Wenn IT-Mitarbeiter ausgelagert werden

Auf einmal ist die gute Stimmung weg

23.04.2004
Viele Mitarbeiter sind überfordert und demotiviert, sobald sie von den Plänen der Chefs erfahren, ihre IT-Abteilung inklusive des Personals an einen externen Dienstleister zu verkaufen. Die Gefahr, dass über Jahre gewachsenes Vertrauen im Betrieb zerstört wird, ist groß. Von Winfried Gertz*

So kann man sich täuschen: Noch kurz bevor die Nachricht von der bevorstehenden Auslagerung des Bereichs durchsickerte, erinnert sich ein Mitarbeiter der IT-Abteilung, "herrschte hier eine angenehme Atmosphäre, und man verständigte sich offen und direkt". Inzwischen sind mehrere Monate vorbei, und der Vertrag zwischen der norddeutschen Bank und dem IT-Dienstleister ist noch immer nicht in trockenen Tüchern. Die Beschäftigten wissen nicht, ob sie gehen müssen oder bleiben dürfen; die Frustration könnte größer nicht sein.

Mitarbeiter über den Tisch gezogen

Berufliche Aufgaben in einem anderen Unternehmen erledigen zu müssen, sagt Norbert Krebs, Senior Manager der Unternehmensberatung Accenture in Frankfurt am Main, muss nicht unbedingt "das Ende aller Karriereträume" bedeuten. Gemeinsam mit etwa 300 Kollegen ist Krebs vor zwei Jahren von einer Telekommunikationsgesellschaft outgesourcet worden und inzwischen bei seinem neuen Arbeitgeber ins Management aufgerückt.

Aus Sicht der einschlägig bekannten Unternehmen verbessert Outsourcing sogar die beruflichen Perspektiven der Beschäftigten, die dann Mitarbeiter des Dienstleisters werden. Folgt man dieser Version, erweitern Mitarbeiter ihren Aktionsradius und erwerben zusätzliche Kompetenzen. Beispielhaft lässt IBM einen eidgenössischen ABB-Mitarbeiter zu Wort kommen, der vor dem Outsourcing für System-Management, Lizenzverwaltung und Bandbreiteneinkauf zuständig war. "Bei IBM", freut sich Max Dürr, "gehöre ich nun zu den Beschäftigten, mit denen das Unternehmen Geld verdient." Unversehens ist er Teil des Kerngeschäfts und sagt selbstbewusst: "Was ich nicht ausstehen kann, sind Leute, die nur jammern."

Die heile Welt des Outsourcings hält nicht immer, was ihre Apologeten versprechen. Zwar wird die Frage "Make or buy?" oft pro Outsourcing beantwortet. Und wer kann sich der Verlockung, Kosten zu senken und die Flexibilität zu erhöhen, entziehen? Auf einem anderen Blatt steht freilich die Frage, ob die Unternehmenskulturen zusammenpassen und Mitarbeiter nicht nur gut vorbereitet, sondern auch hoch motiviert ins neue Aufgabenfeld wechseln. "Bei uns", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter von Hitachi in München, "wurden die Beschäftigten über den Tisch gezogen." Vor Jahresfrist hatten Hitachi und Mitsubishi ihre Halbleitersparten in die gemeinsame Tochter Renesas ausgegründet. Trotz der vom Betriebsrat ausgehandelten Sozialpläne rechnen viele Mitarbeiter aus IT, Personalabteilung, Rechtsabteilung und Hausverwaltung nun damit, ihre Jobs zu verlieren und im angespannten Arbeitsmarkt der Chipindustrie vorerst keine Alternative zu finden.

Die Gefahr, nur auf die Kostenseite zu schielen und beim Betriebsübergang das Veränderungs-Management zu vernachlässigen, ist den Beteiligten durchaus bewusst. "Wir achten darauf", erläutert Susanne Dietrich, bei CSC Ploenzke in Kiedrich verantwortlich für Personalentwicklung und Change-Management, "die Mitarbeiter offen und ehrlich und so umfassend wie möglich in die Veränderungsprozesse einzubeziehen." Verständlich, schließlich sind in den letzten Jahren rund 27000 Mitarbeiter, gut ein Drittel der weltweiten Belegschaft, durch Outsourcing zu CSC gestoßen.

Doch nicht nur das neue Unternehmen, bei dem die Mitarbeiter künftig ihre Brötchen verdienen, ist in der Übergangsphase gefordert. Vorher muss der alte Arbeitgeber seine Informationspflichten erfüllen - ein Knackpunkt, auf den Rechtsanwalt Knut Müller von der auf Arbeitsrecht spezialisierten Münchner Kanzlei Ulrich Weber und Partner hinweist. "Genügt die Information des ehemaligen oder des neuen Arbeitgebers nicht den gesetzlichen Anforderungen", so Müller, "besitzen die Mitarbeiter ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht gegen den Betriebsübergang." Besser sei es, ergänzt Achim Thannheiser, Rechtsanwalt aus Hannover, nichts voreilig zu unterschreiben. Drohe die Ausgliederung in eine "Frittenbude", mahnt der Jurist, "geht der Schutz der großen Mutter verloren". Kleine Firmen könnten in der Regel keine Arbeitsplätze garantieren.

Wichtiges Know-how geht verloren

Wechseln Mitarbeiter doch zum Outsourcer, haben sie zunächst nichts zu befürchten. Geregelt ist der Betriebsübergang im Paragrafen 613a des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Demnach bleiben Gehalt und Nebenleistungen ein Jahr lang unangetastet. Lediglich freiwillige variable Vergütungen, in IT-Betrieben nicht ungewöhnlich, stehen zur Disposition.

"Danach können sich Arbeitsverträge ändern und Betriebsvereinbarungen verschlechtern", warnt Thannheiser. Nicht selten sind Mitarbeiter entweder mit einer Aufgabenflut oder mit schlichten Standardtätigkeiten konfrontiert. So gehen wichtige Qualifikationen und Aufstiegschancen verloren. Um das Schlimmste zu verhüten, berichtet Thannheiser, habe die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bei großen Outsourcing-Anbietern wie IBM und T-Systems Regelungen zur Begrenzung der Anforderungen durchgesetzt. Anders sieht es hingegen bei kleineren Dienstleistungsfirmen aus. Lasse es die Auftragslage nicht mehr zu, gibt der Münchner Outsourcing-Berater Max Lummer zu bedenken, "wird meist nach dem Sozialverfahren gekündigt".

*Winfried Gertz ist freier Journalist in Starnberg.

Abb: Ausgelagerte Mitarbeiter

Bei IT-Dienstleistern macht die Zahl der Mitarbeiter, die von ausgelagerten IT-Abteilungen zu ihnen wechseln, mittlerweile ein Drittel aus. Quelle: CW