Künstliche Intelligenz

- Aufbau eigener Expertensysteme erfordert User-freundliche Umgebungen

29.03.1985

Die zunehmende Dynamik und Komplexität der Unternehmens- und Umweltentwicklung macht, wenn realistisch Handlungen vorbereitet werden sollen, eine Unternehmensplanung erforderlich, die den evolutionären Prozessen Rechnung trägt. Bei dieser Entwicklungsplanung liegt es nahe, sich Methoden, Techniken und Instrumenten zu bedienen, die eine volle Dynamisierung aller Problemparameter und die Erfassung/Abbildung ihrer Entwicklungszusammenhänge, Anpassungs- und Innovationsräume ermöglichen beziehungsweise berücksichtigen. Unter Verwendung von EDV-Anlagen ist die Verwaltung der dafür benötigten großen Datenmengen möglich. Um jedoch den Entscheidungsprozeß rationeller und realistischer zu gestalten, versucht man maschinell Problemlösungen zu generieren, die denen des Menschen ähnlich sein sollen.

Dieses Gebiet der Datenverarbeitung wird mit "Künstlicher Intelligenz" (KI) bezeichnet. Eine präzise und allgemein anerkannte Definition der KI existiert jedoch genausowenig wie eine einheitliche Bedeutungsregelung des Begriffes "Intelligenz". Maschinen können ebenso wie Menschen nicht auf allen Gebieten kompetent sein. Einen "Allgemeinen Problemlöser" gibt es daher nicht. Im Gegensatz dazu aber gibt es Experten, das heißt Spezialisten für ein fest umrissenes Sachgebiet. Spezialisten im DV-Bereich stellen die sogenannten Expertensysteme dar. Sie sind ein Teilgebiet der KI.

Expertensysteme sind am Computer, implementierte Beratungssysteme, die dem Benutzer orts- und zeitunabhängig das Wissen von Experten zur Verfügung stellen und Entscheidungen unterstützen. Da diese Systeme stark mit großen Mengen von Wissen arbeiten, werden sie einerseits als Teilgebiete der Wissenssysteme aufgefaßt, andererseits werden beide Bezeichnungen synonym verwendet. Gemäß der zweiten Auffassung wird im folgenden nur von Expertensystemen die Rede sein.

Diese Systeme verwenden Erkenntnisse aus einem bestimmten Sachgebiet, um die Suche nach Lösungen einzuschränken. Sie unterscheiden sich in einigen grundlegenden Punkten von anderen Entscheidungshilfeprogrammen wie zum Beispiel den "Decision Support Systems" oder den computergestützten Simulationsmodellen:

- Trennung des Expertenwissens vom übrigen

Problemlösungsmechanismus, das ermöglicht eine begrenzte Übertragbarkeit des Systems auf andere Problembereiche;

- informelles Schließen, das heißt der Lösungsweg ist nicht fest verdrahtet; - selbständiges Erklären des Lösungsweges;

- Möglichkeiten des Lernens.

Die Aufgabengebiete, die von Expertensystemen bearbeitet werden können, unterteilen sich in die Interpretation physikalisch gegebener Daten, die Diagnose von Systemzuständen und das Planen von Aktionen (in der Robotik). Ferner zählen hierzu die Konstruktion von elektrischen Schaltkreisen, das Tutoring (Vermitteln von Wissensinhalten) und das Beweisen logischer Formeln.

Ein Expertensystem besteht aus Haupt- und Zusatzkomponenten, deren Aufgaben und Beziehungen untereinander in diesem Abschnitt kurz vorgestellt werden.

Die Hauptkomponenten des Systems bestehen aus der Problemlösungskomponente (= Programm), der Wissensbasis und der Datenbasis.

Die Datenbasis enthält die vom Benutzer eingegebenen Input-Daten über das laufende Problem.

Die Wissensbasis enthält alle Inhalte (Expertenwissen), die die Grundlage der Arbeit der anderen Komponenten bilden.

Die Problemlösungskomponente bearbeitet die vom Benutzer gestellten Aufgaben und versucht Kenntnisse, die nicht explizit in der Wissensbasis enthalten sind, abzuleiten. Expertensysteme erweitern die Zweiteilung des Von-Neumann-Rechners (Programm, Daten) zur obigen Dreiteilung. Die strikte Trennung der Bereiche bietet Vorteile.

