Distributed Processing-Kompromiß bei Schindler Aufzüge:

Aufgabenteilung zwischen Niederlassung und Zentrale

09.11.1979

Mit Distributed Processing-Systemen der Serie MDS 21 in den Verkaufsniederlassungen realisierte Schindler Aufzüge GmbH, Berlin, 1977 ein neues Gesamtkonzept für das Rechnungswesen. Seit 1978 erfolgt die Fakturierung mit dem neuen Verfahren. Von den derzeit sieben Systemen ist jeweils eines mit einem Bildschirm-Arbeitsplatz und Zeichendrucker in den Niederlassungen installiert. Für Datenerfassungs- und Konvertierungsaufgaben sind zwei Systeme mit drei, Bildschirmplätzen sowie einer Bandeinheit und Drucker in der zentralen EDV (IBM 370/125) aufgestellt.

Die Gesamtkonzeption für das Rechnungswesen geht von der hierarchischen

EDV aus. Eine zentrale EDV-Anlage ist für die Finanzbuchhaltung, die Aufzugsstammdatenverwaltung und die Materialbewirtschaftung eingesetzt. In den einzelnen Verkaufsniederlassungen wird fakturiert, die Daten für die Finanzbuchhaltung werden erfaßt, Offerten geschrieben und die Lagerbuchhaltung der Ersatzteillager durchgeführt. Die Konten werden regelmäßig auf Disketten den Niederlassungen zur Verfügung gestellt, so daß dem Kunden gegenüber stets höchste Auskunftsbereitschaft besteht.

In dieser Form mußten die Terminals folgende Eigenschaften aufweisen:

- Genügend Intelligenz (Speichere Programmiersprache), um vor spezifische Anwendungen durchfuhren zu können,

- einfache und sichere Datenerfassung bei möglichst geringem Aufwand (Datenerfassungs-Software mit individuellen Prüfmöglichkeiten),

- Möglichkeiten des Datenaustausches (vorerst durch Versand von Datenträgern, später Datenübertragung offline und eventuell online),

- Ausbaufähigkeit bei wirtschaftlichem Einsatz.

Unabhängig von Programmierern

Ausgehend vom Ist-Zustand mußte mit den unterschiedlichsten Hilfsmitteln und fünf unterschiedlichen Formularen fakturiert werden.

Zur Erstellung einer Faktura waren umfangreiche Vorarbeiten erforderlich. So waren Kundenunterlagen einzusehen, um die Vertragskonditionen festzustellen, Preisliste und Adressenverzeichnisse mußten eingesehen werden. Während die Verkaufsniederlassungen alle Rechnungen des Kundendienstgeschäftes erstellen, sich also um Störungsbeseitigung, Umbau und Reparaturen kümmern, wird die jährliche Fakturierung der Service-Abonnements und die Abrechnung der Neuanlagen zentral durchgeführt. Es war oberstes Gebot, ein Programm zu erstellen, das größtmögliche Flexibilität und weitgehende Unabhängigkeit von Programmierern gewährleistet.

Bei der Realisierung dieser Aufgabe wurden zur Formularorganisation einheitliche Trägerbandsätze gewählt. Dabei werden Einzel-Garnituren (in unserem Fall 6fach) kopfseitig auf ein Endlosträgerband aufgebracht. Das Rechnungsformular ist, abgesehen vom Firmeneindruck, für alle Niederlassungen einheitlich. Bei dieser Art von Formularen sind keine speziellen Geräte für die Nachbearbeitung erforderlich.

Die Rechnungen können einfach vom Trägerband gelöst werden und entsprechen normalen Formularen.

Das Kernstück dieser Fakturierung ist die Textdatei, in der Rechnungstexte zeilenweise abgespeichert werden. Mittels einer Verkettung lassen sich mehrere Zeilen zu einem Textblock verbinden. So braucht die Bedienerin lediglich die erste Nummer einzutippen, der Rest erfolgt automatisch. Zusätzlich kann bei jeder Zeile gesteuert werden, ob verbunden mit dieser Zeile eine Berechnung zu erfolgen hat (Menge mal Preis).

Je nachdem, ob ein Preis pro Einheit eingetragen ist oder nicht, muß nur eine Menge oder Menge mit Preis eingetastet werden. Ferner kann über eine spezielle Eintragung in dieser Datei veranlaßt werden, daß bei Textaufruf ein individueller Text wie Beleg-Nummer oder Datum eingetastet wird. Die letzten zehn Stellen des Textfeldes werden dafür verwendet.

