Aus der proprietären Zwangsjacke heraus

06.07.1990

System /370 + 8100 + 3270 = DDP-Erfolg - so lautete Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre die Zauberformel der IBM für verteilte Datenverarbeitung (Distributed Data Processing). Der Zentralrechner, das Informationssystem für die Fachabteilung, das dumme Terminal. All das war einmal State-of-the-art in der IBM-Welt - der /370-Mainframe ist es noch. Für die dezentrale Datenverarbeitung bietet die IBM heute unter anderem die 9370-, die AS/400- sowie die PS/2-Systeme - welch ein Fortschritt an Kompatibilität und Flexibilität! Einige amerikanische Großkunden sehen das offenbar ganz anders. Sie wollen aus der proprietären Zwangsjacke heraus, haben deshalb eine Interessengemeinschaft gegründet (siehe Seite 1).

Ansonsten hält sich das Konfliktpotential, mit dem Big Blue leben muß, freilich in Grenzen. Dazu ein Zitat: "Die IBM-Fixiertheit in den Unternehmen ist nach wie vor groß. Warum sonst kaufen Anwender reihenweise PS/2-Rechner, obwohl es billigere und bessere Systeme gibt?" Mit seiner Anwenderschelte (CW Nr. 26 vom 29. Juni 1990, Seite 13) dürfte sich Werner Schmidt, Produktmanager bei James Martin Associates, indes kaum Freunde machen.

Oder sollten wir uns gründlich täuschen? Ist der Punkt erreicht, an dem, was die Abhängigkeit von einem Hersteller betrifft zumindest die großen Anwender nicht mehr mitmachen? Wäre es möglich, der IBM die Zähne zu zeigen, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen? Herstellerspezifische Systeme: eine Zumutung? Ist die Resolution der "30 von Houston" (siehe oben) als Aufschrei zu verstehen, daß es so (proprietär) nicht mehr weitergehen kann? Die Mitgliederliste hat Gewicht. General Motors, um nur einen Rebellen zu nennen, ist nicht irgendwer. Als Anbieter auf dem DV-Servicesektor hat sich die GM-Tochter EDS bereits offen mit dem Mainframe-Monopolisten angelegt - mit beachtlichem Erfolg übrigens (vgl. Grafik, Seite 1).

Damit die Open-Systems-Sache erfolgreich sein kann, müssen drei Dinge zusammenkommen:

Erstens: Die DV/Org.-Leute müssen über ihren Schatten springen, dürfen sich nicht mehr damit begnügen, über das Fehlen herstellerneutraler Standards zu lamentieren, selbst aber an ihrem Beschaffungsverhalten nichts zu ändern.

Zweitens: Die Unternehmensführungen müssen den Informatik-Chefs grünes Licht geben, offene Systeme einzuführen - auch wenn damit Kostensteigerungen in der DV einhergehen. Diese wären vorübergehender Natur.

Drittens: Die Anwender müssen sich solidarisch verhalten und den Herstellern gegenüber deutlich machen, daß es zu offenen Systemen keine Alternative gibt - und dies mit einer Intensität, die über die bisherigen Absichtserklärungen hinausgeht.