So können die Fähigkeiten des Systems durch den inkrementalen Ausbau der Wissensbasis gesteigert werden, und das System kann in Grenzen, durch Auswechseln der Wissensbasis unter Beibehalten der Problemlösungskomponente, in andere Gebiete übertragen werden.

Zu den Hauptkomponenten kommen noch verschiedene Zusatzkomponenten hinzu. Die Erklärungskomponente begründet die von der Problemlösungskomponente erarbeiteten Lösungen und macht ihre Erarbeitung für den Benutzer durchschaubar.

Die Wissensakquisitionskomponente unterstützt die Konstruktion der Wissensbasis, indem sie den Menschen auf Lücken oder Widersprüche im Regelwerk aufmerksam macht.

Die Dialogkomponente schließlich stellt die Schnittstelle zur Kommunikation des Systems mit seinem Benutzer dar.

Die Datenbasis erfaßt die vom Benutzer zur aktuellen Problemlösung eingegebenen Daten. Das bedeutet, daß hier nur reine Input-Daten, in Form von syntaktisch uniform codierten Wissensinhalten (Daten), gespeichert werden. Die Datenbasis kann im Dialog mit dem Benutzer erweitert und/oder verändert werden.

Die Mächtigkeit eines Expertensystems und die Qualität der Schlußfolgerungen basieren primär auf den zur Verfügung stehenden Fakten und damit auf der domänenspezifischen Wissensbasis. Sie beinhaltet neben reinen Fakten und dem Wissen über ihre Zusammenhänge auch das sogenannte Hintergrundwissen von Experten, welches neben Bewertungskriterien und Arbeitstechniken auch Heuristiken umfaßt. Unter Heuristiken versteht man die Lehre von unbewiesenen Annahmen in Form von Vermutungen, Faustregeln, Hypothesen, gutem Raten, die es erlauben, eine Vorauswahl aus der Menge denkmöglicher Lösungswege zu treffen.

Eine schnelle und exakte Einschränkung der Suche nach Lösungen ist von der Art der Wissensrepräsentation abhängig. In Expertensystemen werden zwei Methoden der Wissensdarstellung verwendet.

Die deklarative Erfahrungsrepräsentation gibt Beschreibungen von Sachverhalten, die keine Angaben über Konstruktion und Gebrauch von Wissen enthalten, die prozedurale beschreibt Verfahren zur Konstruktion, Verknüpfung und Anwendung von Wissen.

Formen dieser Repräsentation lassen sich verwenden, um gleichartige oder anders dargestellte Wissensinhalte zu strukturieren. Die Informationsdarstellung des Wissens in der Wissensbasis legt die Form der Problemlösungskomponente fest.

Im folgenden Abschnitt wird der Fall der prozeduralen Wissensrepräsentation behandelt, das heißt, das Wissen wird in sogenannten Produktionsregeln niedergelegt. Jede dieser Regeln besteht aus Wenn-dann-Beziehungen, die auch als Test-Aktion- oder Prämisse-Aktion-Beziehungen bezeichnet werden. Die Prämisse beinhaltet die Voraussetzung, die Aktion enthält die Schlußfolgerung (Konsequenz) und die Gewichtung (certainty factor). Die Voraussetzungen können als Muster aufgefaßt werden, die mit den codierten Eingabedaten der Datenbasis im Arbeitsspeicher verglichen werden.

Die Aktionen sind Schlußfolgerungen, die gezogen werden, wenn alle notwendigen Voraussetzungen mit den Daten in der Datenbasis übereinstimmen. Die durchgeführten Aktionen können Änderungen in der Datenbasis hervorrufen, indem zum Beispiel dem Benutzer eine Frage gestellt wird und die Antwort in der Datenbasis gespeichert wird. Die einzelnen Regeln können zu Regelnetzwerken verknüpft werden, wobei ein synergetischer Effekt entsteht, das Ganze also mehr als die Summe seiner Teile ergibt.

