Arbeiten in ehemaligen Startups

Auf New Economy folgte neue Biederkeit

19.07.2012
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

SinnerSchrader: "Wir suchen Geeks"

Peggy Hutchinson, SinnerSchrader: "Wir haben viele offenen Positionen, vom Praktikanten bis zum Geschäftsführer."
Peggy Hutchinson, SinnerSchrader: "Wir haben viele offenen Positionen, vom Praktikanten bis zum Geschäftsführer."
Foto: SinnerSchrader

SinnerSchrader zählte zu den Stars am Neuen Markt. Der 1996 in Hamburg gegründete Internet-Dienstleister sorgte mit seinem Börsengang und den smarten Gründern für Furore. Heute beschäftigt die Agentur rund 430 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 im IT-Umfeld arbeiten. Für das Hamburger Büro und die neue, in München gegründete Niederlassung sucht HR-Leiterin Peggy Hutchinson noch Kollegen: "Wir haben viele offene Positionen, die vom Praktikanten bis zum Geschäftsführer reichen."

In der Agentur entwickeln Teams aus Informatikern und Designern gemeinsam Lösungen für die Kunden. Deshalb legt Hutchinson großen Wert auf kooperativen Arbeitsstil und agile Mitarbeiter, für die der Blick über den Tellerrand selbstverständlich ist. Ein Studienabschluss allein reiche dafür nicht aus. "Wir suchen Geeks, die beispielsweise einen Blog betreiben oder in einer User Group aktiv sind", zählt Hutchinson Pluspunkte auf. Das hohe technische Niveau wird auch von Quereinsteigern gefordert, die bei SinnerSchrader anheuern möchten.

Die meisten Bewerber können ein abgeschlossenes Informatik- oder Medieninformatikstudium vorweisen. Waren Websites in den Anfangsjahren des Internet-Zeitalters noch einfach gestrickt, müssen Bewerber heute fundierte IT-Kenntnisse mitbringen. Zwar bieten die flachen Hierarchien Aufstiegschancen, doch die Personalchefin sagt klar, dass nicht jeder Führungskraft werden könne. "Viele entwickeln sich innerhalb des Technikteams fachlich weiter oder übernehmen innerhalb eines Kundenprojekts Verantwortung", sagt Hutchinson. Fachliche Weiterbildungen, Nachwuchstrainings oder Coachings zählen zu den Bildungsbausteinen, die den engagierten Mitarbeitern offenstehen.

Doch bei allem kreativen Freiraum arbeitet in Hamburg selten jemand rund um die Uhr, geregelte Arbeitszeiten sind heute selbstverständlich. "Wir sind ein unaufgeregtes Unternehmen, die Arbeitszufriedenheit unserer Mitarbeiter ist uns sehr wichtig", erläutert die Personalerin. Doch ein Relikt aus den frühen Jahren blieb erhalten. Es gibt immer noch kostenlose Getränke und Obst. Selbst ein Masseur kommt zwei- mal die Woche ins Büro und verwöhnt die Mitarbeiter.

ImmobilienScout denkt über Betriebsrente nach

Ein kostenloses Frühstück mit Müsli, Obst sowie Kaffee und Tee bietet auch ImmobilienScout, heute wie die ganze Scout24-Gruppe zur Deutschen Telekom gehörend, seinen Mitarbeitern. Auf den Fluren des Unternehmens in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs steht noch ein Kicker. Ansonsten gab es in den vergangenen zwölf Jahren seit der Firmengründung jede Menge Veränderungen.

Ob Qualitätsstandards in der IT oder Prozesse und Ablaufmodelle, die mehr Transparenz schaffen und die Eigenverantwortung der Mitarbeiter fördern - Ziel ist es, die Professionalität weiter zu steigern. Diese ist bei inzwischen 550 Mitarbeitern notwendig, denn Arbeiten auf Zuruf funktioniert nur noch bedingt. Bei allen Organisationsstrukturen sollen aber weder Schnelligkeit noch Kreativität auf der Strecke bleiben, wie Personalreferent Christof Müller betont.

Christof Müller, ImmobilienScout: "Zu uns passen kommunikative Menschen, die sich gut in ihrem Fachtema auskennen."
Christof Müller, ImmobilienScout: "Zu uns passen kommunikative Menschen, die sich gut in ihrem Fachtema auskennen."
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Mit dem breiten Serviceangebot des Dienstleisters veränderte sich auch das Jobprofil der rund 120 Mitarbeiter in der IT-Abteilung. "Zu uns passen kommunikative Menschen, die sich gut in ihrem Fachthema auskennen und agil sind", beschreibt der Personaler den idealen Bewerber. Dieses Qualifikationsprofil findet der Recruiter nicht nur in einem gradlinigen Lebenslauf. Wichtiger sind ihm Begeisterung, Neugier und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen.

Um im Wettlauf um gut ausgebildete Fachkräfte mitzuhalten, möchte ImmobilienScout seinen Mitarbeitern eine langfristige Perspektive bieten. Neben den Fach- und Management-Positionen sollen auch Incentives zur Motivation beitragen. In Berlin denken die Personaler inzwischen sogar über eine Betriebsrente nach. In der Hochphase der New Economy wäre niemand auf so eine Idee gekommen. Selbst geregelte Arbeitszeiten lösten damals Kopfschütteln aus. Mittlerweile haben sich nicht nur die Firmen weiterentwickelt, sondern ihre jungen, wilden Mitarbeiter sind älter geworden. Und mit dem Alter ändern sich oft auch die Ansprüche an den Job.