Telekom und SAP vorn

Aufsichtsräten fehlt Digitalkompetenz

19.01.2015
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Nur vier Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland verfügen über Digitalexpertise. Das ergab eine Studie von Personalberater Russell Reynolds.

Kommen die Unternehmensspitzen der Digitalisierung nach? Das wollte der Personalberater Russell Reynolds Associates aus New York wissen. Die Consultants haben sich die Besetzung von Board und Aufsichtsrat angesehen. Fazit: Die Unternehmen kommen voran, aber Europa hinkt hinterher.

Die Zahlen dazu: In den USA hat Russell Reynolds die Fortune 100-Konzerne analysiert. In rund jedem Vierten davon (24 Prozent) sitzen derzeit mindestens zwei Digital Non-Executive Directors im Aufsichtsrat. In Europa gilt das nur für vier von hundert Unternehmen. Der Blick nach Deutschland: Die Dax 30-Firmen zählen zusammengenommen 206 Aufsichtsratsmitglieder. Neun von ihnen spricht Russell Reynolds "ausgewiesene Digitalkompetenz" zu, das entspricht ebenfalls gut vier Prozent.

Telekom und SAP liegen vorn

Dazu geben die Berater eine genauere Einschätzung ab. Die Deutsche Telekom und SAP dürfen sich demnach "highly digital" nennen, folgende Unternehmen immerhin "allgemein digitalkompetent": Allianz, Bayer, BMW, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Börse, Deutsche Post, E.ON, Lanxess, Munich Re, Siemens und ThyssenKrupp.

Unter den neun digital kompetenten Aufsichtsräten in Deutschland findet sich mit Claudia Nemat, Vorstandsmitglied der Deutsche Telekom AG und Mitglied des Aufsichtsrates der Lanxess AG, nur eine Frau. Thomas Becker, Managing Director und Digitalexperte bei Russell Reynolds Associates, kommentiert: "Kombiniert mit der jüngst beschlossenen Frauenquote wird sich in deutschen Konzernen der Bedarf an digital erfahrenen, weiblichen Aufsichtsräten künftig potenzieren."

Aufsichtsräte in Unternehmen aus Deutschland

Namentlich nennt Russell Reynolds folgende deutsche Aufsichtsräte und Unternehmen:

  • Thomas Ebeling (Bayer AG)

  • Karl-Heinz Floether (Commerzbank, Deutsche Börse)

  • Lars Hinrichs (Deutsche Telekom AG)

  • Henning Kagermann (BMW, Deutsche Bank, Deutsche Post, Munich Re)

  • Claudia Nemat (Lanxess)

  • Rene Obermann (E.On, ThyssenKrupp)

  • Hasso Plattner (SAP)

  • Jim Hagemann-Snabe (Allianz, SAP, Siemens)

  • Karl-Heinz Streibich (Deutsche Telekom AG).

Thomas Becker appelliert: "Beim Thema Digitalisierung bedarf es in Deutschland einer nachhaltigen Veränderung. Nicht zuletzt aufgrund unseres hohen Exportanteils dürfen wir in diesem erfolgskritischen Feld nicht den Anschluss an die Weltwirtschaft verlieren."

Weltweit steigt die IT-Expertise

Insgesamt gesehen haben die Unternehmen ihre Expertise weltweit in den vergangenen zwei Jahren deutlich gesteigert. Wurden von 2010 bis 2012 lediglich 20 Digital Non-Executive Directors in Aufsichtsräte berufen, waren es nun 39. Ein knappes Drittel davon (31 Prozent) sind Frauen.

Ein globaler Blick auf die Branchen zeigt Technologie-Konzerne, aber auch Konsumgüterfirmen vorn. 48 beziehungsweise 42 Prozent verfügen über mindestens einen Digital Director im Board. Bei Healthcare sind es 39 Prozent. Dahinter klafft eine erhebliche Lücke: dreizehn Prozent der Finanzdienstleister und vier Prozent der Industrieunternehmen weisen einen Digital Director auf.