Ist das Wissen in der Wissensbasis in Form von Produktionsregeln repräsentiert, so nimmt die Problemlösungskomponente die Gestalt eines Regelinterpretierers an. Dieser Regelinterpretierer besteht aus mehreren Bausteinen:

- Arbeitsspeicher

Die benötigten Daten werden aus der Datenbasis in den Arbeitsspeicher gebracht und stellen sogenannte Zusicherungen dar.

- Mustervergleicher (pattern matcher)

Er überprüft, ob die Voraussetzungsteile aller Regeln in der Wissensbasis durch die Zusicherungen aus dem Arbeitsspeicher erfüllt sind.

- Konfliktlöser

Sind mehr als eine Regel anwendbar, so wählt der Konfliktlöser die geeignete Regel aus. Eine Auswahl kann explizit durch Metaregeln (= Regeln über die Anwendung von Regeln) dargestellt werden. In Metaregeln wird angegeben, in welcher Reihenfolge und unter welchen Bedingungen Produktionsregeln angewandt werden sollen.

- Regelausführer

Er erzeugt im Arbeitsspeicher einen neuen Zustand, worauf sich der Zyklus so lange wiederholen kann, bis das Problem gelöst ist, oder keine Regeln mehr anwendbar sind.

Zwei prinzipielle Vorgangsweisen bei der Problemlösung durch den Regelinterpretierer sind zu unterscheiden:

- Die datengetriebene Strategie (forward-chaining)

Ausgangspunkt dieser Strategie sind die Input-Daten des Benutzers, die den aktuellen Kontext beschreiben. Die Menge der anwendbaren Regeln stellen die Verfahrensgrundsätze dar, deren Voraussetzungsteile durch Zusicherungen erfüllt sind. Besteht diese Menge aus mehreren Elementen, so wird die anzuwendende Regel ausgewählt.

- Die zielgetriebene Strategie (backward-chaining)

Ausgangspunkt ist hier die Zielvorstellung des Benutzers. Dieser Auswahlprozeß versucht nun rekursiv von einem gegebenen Ziel aus die zur Zielerreichung notwendigen Voraussetzungen zu spezifizieren, sie zu verifizieren oder selbst als Ziele festzusetzen.

Die Entscheidung, welche der beiden Strategien für ein bestimmtes Expertensystem geeigneter ist, wird vom Zweck des Systems und vom Problemfeld bestimmt.

Benutzer eines Expertensystems, vornehmlich selbst Spezialisten des Fachgebietes (zum Beispiel Ärzte bei "Mycin"**), müssen in der Lage sein, den Schlußfolgerungen des Computerprogramms zu folgen und somit den Weg, wie eine Lösung zustande kam, überprüfen und damit akzeptieren oder zurückweisen zu können. Außerdem soll die Erklärungskomponente dem Benutzer Vertrauen in das System einflößen und ihm eine Einschätzung der Verläßlichkeit der Antwort ermöglichen.

Dieses Modul ist vor allem dann hilfreich, wenn ein Expertensystem zur Ausbildung eingesetzt wird. Im Rahmen der Entwicklung, Evaluierung und Anwendung ist das Erklären des Problemlösungsweges bedeutsam, um eventuelle Fehler in der Programmlogik und der Wissensbasis lokalisieren zu können.

Die Wissensakquisitionskomponente dient dem Wissenserwerb beziehungsweise der Transferierung von Wissen bei und nach der Konstruktion von Expertensystemen. Sie unterstützt den Systemarchitekten (knowledge engineer) beim Zusammentragen und Dokumentieren des von den menschlichen Experten erfragten Wissens.

Beim Wissenserwerb selbst ergeben sich einige Schwierigkeiten. Eine Schwierigkeit der Erfahrungsakquisition für Expertensysteme besteht darin, daß dabei Kenntnisse und Fertigkeiten von Spezialisten des Anwendungsgebietes in ein System gegeben und dort codiert werden müssen, mit dessen Funktionsweise sie nur vage vertraut sind. Werkzeuge der Wissensakquisition, die eine Mittlerfunktion zwischen Experten und dem System einnehmen, sind unter anderem: "Teiresias", "Emycin", "Expert" und "Kas".

