Auf Gedeih und Verderb Richtung Windows 95 Borland stellt die Entwicklung seiner DOS-Datenbanken ein

23.12.1994

MUENCHEN (CW) - Die schlechte Finanzlage zwingt die Borland International Inc., Scotts Valley, offenbar zu einer - nach Ansicht von Marktbeobachtern - vorschnellen Entscheidung: Wie die CW-Schwesterpublikation "Computerworld" meldet, hat das kalifornische Software-Unternehmen die DOS-Versionen seiner DB- Systeme "Dbase" und "Paradox" zum Sterben verurteilt.

Die DOS-Datenbanken werden bis auf weiteres verkauft und unterstuetzt. Neue Updates wird es jedoch nicht mehr geben. Fuer Brancheninsider ist dieser Schritt nur schwer nachvollziehbar. Wie das Marktforschungsunternehmen International Data Corp. (IDC) ermittelte, erzielte Borland mit den beiden DOS-Datenbanken im vergangenen Jahr Einnahmen in Hoehe von 94 Millionen Dollar. Das entspricht einem guten Drittel des fuer das Geschaeftsjahr 1994/95 prognostizierten Umsatzes von 289 Millionen Dollar.

Gegenueber der "Infoworld", einer weiteren CW-Schwester, begruendete ein Borland-Sprecher die Sparmassnahme mit Trendbewusstsein: "Der DOS-Markt ist im Niedergang begriffen. Wir legen unser Schwergewicht auf Windows 95." Demgegenueber gibt das US-Blatt zu bedenken, dass die Borland-Konkurrenten ihre DOS-Produkte sehr wohl weiterentwickeln. Beispielsweise habe der Erzrivale Microsoft fuer das Fruehjahr eine DOS-Version von "Visual Foxpro 3.0" in Aussicht gestellt.

Mit Hilfe von Werbeaktionen will Borland seinen Kunden den Umstieg von den DOS-Ausfuehrungen auf die Windows-Versionen seiner Datenbankprodukte schmackhaft machen. Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich, da die Eins-zu-eins-Umstellung von Formaten und Reports Wunschdenken bleiben duerfte. Also werden die Anwender wohl kaum um ein neues Datenbankdesign herumkommen. Und da fasst der eine oder andere auch den Mitbewerb ins Auge. So der Tenor einer Diskussion, die sich nach Erscheinen des "Infoworld"-Artikels im "Paradox-Forum" des Online-Dienstes Compuserve entzuendete.

Auch im Markt fuer Windows-Datenbanken gilt das gefluegelte Gorbatschow-Wort. Jedenfalls hat hier laut IDC der Betriebssystem- Lieferant Microsoft die Nase vorn. Fuer sein Produkt

"Access" koenne er einen Marktanteil von 47 Prozent reklamieren. Dbase und Paradox hingegen braechten es zusammen nur auf 30 Prozent. Die IDC-Analystin Nicole Roth beziffert die bislang mit "Dbase for Windows" erzielten Einnahmen auf ganze 55 Millionen Dollar, waehrend allein die Marketing-Kampagne fuer das im Oktober dieses Jahres eingefuehrte Produkt zehn Millionen gekostet habe.

Hoffnungen bislang nicht erfuellt

Die Hoffnungen, die Borland in Dbase for Windows gesetzt hatte, haben sich bislang nicht erfuellt. Nach Angaben des Borland- Insiders Michael Wallace, Analyst bei der Investment-Bank UBS Securities, erwartet die Softwareschmiede fuer ihr Ende Dezember endendes drittes Quartal 1994/95 einen Verlust von 60 Cent pro Aktie, fuer das gesamte Geschaeftsjahr gar ein Minus von 2,15 Dollar pro Aktie.

Unbestaetigten Geruechten zufolge diskutiert das Borland-Management neuerdings sogar, ob es sich eigentlich noch zwei konkurrierende Datenbankprodukte leisten koenne. Chief Operating Officer Keith Maib will davon - zumindest oeffentlich - nichts wissen: "Es gibt keine Plaene, ein Produkt fallenzulassen."