Der Wandel des DV-Organisators (Teil 1)

Aufbau und Pflege einer strategischen Erfolgsposition

21.06.1991

Die Konflikte zwischen der IV-Abteilung und ihren Kunden, den Anwendern, bestehen seit der Zeit, als die ersten DV-Anlagen installiert wurden. Häufig hatte man den Eindruck, die Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Fach- und EDV-Abteilung hätten sich abgeschwächt oder seien gar gelöst, doch bei genauerem Hinsehen stellte sich dann heraus, daß sich nur die Schwerpunkte verlagert haben.

Nun könnte man die Meinung vertreten, es läge hier kein IV-spezifisches Problem vor, sondern nur die in der Betriebswirtschaftslehre hinlänglich bekannte Animosität zwischen zwei voneinander abhängigen internen Abteilungen, wie zum Beispiel Fertigung und Vertrieb. Die Ergebnisse der häufig durchgeführten Konfliktanalysen zeigen jedoch, daß die Ursachen anderer Art sind. Sie lassen sich nur mit denen der internen Controlling-Abteilung vergleichen, die so schön prägnant in dem Spruch "Liegt der Controller tot im Keller, waren die Controllten wieder schneller" ihren Ausdruck finden.

Unterschiede in der Denkstruktur

Sind im Normalfall zwischen zwei divergierenden internen Abteilungen nur die Zielsetzungen unterschiedlich, so kommen bei der IV-Abteilung noch die Unterschiede der Denkstrukturen und sachliche Abhängigkeiten hinzu.

Das Verhältnis zwischen IV-Spezialisten und ihren Kunden wird deutlich, wenn man die IV mit der Fremdeinschätzung vergleicht. Aus Sicht des Anwenders zeigt es deutlich den Wandel des DV-Organisators vom Batman zum bad Boy.

Einer Untersuchung von Hanno Klein haben wir folgende Einschätzungen zu verdanken.

Selbstbild des DV-Organisators in der Rangfolge der Nennungen:

- analytisches, logisches, systematisches und abstraktes Denkvermögen,

- sieht die Gesamtzusammenhänge, besserer Überblick, koordiniert,

- innovativ und kreativ

- Vertreter der Geschäftsleitung,

- kooperativ, geduldig, kontaktfreudig, motivierend,

- belastbar, unter Zeitdruck, Erfolgszwang

- geprügelt, Sündenbock, mißverstanden, unterbezahlt,

- Kenntnisse über die Fachabteilung,

- der Fachabteilung überlegen,

- Helfer der Fachabteilung,

- Kenner der Grenzen und Möglichkeiten der EDV,

- ständige Weiterbildung,

- Organisationstalent, Durchsetzungsvermögen,

- klare Formulierungen, eindeutige Sprache.

Die Kunden sehen ihn so:

- mangelnde Kooperationsbereitschaft, kann DV nicht vermitteln, zu sachlicher Umgangston, mangelnde Koordinierungsfähigkeit,

- überheblich, elitäres Denken, Besserwisser,

- Lösungen nicht Fachabteilungsgerecht, DV als Selbstzweck und Spielzeug,

- keine Kenntnisse über Probleme der Fachabteilung,

- versteckt sich hinter Fachausdrücken, EDV-Chinesisch, Geheimniskrämer,

- realitätsfremd, Theoretiker, vereinfacht die Probleme,

-beruft sich auf EDV-Zwänge,

- Doktrinär: "Das geht, das geht nicht", ohne Erklärung,

- unflexibel,

- Pedant.

Wenn Selbst- und Fremdeinschätzung trotz aller Kooperations-, Kommunikations- und Konflikttrainingsübungen nach wie vor so stark voneinander abweichen, ist es an der Zeit, neue Vorgehensweisen anzuwenden. Die Methode zur Bestimmung der strategischen Erfolgsposition sind - angewandt auf die IV-Abteilung Instrumentarien, die, gebündelt zu einer inzwischen vielfach bestätigten Vorgehensweise, den erwünschten Erfolg bringen.

In Anlehnung an Cuno Pümpin wird die strategische Erfolgsposition (SEP) definiert als Fähigkeiten, die es der IV-Abteilung ermöglichen, im Vergleich zur Konkurrenz innen (zum Beispiel andere Servicebereiche) und außen (zum Beispiel externe Rechenzentren) überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Eine IV-Abteilung, die über eine SEP verfügt, zeichnet sich dadurch aus, daß sie besser als alle internen oder externen Wettbewerber in der Lage ist, die tatsächlichen Kundenprobleme zu lösen.

Die SEP wird, wie später genauer dargestellt, aus den Stärken des IV-Bereichs entwickelt, die sich aus Produkten, Märkten und/oder Funktionen ergeben können (Abbildung 1). In der praktischen Durchführung hat es sich als sinnvoll erwiesen, zunächst eine SEP zu entwickeln, auf die dann alle sachlichen, finanziellen und personellen Ressourcen konzentriert werden. Eine wirkungsvolle SEP kann nur dann entstehen, wenn alle Mitarbeiter der internen Abteilung zu Beteiligten gemacht werden.

Was soll eine SEP bewirken?

- Sie wendet den Blick von innen nach außen.

- Sie überwindet Austauschbarkeit.

- Sie bewirkt Zukunftssicherung durch Zusatz- und Geltungsnutzen für den Kunden.

- Sie betont statt autoritärer Fachpromotoren die neue kundenorientierte Identität der Mitarbeiter.

Vier Stufen zum Erfolg

Wie entwickelt man eigentlich eine SEP?

