kurz in der Praxis stehen, in den unteren Gehaltsklassen stärker besetzt ist.

Bei der Frage nach neuen Ausbildungsinhalten beziehungsweise der Vertiefung von bereits angebotenen Fächern erhielten wir auch eine sehr ehrliche Antwort: "Es ist sowieso schon viel zu viel, was in zwei Jahren angeboten und verlangt wird!" - Am stärksten gewünscht wurden trotzdem: Fachenglisch, "Datenbanken" und, Organisationsmethoden". Gerade hier zeigten sich die sehr unterschiedlichen Interessenlagen und Einsatzschwerpunkte der Absolventen.

Einerseits ist kurzfristige Einsetzbarkeit gefragt, andererseits wird ein möglichst breites Wissen angestrebt. Eine Frage, die offen blieb: Soll eine Schule DV-Spezialwissen anbieten und vertiefen? Wie problematisch diese Frage ist, zeigte sich an der Vielzahl der verschiedenen EDV-Systeme, an denen Absolventen mit den unterschiedlichsten Betriebssystemen arbeiten.

- Beobachtung genereller Trends und Entwicklungen

In einer Studie über Entwicklung und Anwendung der Informationstechnik in den Tätigkeitsfeldern kaufmännischer und verwaltender Berufe kommt das Bundesinstitut für Berufsbildung zu dem Ergebnis, daß berufliche Bildung folgenden wesentlichen drei Anforderungen genügen muß.

1. Berufliche Bildung muß die Fähigkeit vermitteln, sich technischen Veränderungen anpassen zu können ohne der Gefahr einer Dequalifizierung ausgesetzt zu sein.

2. Berufliche Bildung muß einzelnen in die Lage versetzen, einen individuellen Selbstverwirklichungsanspruch auch für die eigene Rolle in der Arbeitswelt zu entwickeln und zu vertreten.

3. Berufliche Bildung muß die Fähigkeit vermitteln, technische Veränderungen im Hinblick auf ihre Auswirkungen, auf die eigene Arbeitsrolle einschätzen zu können und gegebenenfalls auf die Gestaltung des eigenen Arbeitsplatzes Einfluß nehmen zu können.

Eine bedarfsgerechte DV-Ausbildung, die diese Grundpositionen beachtet, muß daher folgende Tätigkeitsbereiche einschließen:

1. Kundendienst

2. Datenerfassung

3. Datentechnik (Operator, Arbeitsvorbereiter)

4. Programmierung

5. Organisation

6. Kundenbetreuung

7. Unterricht

8. sonstige DV-Fachleute

9. Spezialisten (zum Beispiel Datenfernverarbeitung, Datenbanken)

Das Ausbildungsangebot der Berufsfachschule für Datenverarbeitung erstreckt sich dabei auf die Tätigkeitsfelder Datenerfassung, Programmierung und Organisation.

Die Ausbildung im Berufsfeld Datenerfassung wird als achtwöchiger Lehrgang in Abendunterricht angeboten. Die Anfangszeiten der Lehrgänge liegen jeweils im Januar, März, April, Juni, September und November eines jeden Jahres. Den Teilnehmern dieser Kurse werden in der Regel sehr lukrative Stellenangebote gemacht.

Das Hauptaugenmerk der Berufsfachschule für Datenverarbeitung gilt dem Ausbildungsziel "Wirtschaftsinformatiker". Diese Ausbildung wird als Vollzeitmaßnahme über zwei Jahre angeboten. Die wichtigsten Ausbildungsinhalte sind in der folgenden Grafik enthalten.

Bei den Programmiersprachen handelt es sich im einzelnen um Basic, Assembler, Cobol und RPG. In den DV-Spezialfächern sind unter anderem enthalten: Betriebssysteme, Datenbanksysteme, Datenfernverarbeitung und Mikroprozessoren. Der Bereich "Organisation" enthält DV-Organisation, Entscheidungstabellentechnik, Planungstechniken, Systemanalyse sowie eine große Fallstudie. Zu den Grundlagenfächern zählen: Kommunikationsverhalten und Präsentationstechniken in der DV sowie Fachenglisch.

Mit dem Lehrplan allein ist jedoch noch keine praxisorientierte Ausbildung zu garantieren. Zu diesem Zweck stehen ausschließlich zur Nutzung für Schüler eine Siemens 7.521 im BS2000 mit elf Bildschirmen sowie zwölf Alphatronic Mikrocomputer mit 64 K und mit einem Doppelfloppylaufwerk zur Verfügung. Ein weiteres wesentliches Element einer praxisgerechten Ausbildung stellen jedoch die Lehrer dar, die die einzelnen Unterrichtsfächer anbieten. Es hat sich dabei bisher bewährt, daß in Programmiersprachen nur Fachlehrer eingesetzt werden, die über eine mindestens fünfjährige selbständige Programmierpraxis verfügen.