Aus der RechtsprechungWas ist ein wesentlicher Mangel?

02.04.1982

Dr. Christoph Zahrnt Rechtsanwalt in Neckargemünd

Damit der Auftraggeber eines DV-Programms dessen Abnahme nicht bei jedem kleinen Fehler verweigern kann, bestehen Auftragnehmer häufig auf der Vereinbarung, daß nur wesentliche Fehler zur Verweigerung der Abnahme berechtigen. Niemand weiß, was das bedeutet.

Der Bundesgerichtshof hat den Begriff in einem Urteil vom 26. Februar 1981 (VII ZR 287/79) erläutert. Es ging in dem Rechtsstreit zwar um ein Gebäude und nicht um ein Gedankengebäude, wie ein DV-Programm es darstellt; die Argumentation des Bundesgerichtshofs ist dennoch übertragbar:

"Ob ein Mangel ,wesentlich' ist und deshalb zur Verweigerung der Abnahme berechtigt, hängt von seiner Art, seinem Umfang und vor allem seinen Auswirkungen ab und läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen. Dabei mögen auch subjektive Vorstellungen der Vertragspartner über die Bedeutung bestimmter Einzelheiten bei der Ausführung der Arbeiten eine Rolle spielen, wenn diese Vorstellungen hinreichend zum Ausdruck gekommen sind. Daraus allein, wie ausführlich die zu erbringende Leistung beschrieben und was dabei alles verlangt worden ist, kann aber nicht geschlossen werden, daß beim Fehlen einzelner Merkmale der darin bestehende Mangel dann auch ,wesentlich' sein müßte. Selbst die Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ist zwar ein wichtiger Ansatzpunkt, aber ebenfalls nur einer der zu berücksichtigenden Umstände.

Der richtige Beurteilungsmaßstab ist dem Sinn und Zweck der Regelung zu entnehmen. Die Bestimmung soll einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien bewirken. Der Auftraggeber ist an möglichst vollständiger vertragsgerechter Erfüllung der geschuldeten Leistung vor Zahlung des Werklohns interessiert. Dem Auftragnehmer ist daran gelegen, möglichst bald die mit der Abnahme verbundenen Rechtsfolgen herbeizuführen, insbesondere die Fälligkeit der restlichen Vergütung, den Übergang der Gefahr, die Umkehrung der Beweislast für Mängel und den Beginn der Verjährung für Gewährleistungsansprüche. Wenn nun die Abnahmeverweigerung daran knüpft, daß der vorher noch zu beseitigende Mangel wesentlich sein muß, so wird damit letztlich auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgehoben. Tritt der Mangel an Bedeutung so weit zurück, daß es unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Auftraggeber zumutbar ist, eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses nicht länger aufzuhalten und deshalb nicht mehr auf den Vorteilen zu bestehen, die sich ihm vor vollzogener Abnahme bieten, dann darf er die Abnahme nicht verweigern. Er gibt damit seine Sachmängelansprüche keineswegs preis. Sein Leistungsverweigerungsrecht gemäß ° 320 BGB führt nach der Abnahme vielmehr dazu, daß er den restlichen Werklohn erst Zug um Zug gegen Beseitigung der Mängel zahlen muß. Je nach Art Umfang und Auswirkung der jeweiligen Mängel ist ihm das zuzumuten und daran läßt sich dann auch messen, wie wesentlich die Mängel sind."

Zu berücksichtigen ist allerdings, daß sich das vom BGH angeführte Zurückbehaltungsrecht nur auf einen angemessenen Teil der Vergütung bezieht.