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Web-Services und EAI-Technik sollen den Weg bereiten

Aus Anwendungen werden Dienste

16.05.2003
Von 


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
Mit Web-Services sollen sich hochflexible und prozess-orientierte IT-Architekturen aufbauen lassen. Die Umsetzung einer solchen serviceorientierten Architektur (SOA) ist jedoch noch Zukunftsmusik.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit den Web-Services glauben Experten, endlich die Technik gefunden zu haben, mit denen sich hochflexible und an den Geschäftsprozessen ausgerichtete IT-Architekturen aufbauen lassen. Die Umsetzung einer solchen serviceorientierten Architektur (SOA) ist jedoch noch Zukunftsmusik.

Eine SOA beschreibt die Grundzüge einer Software-Infrastruktur, in der die wesentlichen Funktionen einer Anwendung als Service organisiert sind und sich die Schnittstellen über das Netz von anderen Systemen lesen lassen. Die Anwendungen oder Anwendungsteile, die in jeder Sprache geschrieben sein können, sind dabei eigenständig, beliebig verteilt und werden dynamisch zur Unterstützung von Geschäftsprozessen verbunden. Ziel ist eine hochflexible Architektur, die es erlaubt, die sich ständig wandelnden geschäftlichen Anforderungen an die Systeme leichter umzusetzen, was Analysten mit "ready to integrate" umschreiben. Das SOA-Modell definiert dabei die Rollen (Provider, Requester, Registry) und deren Aufgaben. Die Architektur soll beim Aufbau eines Systems helfen, in dem sich Verarbeitungsfunktionen automatisch finden und separat

von ihrer Implementierung beschreiben lassen und Anwendungsbausteine sich spontan zu Prozessen verbinden.

Marktforscher sind davon überzeugt, dass SOA schon bald das dominierende Konzept für Entwicklung und Design von Softwarearchitekturen sein wird. Gründe sind die zunehmende Kundenorientierung vieler Anwender sowie Einsparpotenziale durch geringere Entwicklungskosten, Wiederverwendbarkeit von Anwendungen und geringere Integrationsaufwände. So erwartet Daniel Sholler, Analyst bei der Meta Group, dass Global-2000-Unternehmen bis zum Jahr 2005 die Prinzipien für SOA zum formalen Bestandteil ihrer Architekturüberlegungen machen und sich in den folgenden Jahren auch in der Praxis davon leiten lassen werden.

Wandelbar und flexibel

Frühere Ansätze für SOA sind etwa das Komponentenmodell COM/DCOM von Microsoft oder der objektorientierte Kommunikationsstandard Corba. Beide waren jedoch letztlich nur teilweise erfolgreich: aufgrund ihrer Plattformabhängigkeit oder wegen ihrer Komplexität, der engen Kopplung von Objekten sowie mangelnder Herstellerunterstützung. Web-Services hingegen scheinen das technische Rüstzeug mitzubringen, um die gewünschten Softwareservices Realität werden zu lassen. Sie repräsentieren Softwarebausteine, die dynamisch über eine standardbasierende Web-Infrastruktur kommunizieren können. Damit einher geht vor allem das Versprechen, über beliebige Hard- und Softwareplattformen (und über die Firewall) hinweg Daten und Funktionsaufrufe übermitteln zu können. Marktbeobachter und immer mehr Anwender sehen hier ein großes Potenzial, um bestehende, neu entwickelte oder zugekaufte Anwendungen leichter und standardisiert zu integrieren

sowie zusätzliche Nutzerkreise und Anwendungsgebiete - etwa für Host-Programme - zu erschließen. Damit verbunden ist die Hoffnung, vorhandene IT-Ressourcen besser für Geschäftsanforderungen zu nutzen sowie Investitionen schneller wieder hereinzubekommen.