Eine andere Schwierigkeit taucht auf, wenn Experten ihr Wissen (Hintergrundwissen) nicht preisgeben können, weil sie sich ihres "internen Problemlösungsmodells" nicht von bewußt sind. Deshalb ist die Entwicklung von Werkzeugen, die helfen, das Hintergrundwissen der Fachleute zu eruieren, zu einer separaten Forschungsaufgabe auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz geworden.

Die Dialogkomponente dient der Erklärungs- und der Wissensakquisitionskomponente zur Kommunikation mit dem Benutzer. Für diese Aufgabe enthält sie Satzmuster für Fragen und Antworten.

Dieser Bestandteil sollte unbedingt benutzerfreundlich agieren. Aus diesem Grunde werden die Forderungen nach einer natürlichsprachlichen Schnittstelle immer lauter. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Verfechter des augenblicklich nur anwendbaren reduzierten Englisch, die die Meinung vertreten, daß unter anderem eine neue interaktive Technologie in vieler Hinsicht flexibler sei als die natürliche Sprache.

In diesem Abschnitt sollen beispielhaft einige Expertensysteme kurz vorgestellt werden, die schon erste Erfahrungen hinter sich haben. Die Expertensysteme im Bereich der Betriebswirtschaftslehre befinden sich noch in der Entwicklung oder in der Erprobungsphase. Die meisten dieser Systeme existieren wohl auf dem Gebiet der Medizin, da hier der geforderte abgegrenzte, wohldefinierte Anwendungsbereich noch am ehesten gegeben ist. Expertensysteme in diesem Bereich sind zum Beispiel Mycin und Caduceus.

Erste KJ-Systeme im Praxistest

Mycin unterstützt den Arzt bei der Diagnose von Infektionskrankheiten und gibt Therapievorschläge, während Caduceus Diagnosen auf dem Gebiet der inneren Medizin liefert.

Expertensysteme für andere Anwendungsbereiche sind unter anderem "Prospektor", "Dendral", "Molgen" und "Taxadvisor". Außer Taxadvisor arbeiten alle anderen hier aufgezählten Systeme zum Teil schon erfolgreich in der Praxis.

Prospektor dient in der Geologie zur Suche nach verschiedenen Bodenschätzen. Dieses Expertensystem besitzt eine Wissensbasis von 212 Hypothesen und 133 Problemlösungsregeln.

Dendral dient in der Chemie ebenfalls in funktionaler Hinsicht der Kategorie Suche, indem es zur Generierung der Atombindungsgraphen und nuklearen Massenresonanzdaten eingesetzt wird. Es enthält 400 Regeln zur Problemlösung.

Molgen ist ein Expertensystem, in dem Forschungserfahrung in der Auswahl experimenteller Methoden und Geräte zur Planung neuer Experimente in der Molekulargenetik eingesetzt werden soll.

Das letzte hier vorzustellende System ist Taxadvisor, ein Programm, das dem Steuerberater hilft, seinem Klienten Vorschläge zur Vermögensplanung unter steuerlichen Gesichtspunkten auszuarbeiten. Seine Wissensbasis besteht aus 275 Regeln. Es ist neben dem experimentellen System Taxman eines der Expertensysteme, die sich im betriebswirtschaftlichen Bereich einsetzen lassen.

Mycin ist ein typisches Beispiel für die von Produktionsregeln gesteuerten Programme, wobei die zielgetriebene Strategie der Problemlösung verfolgt wird. Die Aufgabe dieses Expertensystems ist zu entscheiden, welches von vielen möglichen Bakterien eine bestimmte Infektion verursacht haben könnte; ferner muß es auf der Grundlage seiner Diagnose eine entsprechende Behandlung vorschlagen. Dazu verfügt das Programm über eine Wissensbasis, die 500 heuristische Regeln umfaßt.

Die Beratung des Arztes erfolgt über den Bildschirm, wobei die Dialogführung durch das System erfolgt, so daß Eingaben durch den Benutzer zu jedem Zeitpunkt beschränkt sind, daher überflüssige Kommunikation entfällt. Die Dialogkomponente ist bei diesem Expertensystem in die Wissensbasis integriert, erscheint also nicht explizit.