Da solche Textblöcke oft aus vielen Zeilen bestehen, ist es wichtig, einen schnellen Zugriff auf die Datei zu haben, um den Arbeitsfluß der Fakturistin nicht zu stören. Zu diesem Zweck wurde eine Zugriffsmethode entwickelt, die in einem Lesebefehl direkt den gewünschten Satz (Textzeile) einliest. In dieser Datei stehen die unterschiedlichsten Informationen, wie etwa Stundensätze, Auslösungspauschalen, Frachtgebühren, Überstundenpauschalen, Grußformeln und Werbetexte. Damit wurde, was die Gestaltung des Inhalts betrifft, ein Maximum an Flexibilität gewährleistet.

Informationen zur Entscheidung auf einen Blick

Die Kundendatei, Random-organisiert, enthält neben den üblichen Informationen wie Anschrift auch jene zur Fakturierbarkeit einer Leistung, über den Wartungsvertrag sowie die Standorte und Anschriften der zu dem Kunden gehörenden Aufzugsanlagen und eventuelle Sondervereinbarungen.

So lassen sich Entscheidungen, für die früher Karteien und Nebenaufzeichnungen eingesehen werden mußten, direkt am Bildschirm treffen. Für die Aufnahme eines Kunden werden zwei Sätze Ó 128 Stellen benötigt.

Die Kunden sind je nach Größe der Niederlassung auf drei bis sechs Disketten gespeichert. Dies bedeutet vom Formularablauf her eine gewisse grobe Vorsortierung der zu fakturierenden Belege nach Disketten.

Pro geschriebener Rechnung werden die Umsatzzahlen und verschiedene Zähler, wie beispielsweise Anzahl der ausgestellten Rechnungen im laufenden Jahr, in der Kundendatei nachgeführt. Pro Kundensatz müssen also zwei Sätze gelesen und ein Satz geschrieben werden. Durch eigene Programmierung wurde eine sehr schnelle Ausführungs-/ Antwortzeit erreicht.

Die nächste Datei, ebenfalls Randomorganisiert, ist die Ersatzteildatei (Artikelstammsätze). Auch bei dieser Datei ist es vorgesehen, die Umschreibung der Artikel über, eine Kettnummer, analog der bereits genannten Textblockdatei, zu verbinden, um so bei Bedarf den Artikel besser zu erläutern. Dies empfiehlt sich insbesondere bei teureren Artikeln.

Als letzte, Datei wird die Rechnungsausgangsdatei geschrieben. Diese Daten dienen zur Erstellung von verschiedenen Statistiken, wie Rechnungsausgangsbuch und Erlösstatistik nach Branchen sowie als Dateneingabe für die zentrale EDV-Buchhaltung.

Der Ablauf der Fakturierung am Gerät ist phasenweise aufgebaut. Erst werden die kompletten Kundendaten eingegeben. Nach Prüfung der Informationen durch die Fakturistin werden die Daten freigegeben. Gleichzeitig wird der Rechnungskopf geschrieben. Anschließend erfolgt die zeilenweise Verarbeitung, wobei jede Zeile beziehungsweise jeder Textblock nach Freigabe auf die Rechnung geschrieben wird.

Sollkonzeption kostete die meiste Zeit

Was die Konzeptionsentwicklung der Fakturierung anbelangt, so war der größte Zeitanteil für die Erstellung der Sollkonzeption erforderlich. Die Programmierung gestaltete sich auch ohne große Erfahrung wesentlich einfacher als erwartet. Mobol, die Programmiersprache der Serie MDS 21, läßt sich leicht erlernen und schnell anwenden. Das Austesten an dem System bereitet den Programmierern Spaß, da es eigentlich eine Online-Arbeit ist.

Das Fakturierungsprogramm, ohne Vor- und Nachprogramme, war in drei

Wochen produktionsreif. Die komplette Anwendung nahm etwa drei bis vier Mann/Monate inklusiv Einführung in den einzelnen Verkaufsniederlassungen in Anspruch, so daß jetzt die Materialbuchhaltung (Ersatzteilbewirtschaftung) in den Niederlassungen realisiert wird.

Obwohl in diesem Ablauf drei Random- und eine sequentielle Datei im Einsatz sind, entstehen keine Wartezeiten. Pro Arbeitstag können an Spitzentagen über 200, Rechnungen erstellt werden, wobei jede Rechnung 15 bis 20 Zeilen umfaßt, teilweise aber mehr als eine Seite in Anspruch nimmt. Nach Ablauf von einem bis eineinhalb Jahren haben sich die Systeme durchschnittlich amortisiert.

*Werner Weibel ist EDV-Leiter bei Schindler Aufzüge GmbH, Berlin.