Fehlende Standards und andere Hürden

Momentan ist aber eine entsprechende Web-Services-Architektur als SOA noch nicht in Sicht. Vielmehr sind noch zahlreiche technische Hürden zu nehmen, da für Web-Services bisher nur die Basistechnik definiert worden ist. So fehlen Standards, die die für Geschäftsprozesse wesentlichen Aspekte wie Sicherheit und Transaktionen abdecken. Allerdings werden derzeit eine Reihe entsprechender, zum Teil konkurrierender Spezifikationen für Web-Services in Gremien wie W3C oder Oasis vorangetrieben. Zudem ist eine Collaboration zwischen Unternehmen nur dann möglich, wenn Web-Services aus einem Design abgeleitet werden, das sich auf ein gemeinsames Geschäftsmodell bezieht. Das wiederum setzt voraus, dass Service-Provider und -Requester ein einheitliches Vokabular benutzen. Hier gibt es heute schon Ansätze wie ebXML oder die Enterprise Collaboration Architecture, und derzeit entstehen XML-Sprachen wie die Universal Business Language (UBL) oder die Extensible Business Reporting

Language (EBRL), die wiederum als Basis für Web-Services dienen könnten.

Soll eine SOA entstehen, sind nicht nur einheitliche Schnittstellen und Zugriffsmethoden zu schaffen, sondern die Architektur muss auch die ersehnte Wiederverwendbarkeit von Diensten und deren Unabhängigkeit von der aktuellen Implementierung sicherstellen. Zudem muss es möglich sein, Web-Services sowohl innerhalb als auch außerhalb einer Firewall zu nutzen, und es wird erwartet, dass die Dienste zuverlässig (Quality of Service), sicher, skalierbar, verwaltbar, interoperabel und integer sind sowie sich zusammensetzen lassen. IT und Fachabteilungen fällt hierbei die Aufgabe zu, die Funktionen und Prozesse zu identifizieren, die als Dienste angeboten werden sollen, sowie die ausgetauschten Daten einheitlich zu standardisieren und vorzugsweise als XML Schemata zu beschreiben.

Laut Rolf Mierbach, Consultant beim T-Mobile-Partner Bluecarat in Köln, ist SOA vor allem ein organisatorisches Problem, das ein Umdenken bei der Softwareentwicklung erfordert. Eine Web-Services-Infrastruktur würde ein Architekturteam vor allem vor das große Problem stellen, zu bestimmen, wie granular deren Schnittstellen sein dürfen, um tatsächlich eine Architektur zu erhalten, in der die Anwendungen lose gekoppelt und flexibel kombinierbar bleiben, ohne zu viel Verkehr im Netz zu erzeugen. "Ich kann auch mit Web-Services eine Schnittstelle erstellen, die den Dienstnutzer- und -anbieter eng aneinander koppelt."

Angesichts der komplexen Aufgabe des Entwurfs und der Implementierung einer umfassenden Architektur macht es immerhin Mut, dass Unternehmen sich dem Thema Web-Services auch schrittweise nähern können. Hierbei kommt ihnen eine breite Produktunterstützung seitens der Industrie und der Open-Source-Gemeinde zugute. So stehen heute neben der leicht verständlichen XML-Syntax bereits viele kostenlose Tools oder professionelle Werkzeuge bereit, die Entwicklern den Einstieg erleichtern und viele Aufgaben automatisieren. Zudem können Anwender die Kommunikation zwischen den Diensten auch mit Hilfe einer Software für Enterprise Application Integration (EAI) implementieren. Diese würde unter anderem das Mapping und die Zustellung übernehmen und so das Herzstück der angestrebten Integrationslandschaft stellen. Laut Jörg Sauer, Consultant bei der Meta Group in Essen, würden jedoch der preisgünstigen Nutzung von Web-Services hohe Investitionen in entsprechende

EAI-Projekte gegenüberstehen. Ist hingegen eine solche Plattform bereits verfügbar, könnten Unternehmen Anwendungen oder Unternehmenssoftware umgehend über Web-Services einbinden und der EAI-Lösung den Nachrichtenversand, Transformationen und Funktionsaufrufe überlassen.

