"Handelsblatt"-Konferenz machte einmal mehr das Dilemma der IT deutlich

Aus der Kostenfalle in den Wertbeitrag

14.02.2003
DÜSSELDORF (qua) - Die CIOs sind es leid, ständig nach dem Return on Investment gefragt zu werden. Sie verweisen auf den Beitrag der IT zum Unternehmenswert. So auch auf der Konferenz "Strategisches IT-Management", zu der "Handelsblatt" und "Wall Street Journal" gemeinsam mit der Euroforum GmbH eingeladen hatten.

Carleton Fiorina macht sich offenbar gern unbeliebt. "Ich bin nicht anders als jeder CEO: Ich will weniger Geld für die Informationstechnik ausgeben, aber gleichzeitig mehr Vorteil daraus ziehen", gestand die HP-Chefin vor etwa 200 IT-Fachleuten in Düsseldorf. Projekte haben bei HP nur noch eine Chance auf Verwirklichung, so die Vorzeigefrau der IT-Industrie, wenn sie dreierlei aufweisen: einen Plan für das Change-Management, einen Projekt-Manager und jemanden, der für die Kosten geradesteht.

Gegen jede RoI-Regel

Mit diesem Bekenntnis wollte Fiorina ihre These belegen, dass die veränderte Situation des IT-Markts keineswegs unmittelbar mit der aktuellen ökonomischen Krise zusammenhänge; sie sei vielmehr Ausdruck eines nachhaltig gewandelten Kundenverhaltens. Passé sei die Jagd nach der "Silver Bullet" in Form der jeweils nächsten Killerapplikation. Stattdessen versuchten die Unternehmen, so viel Nutzen wie möglich aus dem bereits Vorhandenen zu ziehen.

Letzterem mochten die nachfolgenden Referenten, fast ausnahmslos IT-Chefs großer deutscher Unternehmen, nicht widersprechen. Doch rieben sich viele von ihnen an dem CEO-Standpunkt, von dem aus die IT nur nach Kostengesichtpunkten betrachtet wird.

Gegen jede Return-on-Investment-Regel verstieß beispielsweise die Basell Polyolefine GmbH, Mainz. Gegen Ende des Jahres 2000 aus der Fusion zweier erbitterter Konkurrenten (der Polypropylen- und Polyethylen-produzierenden Unternehmenszweige von Shell und BASF), entstanden, wollte Basell vor allem eins: seine Kunden möglichst schnell "bruchlos" bedienen. Deshalb startete der europäische IT-Manager Peter Kailing ein EAI-Projekt (EAI = Enterprise Application Integration), das wohl keiner Rentabilitätsberechnung standgehalten hätte. Obwohl die Lösung Kosten in Höhe einer mindestens siebenstelligen Euro-Summe verursachte, sollte sie nach eineinviertel Jahren definitiv abgeschaltet werden. Gleichzeitig begann das Unternehmen, eine einheitliche SAP-Umgebung aufzubauen. Die Übergangslösung wurde, so Kailing, mit ausdrücklicher Unterstützung des Finanzvorstands installiert: "Die RoI-Berechnung hat sich hier erübrigt."

"Von der Kostenreduktion zur Wertgenerierung" hatte Peter Sany seinen Vortrag getauft. Der CIO des Schweizer Pharmariesen Novartis ermutigte die IT-Spezialisten, "aus der Rolle des Service-Providers auszubrechen", die Business-Perspektive einzunehmen und der Unternehmensleitung gegenüber "in Vorlage zu gehen". Anstatt einfach das abzuarbeiten, was der Vorstand für realisierungswert halte, müsse sich der IT-Verantwortliche selbst Gedanken machen, wie er seine Technik einsetzen könne, um den Unternehmensnutzen zu verstärken.

