UKE-CIO Henning Schneider

Auf Visite mit dem CIO

05.04.2016
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
860 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2015. Bevor CIO Henning Schneider die IT zentralisiert und die elektronische Patientenakte eingeführt hat, waren es Verluste in Millionenhöhe. Für seine Leistung erhielt der CIO 2015 den "CIO des Jahres Innovation Award". Trotzdem würde er heute lieber Medizin studieren.
  • Ein solches Projekt funktioniert nur Top Down
  • Schneider ermutigt seine Mitarbeiter, die Ärzte durch den Alltag zu begleiten
  • 40 Prozent seiner Arbeitszeit ist Kommunikation
Henning Schneider, CIO am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat die digitale Patientenakte eingeführt.
Henning Schneider, CIO am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat die digitale Patientenakte eingeführt.
Foto: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Sechs Uhr morgens, das Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf (UKE): Eine Gruppe junger Leute in weißen Kitteln hört konzentriert dem Chefarzt zu, der die Behandlung des schwierigen Falls auf der Kardiologischen schildert. Moment - einer davon kann doch kein Medizinstudent mehr sein. Richtig: es ist Henning Schneider, der CIO des Krankenhauses. "IT-Entscheider müssen den Klinikalltag kennen", erklärt Schneider.

Klinikalltag, das sind nicht nur Patienten, das ist auch die kaufmännische Seite. Eben an der krankte es im Jahr 2004 ganz erheblich. Mit mehr als 30 Millionen Euro Verlust drohte das UKE auszubluten. Heute erfreut es sich mit rund 860 Millionen Euro Umsatz guter Gesundheit. Die Genesung hängt maßgeblich mit Schneiders Arbeit zusammen, der 2008 ins UKE kam. 2015 erhielt er den Innovationspreis beim Wettbewerb "CIO des Jahres".

In einem Satz zusammengefasst lautete die Therapie: Der CIO hat die elektronische Patientenakte eingeführt. "Da steckt natürlich mehr dahinter", sagt Schneider.

Die Behandlung der Klinik lief in mehreren Stufen ab. Zunächst einmal ging es um Standardisierung und Vernetzung. Formulare und Prozesse wurden vereinheitlicht. Erst dann wurde die IT verarztet. "Der Vorstand hat von Anfang an klar gestellt, dass es sich nicht um ein IT-Projekt handelt, sondern um eine Strategie für das gesamte Unternehmen", erzählt Schneider. Und so hat die Klinikleitung von Beginn an die Chefärzte mit eingebunden, die das Haus dann mit dem Change angesteckt haben. "Es war besonders wichtig, die Entscheider mitzunehmen und es auch zu ihrem Projekt zu machen", kommentiert Schneider, "nur sie haben die Möglichkeit, eine Digitalisierung im eigenen Bereich umzusetzen."

Die IT darf nicht im Keller sitzen

Ihm als CIO half sein guter Draht zu den Ärzten. "In einem Krankenhaus darf die IT nicht im Keller sitzen", sagt Schneider. "Ich ermutige auch meine Mitarbeiter, die Ärzte durch ihren Alltag zu begleiten. Dafür gebe ich ihnen Zeit."

Schneider erklärte den Medizinern den Vorteil der Digitalisierung denn auch durch ihre Brille. "Etwas gleich am Computer einzugeben, statt es einfach auf einen Block zu kritzeln und den der Schwester zu geben, dauert natürlich erstmal länger", sagt er. "Aber jeder weiß, dass er am Schluss einen Arztbrief erstellen muss. Wir haben nun viele Freitextfelder in die Formulare eingebaut. Das, was die Ärzte da reinschreiben, können sie dann später Eins zu Eins in den Arztbrief übernehmen." Abstrakter ausgedrückt: IT follows process.

Der große Durchbruch für die Standardisierung von Prozessen kam dann mit einem Drama. EHEC, vier harmlose Buchstaben, beherrschten 2011 die Schlagzeilen. Dahinter stecken Enterohämorrhagische Escherichia coli, Darmbakterien, die eine lebensgefährliche Infektion auslösen können. Die Notaufnahmen in den norddeutschen Krankenhäusern waren voll. In Deutschland starben 53 Menschen.

Schneider erinnert sich: "Bei uns mussten plötzlich Ärzte und Pflegekräfte aus den verschiedensten Disziplinen zusammenarbeiten, die noch nie zusammengearbeitet hatten, und alles musste schnell gehen." Spätestens jetzt war jedem klar, wie sinnvoll einheitliche Formulare und Vorgänge sind.

Doch die elektronische Patientenakte, die Schneider dann einführen konnte, verursachte zunächst neue Bauchschmerzen. Lokalisieren ließen sich diese beim Datenschutz. Dazu Schneider: "Die elektronische Akte ist doch viel sicherer als eine aus Papier." Er verpasst jeder Akte ein Passwort, zugreifen dürfen nur Nutzer mit Berechtigung. Alle Vorgänge sind transparent. Scheider: "Ich kann jederzeit nachverfolgen, wer wann welche Änderungen an der Akte vorgenommen hat." Niemals könne man eine Papierakte so schützen, betont der CIO.

Rate der Falschmedikaton von 39 auf 1,6 Prozent gesenkt

Einer der Vorteile der digitalen Patientenakte liegt in der Medikation. Der Ablauf von der Verschreibung des Medikaments bis zur Gabe wird im UKE in einem geschlossen System abgebildet. Dieses erhöht die Dokumentationsqualität und damit die Patientensicherheit enorm. Vergleichsstudien belegen diese Verbesserungen.

Denn letztlich geht es im Krankenhaus um Menschen und das Menschliche. Etwa 30 Prozent seiner Arbeitszeit, schätzt der CIO, verbringt er in Kommunikation mit den Fachabteilungen. Weitere zehn Prozent in Gesprächen mit der Klinikleitung. Dass ihm das Kommunikative liegt, ist eine Typfrage, sagt Schneider. Und fügt an: "Man kann die IT eines Krankenhauses nicht leiten, als leite man ein Rechenzentrum." Und so ist ihm der Erfolg auch nicht zu Kopf gestiegen. Seine Bewunderung gilt den Ärzten: "Wäre ich nochmal jung, würde ich Medizin studieren. Das ist doch ein toller Beruf!"