Die Wissensbasis, die im Dialog mit Experten erstellt wird, enthält das gespeicherte Wissen in Form von Produktionsregeln. Die Prämisse (Test) dieser Regeln besteht aus einer Boolschen Kombination assoziativer Trippel (OB ATTR E), wobei die Aussage, daß ein Objekt OB eine Eigenschaft besitzt, als "assoziatives Trippel" bezeichnet wird, ATTR (Attribut) ein "Name" und E der "Wert dieser Eigenschaft" ist. Die Aktion dieser Regeln enthält die Schlußfolgerung und die Gewichtung.

Die Datenbasis teilt sich in Patientendaten und dynamische Daten. Die Patientendaten stellen allgemeine Angaben und klinische Befunde über den Patienten, die während der Beratung als Antworten auf Fragen des Systems geliefert werden. Dynamische Daten sind Daten, die als Schlußfolgerungen aus Patientendaten erzeugt werden, das heißt nicht Angaben des Arztes sind.

Die Art und Weise, wie das Programm von seinem Wissen Gebrauch macht, wird vom Programmierer nicht bis in jede Einzelheit festgelegt.

Um die Bedeutung von Expertensystemen in diesem Rahmen messen zu können, muß die Frage gelost sein, welche Anforderungen eine Entwicklungsplanung an mögliche Instrumente überhaupt stellt.

Um eine (im Hinblick auf die evolutionäre Unternehmens- und Umweltentwicklung) sinnvolle Planung zu gewährleisten, muß ein mögliches Instrument die Anpassung an sich verändernde Daten, Wirkungszusammenhänge und Zielsysteme - unter Berücksichtigung dynamischer Handlungs- und Aktionsräume - unterstützen.

Man kann dabei die Probleme der Wirklichkeit nicht durch Herabsetzen der Anforderungen an die Hilfsmittel zu ihrer Bewältigung lösen. Daraus folgt, daß diese Instrumente in der Lage sein müssen, komplexe Aufgabenstellungen zu bewältigen.

Expertensysteme können ein mögliches Instrument der Entwicklungsplanung darstellen, da sie gut verwendbar sind, wenn eine große Zahl von unabhängigen Einflußfaktoren auf ein Entscheidungsproblem zu behandeln ist und wenn Reaktionen schon auf kleinste Faktorveränderungen gewünscht werden. Sie eignen sich vor allem für halbstrukturierte Problemstellungen; und Planungsprobleme sind in der Regel äußerst schlecht strukturierte Probleme.

Ein Aspekt der Entwicklungsplanung ist in der Antizipation zukünftigen Geschehens als Entscheidungshilfe zu sehen; in der Prognose also. Expertensysteme sind in der Lage, unter Berücksichtigung aller ihnen zur Verfügung stehenden Fakten und dem Wissen über ihre Zusammenhänge, mögliche Entwicklungen zu beschreiben.

Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß sich diese Prognosen aus dem gespeicherten subjektiven Hintergrundwissen von Spezialisten zusammensetzen. Sie können daher auch keinen Anspruch auf Objektivität erheben, da kein menschlicher Experte bekannt ist, der zuverlässige Vorhersagen abgeben kann. Um einer dynamischen Planung Rechnung zu tragen, darf Planen nicht Entscheidung im Sinne von Alternativenauswahl eingeengt werden, denn gefundene Alternativen sollen Handlungs- und Aktionsmöglichkeiten ausdrücken. Expertensysteme werden dieser Aufgabe gerecht, indem sie nach Eingabe eines Ziels mögliche Aktionspläne zur Zielerreichung aufstellen können.

Die Systeme bieten im Hinblick auf einen möglichen Einsatz im Rahmen der Entwicklungsplanung noch andere "Vorteile". Die begrenzte Kapazität des menschlichen Aufgabenträgers zur Verarbeitung komplexer Zusammenhänge bedingt den hierarchischen Aufbau der Planung, der in seiner Anpassungsfähigkeit bezüglich sich dynamisch ändernder Problemparameter einer erfolgreichen Entwicklungsplanung"

entgegensteht.

Konflikte, wie zum Beispiel mangelnde Planungsintegrität und bewußt oder unbewußt verfälschte Informationen können mit Hilfe von Expertensystemen weitgehend beseitigt werden. Sie helfen Kompetenzen zusammenzufassen, da die Planungsträger nicht mehr so sehr auf bestehende Informationsflüsse angewiesen sind.