Um seine Ausführungen zu illustrieren, verwies Sany auf das gentechnisch gewonnene Leukämie-Therapeutikum "Glivec", den derzeitigen Kassenschlager der Novartis AG. Dessen Entwicklung habe dank informationstechnischer Unterstützung weniger als ein Viertel der früher üblichen Zeit gedauert: "Jeder Tag, den man so spart, bringt eine Million Euro Gewinn." Die Rechnerleistung für komplizierte gentechnische Berechnungen gewinnen die Schweizer, indem sie die Desktops der Mitarbeiter außerhalb der Bürostunden zu einem "Grid" zusammenschließen.

"So etwas halte ich für sinvoller als beispielsweise die Implementierung von Voice over IP", lehnt sich der CIO aus dem Fenster. Wer seinen Job ernst nehme, müsse auch schon einmal "den Kopf rausstrecken und etwas nicht machen". Sonst fehle ihm am Ende das Geld für Projekte, die wirklich einen Mehrwert schaffen.

Breiten Raum in Vorträgen und Pausendiskussionen nahm das Thema Outsourcing ein. Mit Hermann-Josef Lamberti, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, hatten die Veranstalter einen prominenten Fürsprecher eingeladen. Er rechnete dem Auditorium vor, wie der Finanzdienstleister durch die Auslagerung der RZ-Services 23 Prozent seiner internen IT-Kosten einsparen könne. Schützenhilfe erhielt er von Ricardo Diaz Rohr, dem CIO der Lufthansa Cargo AG. Durch ein gemeinsam mit der Konzernschwester Lufthansa Passage betriebenes "strategisches Sourcing" von IT-Services habe der Frachtdienstleister sein IT-Budget von rund 100 Millionen Euro schon im ersten Jahr um acht Prozent reduzieren können.

Trotz dieser eindrucksvollen Beispiele blieben Publikum und Co-Referenten skeptisch. "Outsourcing macht den Dienstleister reich, nicht den Kunden", tat Sany seine Überzeugung kund. Und Hans-Gert Penzel, veantwortlich für IT-Strategie und Architektur der Hypovereinsbank AG, München, warnte: "Bevor nicht ein funktionierendes Architektur-Management eingerichtet ist, brauchen die Unternehmen über Outsourcing gar nicht zu reden." Ein nicht standardisiertes Rechenzentrum nach außen zu geben habe keinen Sinn.

Nur für ein "selektives Outtasking" kann sich Klaus Hardy Mühleck erwärmen: "Mit einem Prozent vom Umsatz sind wir mit unseren IT-Kosten ohnehin schon Klassenbester", warf sich der CIO der Audi AG, Ingolstadt, in die Brust. Mitverantwortlich für diesen Erfolg sei eine strikte "IT-Governance", die dafür sorge, dass Prozesse und Informationsverarbeitung im Gesamtkonzern - so weit wie möglich - einheitlichen Regeln folgten.

Einem Outsourcing größerer IT-Teile sollte eine "Zellteilung" vorangehen. Mit diesem Begriff bezeichnete Stefan Langkamp, CIO des Siemens-Bereichs Information and Communication Networks (ICN), die Trennung der operativen Informationsverarbeitung von der IT-Unterstützung für die Unternehmensstrategie. Ähnliches berichtete Lamberti aus der Deutschen Bank: Sie taufte den mittlerweile ausgelagerten Teil ihrer IT auf den Namen "run the bank", während sie die im Hause verbliebenen Aufgaben "change the bank" nennt.

IT als "Soft Factor"?

Das Schlusswort gehörte Andreas Resch, Geschäftsführer und CIO des Logistikdienstleisters Fiege Deutschland. Er plädierte dafür, verkaufte und genutzte IT organisatorisch streng zu trennen; Erstere generiere unmittelbaren Umsatz, während Letztere ihren Nutzen ständig neu beweisen müsse. Doch dürften die derzeit strapazierten Schlagwörter "Cost Cutting" und "Value Proposition" nicht überdecken, dass die Berechenbarkeit der IT de facto viel geringer sei als erwartet. Der chronisch unterschätzte Trainingsbedarf und die Dominanz informeller Prozesse rückten die IT zumindest in die Nähe eines "Soft Factor".