Integrationsplattformen verknüpfen die Dienste

EAI-Lösungen dienen in der Praxis zur strategischen Prozessintegration. Hierzu bieten viele Produkte mittlerweile Features zur Gestaltung von Abläufen, die allmählich auch Web-Services berücksichtigen. In puncto Design und Architekturen helfen EAI-Plattformen hingegen wenig, sondern implementieren letztlich nur eine starre Infrastruktur über einen oder mehrere Hubs und decken zudem nicht alle Aspekte der Anwendungsintegration ab. Viele Marktexperten erwarten daher, dass künftig die Integration über Web-Services mit Hilfe von Plattformen erfolgt, die EAI-Technik, Java-Applikations-Server und Messaging-Middleware in sich vereinen. "Diese sind auch die Grundlage für SOA, da Web-Services allein diese Aufgaben noch nicht bewältigen", sagt Sauer.

Speziell bei Entwurf und Generierung von Anwendungen helfen zudem Werkzeuge, die mit Hilfe der Standardnotation Unified Modeling Language (UML) arbeiten und so den Aufbau einer SOA unterstützen könnten. Ebenso ist der Einsatz von Patterns und Frameworks vielversprechend. Und schließlich könnte auch das Konzept einer Model Driven Architecture in Zukunft hilfreich sein, in der sich mit entsprechenden Tools aus zunächst implementierungsunabhängigen, wiederverwendbaren Anwendungsmodellen konkrete Implementierungen generieren lassen.

Anwendungen noch eng verdrahtet

Derweil nähern sich Unternehmen dem Thema Web-Services noch pragmatisch und vorsichtig. Laut Mierbach nutzen Kunden Web-Services bisher vor allem, um einen Dienst einmal zentral als Web-Service zu implementieren und ihn dann diversen Niederlassungen zur Verfügung zu stellen. Das für die Dienste entwickelte UDDI-Standardverzeichnis (Universal Description, Discovery and Integration) kommt hierbei nicht zum Einsatz.

Vielmehr wird der Dienst direkt publiziert, Sender und Empfänger werden wie in bisherigen Integrationsansätzen eng miteinander verbunden. Das bestätigt auch Meta-Analyst Sauer. Viele große Unternehmen hätten bereits in der Vergangenheit eigene, mit Web-Services vergleichbare Schnittstellen etwa in XML entwickelt und versuchten nun, die alte Techniken auf die neuen Standards zu bringen (proof of concept), ohne dass hierbei wirtschaftliche Überlegungen oder SOA eine Rolle spielten: "Neue Geschäftsmodelle sehen wir nicht." Die Entwicklung der Schnittstellen sei zunächst sogar ein Mehraufwand, da man nur Bestehendes abbilde. Doch diese Vorarbeiten könnten sich später lohnen, wenn eine Infrastruktur aufgebaut wird. Dies wäre mittelfristig auch für kleine und mittelständische Unternehmen interessant, die

eine kostengünstige Anbindung zu Partnern und Kunden suchten, sagt Sauer.

Dass sich trotz vielversprechender Aussichten IT-Abteilungen bisher mit Web-Services nur im kleinen Rahmen beschäftigen, hängt laut Markus Ehret, Senior Manager in der Corporate-Finance-Beratung bei PricewaterhouseCoopers in Frankfurt am Main, vor allem mit der aktuellen Wirtschaftslage zusammen. "Eine neue Technologie wie Web-Services hat es derzeit wesentlich schwerer, die entsprechenden Budgets zur Entwicklung zu erhalten, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war." Da momentan Konsolidierung und Kostenreduzierung im Mittelpunkt der IT-Überlegungen stehen, werde immer die Frage nach dem Return on Investment gestellt. Geschäftsführungen stehen daher Investitionen in neue Technologien skeptischer gegenüber. (as)