Abstimmungsprozesse, die einen hohen Koordinationsaufwand erfordern, können durch das System automatisiert werden, indem es die einzelnen Teilpläne auf Kompatibilität hin überprüft.

Der Informationsaufwand wird geringer, die Informationen aktueller und die Informationsgüte, die die Grundlage präzisen Planens ist, nimmt zu. Vorhandenes Wissen wird vollständig und konsequent angewandt.

Bei all diesen "Vorteilen" sollte man nicht vergessen, daß der Aufbau eines solchen Systems sehr viel Zeit und Geld kostet. Außerdem sollte man beachten, daß eine vorhandene Wissensbasis gepflegt, das heißt aktualisiert werden muß.

Das in der Wissensbasis gespeicherte Wissen besteht zu einem großen Teil aus Vermutungen und heuristischen Regeln, was die Nachteile birgt, daß scheinbar objektive Informationen eben teilweise subjektiv sind und gelieferte Lösungsvorschläge zwangsläufig nicht immer die optimalen sind.

Expertensysteme integrieren in umfassender Weise alle bekannten Mechanismen zur Automatisierung intellektueller Aktivitäten. Ihre Leistungsfähigkeit und Nützlichkeit steigt in dem Maße an, in dem sie Kompetenz in schnell zugreifbarer Form akkumulieren.

Zukünftige Anwendungsmöglichkeiten bieten sich im Bereich:

- Forschung/Entwicklung/Konstruktion zum Beispiel in Form der Unterstützung von Entscheidungen der Projektplaner bei der Auswahl zwischen Netzplanen;

- Finanzierung zur Liquiditätsdisposition;

- Service für Dienstleistungsbereiche (Banken und

Versicherungen);

- Portofoliomanagement (exaktere Positionierung der strategischen Geschäftseinheiten).

Um komplexe Probleme in erhöhtem Maße schnell und präzise lösen zu können, kommt der Symbolverarbeitung in Zukunft eine große Bedeutung zu. Sie erlaubt es über Analogien und Netze hypothetischer Verknüpfungen menschliche Denkprozesse und Verhaltensweisen zu simulieren.

Eine weitere Verbesserung bei der Simulation menschlicher Verhaltensweisen ist durch den Einsatz von Assoziativspeichern gegeben, auf die man nicht über Adressen, sondern über den Inhalt zugreift.

Existierende Techniken der Datenbank- und Informationssysteme werden mit Expertensystemen zusammenwachsen.

Die nächste Generation von Expertensystemen werden Systeme parallel verarbeitender, kooperierender Bereichsexperten bilden, die auf Mehrrechnersystemen realisiert werden.

Um den Unternehmen Wettbewerbsvorteile aufgrund unterschiedlicher Information beim Einsatz von Expertensystemen zu gewährleisten, werden in Zukunft benutzerfreundliche" Umgebungen" entwickelt werden müssen, die es computerunkundigen Spezialisten erlauben, eigene Expertensysteme aufzubauen.

Die Überlegenheit des Menschen ist vor allem darin begründet, daß er komplexe Problemzusammenhänge erkennen und sich an wichtige Informationen durch Assoziation erinnern kann sowie Intelligenz und Originalität besitzt. Aus der Kombination mit einem Computer, der die Fähigkeit hat, große Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten, resultiert ein äußerst effizientes Problemlösungs- und Planungssystem.

Solange jedoch ein Computer seine Kenntnisse nicht durch "Erfahrung" vertiefen kann, wird seine Leistung allein vom Wissen, der Voraussicht und der Gründlichkeit des Programmierers bestimmt; und eben hier liegen die Chance und das Risiko für den erfolgreichen Einsatz von maschinellen Intelligenzverstärkern. Um in der Betriebswirtschaft breite Anwendung zu finden, müssen sie kostengünstig und einfach zu bedienen sein, sonst mag es "billiger" sein, einen menschlichen Experten zu "kaufen".

* Claudia Kreuder ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Infodas Gesellschaft für Systementwicklung und Informationsverarbeitung mbH, Köln.

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