Der Aufbau und die Pflege einer strategischen Erfolgsposition werden in vier Stufen vollzogen:

- Analyse,

- SEP-Bestimmung und Zielsystem,

- Maßnahmen sowie

- Überprüfung und Anpassung.

In der Analyse des Tätigkeitsgebietes wird zunächst die grundlegende Frage gestellt: "Tun wir überhaupt die richtigen Dinge?" Das gesamte Leistungsprogramm und die organisatorische Zuordnung werden kritisch überprüft. Dazu gehört auch die Fragestellung, welchen Nutzen das derzeitige Dienstleistungsprogramm den Kunden bringt und ob gegebenenfalls der Tätigkeitsrahmen neu zu definieren ist.

Der Bezug zu vor- und nachgelagerten Funktionen wird ebenso kritisch hinterfragt wie die bisherige und zukünftige Entwicklung von Kosten, Erträgen und allen weiteren relevanten Kennzahlen.

Im Zuge der Diskussionen über Dienstleistungskultur entsteht häufig der Eindruck, die Zielsetzung müsse darin bestehen, allen Kunden mit gleicher Priorität zu dienen. Das kann selbst für eine interne Serviceabteilung nicht richtig sein. Auch die IV-Abteilung sollte in einer Analyse der Zielgruppen untersuchen, welche Fachabteilungen beziehungsweise Externe sie bedient und wie diese den einzelnen Feldern des Kundenportfolios (vgl. Abbildung 2) zuzuordnen sind. Im Neunerfeld des Portfolios werden die Kunden nach ihrer eigenen SEP (Zukunftserwartungen, Wachstum) und nach ihrer Einstellung zur IV-Abteilung ihrem "Kaufwiderstand" (ASAP; abteilungsspezifisches Absatzpotential) zugeordnet. Daraus können dann unterschiedliche Marketing-Strategien abgeleitet werden.

- Strategie für die Fachabteilungen der Gruppe 1 und 2: Pflege der bestehenden, guten Kundenbeziehung, keine zusätzliche Ressourcenallokation:

- Strategie für die Gruppe 4 und 5: verstärkte Konzentration, insbesondere auf Gruppe 4, konzentrierter Ressourceneinsatz, um diese beiden Gruppen "nach oben" in die Gruppen 1 und 2 zu ziehen.

- Strategie für Anwender der Gruppe 7 und 8, die andere bevorzugen, zum Beispiel das externe Rechenzentrum, oder mittels mächtiger Workstation-Rechner alles selbst machen: kurz- und mittelfristig Rückzug aller Ressourcen. Besonders bei der Gruppe 7 werden nachweislich die höchsten Verluste gemacht, weil alle Anstrengungen unternommen werden, diese Kunden zu gewinnen. Langfristig dürfte durch die Sogwirkung der strategischen Erfolgsposition der IV-Abteilung und durch den hohen Anforderungserfüllungsgrad bei Problemlösungen für die Zielgruppen 1, 2, 4 und 5 mit hoher Wahrscheinlichkeit von selbst eine Umorientierung dieser Gruppen, die heute noch eine kritische Haltung einnehmen, erfolgen.

- Für die verbleibenden Gruppen 3, 6 und 9 werden keine spezifischen Marketing-Strategien entwickelt: Gruppe 3 wird quasi "mitversorgt", während für 6 und 9 keine Ressourceneinsatzplanung erfolgt.

Diese unterschiedlichen Marketing-Strategien erfahren bei der Maßnahmenplanung eine konkrete Ausgestaltung. Nachdem mit Hilfe des Kundenportfolios die Zielgruppen bestimmt wurden, kann in den folgenden Schritten untersucht werden, welche Probleme diese Anwender haben und wie die IV-Abteilung sie löst. Die Diskussion und Bewertung von Imagefragen runden die Zielgruppenanalyse ab: Welches Image hat die IV-Abteilung bei den Anwendern, was traut man ihr zu, was traut man ihr nicht zu? Diese Fragestellungen leiten direkt zum nächsten Analyseschritt über, zur Fähigkeitsanalyse. Mit ihr wird anhand eines Kriterienkataloges untersucht, welche besonderen Fähigkeiten intern und extern die IV-Abteilung im Vergleich zu anderen hat. Für die Festlegung der SEP ist es von besonderer Wichtigkeit, die Stärken, Schwächen, Engpaßfaktoren und Entwicklungspotentiale zu bestimmen. In der Analyse der Abteilungskultur geht es vor allem um die Erfassung des Meinungs-, Norm- und Wertgefüges des internen IV-Bereichs.

Nach der internen Analyse und Zielgruppenbestimmung ist es wichtig, auch die Umfelder zu beleuchten. Hierbei kann je nach gewünschter Intensität die Szenariotechnik eingesetzt werden.

Bei der Untersuchung des direkten Umfeldes werden Fragen der allgemeinen Unternehmenssituation und der auf den IS-Bereich bezogenen möglichen Strategien der Unternehmensleitung, wie zum Beispiel Fusionen, neue Mehrheitsbeteiligungen und insbesondere IV-Spin-off-Pläne diskutiert.

Analyse der externen Umfelder

Die Analyse der externen, kritischen Umfelder bezieht sich vor allem auf die globalen Entwicklungstendenzen der IV-Branche, die Situation der Lieferanten und allgemeine Rahmenbedingungen.

In einer kurzen Marktanalyse geht es vor allem um die Frage, wie andere, mit denen man sich gegenwärtig vergleichen kann und mit denen man sich zukünftig vergleichen will, ihre Aufgaben lösen.

* Professorin Christel Niedereichholz hat an der Fachhochschule Rheinlandpfalz, Ludwigshafen, eine Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensberatung.