Auf der CeBIT '97 hieß das Prinzip Hoffnung

21.03.1997

"Verbreiten Sie positive Stimmung - sie wird anstecken." Diesen Appell richtete der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages Hans Peter Stihl an die 1500 geladenen Gäste aus Politik und Wirtschaft zur Eröffnung der CeBIT '97 in Hannover. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt war in seiner Rede zuvor ebendieser Devise gefolgt: "Hier in Hannover nimmt die globale Informationsgesellschaft deutliche Konturen an", verkündete der Politiker. "Sie, die Aussteller sind die Baumeister des globalen Dorfes." Die Informationstechnologie werde quer durch die gesamte Wirtschaft zum Schlüssel für Produktivitätszuwachs, Wachstum und Beschäftigung, so die Hoffnung Rexrodts.

Zumindest was die Messe selbst betrifft, scheinen die Weichen auf Wachstum gestellt, wie Hubert Lange, Chef des Veranstalters Deutsche Messe AG, mitteilte. Mit 6855 Ausstellern aus 59 Ländern habe man gegenüber dem Vorjahr (6549 Firmen) erneut Rekordzahlen aufzuweisen. Auch die Ausstellungsfläche sei von 339900 auf 354500 Quadratmeter gewachsen. 293 Unternehmen habe die Messe AG infolge Platzmangels abweisen müssen. In den kommenden Jahren könne man, so Lange, durch eine Reihe baulicher und organisatorischer Maßnahmen gut 10000 Quadratmeter zusätzlich zur Verfügung stellen. Nach den ersten drei Messetagen meldeten die Veranstalter dann auch leicht gestiegene Besucherzahlen. Von Donnerstag bis Samstag waren 267000 Menschen auf das Gelände gekommen (1996: 265000).

Der Bundesverband Informations- und Kommunikations-Systeme (BVB) zeigte sich am Samstag mit dem CeBIT-Auftakt zufrieden: "Unsere Mitglieder loben den nochmals gestiegenen Anteil der Fachbesucher", erklärte BVB-Geschäftsführer Werner Schneider gegenüber der CW. Außerdem seien die von seinem Verband vertretenen Firmen von dem hohen Ausländeranteil unter den Besuchern sehr angetan. Die Stimmung sei in allen Branchenbereichen optimistisch: "Selbst die Topmanager der Anwenderunternehmen kommen wieder zur CeBIT", sagte er. Einzig der zum Wochenende hin stark gestiegene Anteil des Sehpublikums mißfiel Schneider. "Ich hoffe, daß das Fachpublikum durch diese Leute nicht gestört wird. Vielleicht sollte der Veranstalter noch einmal darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, die Eintrittspreise am Samstag und Sonntag zu reduzieren."

Der Bundesverband Informationstechnologien (BVIT) sah an den ersten zwei Messetagen die Erwartungen seiner Klientel an die CeBIT hingegen nicht erfüllt. Hauptkritikpunkt ist für den Geschäftsführer Alexander Boja- nowsky der im Vergleich zum Vorjahr schwächere Zulauf an Fachpublikum: "Der erwartete Strom an Fachbesuchern ist bis zum heutigen Messe-Samstag hinter den Erwartungen zurückgeblieben."

Kritisch äußerte sich der Verband auch zur diesjährigen Verkehrsplanung. Vor allem die Expo-Baustellen im Stadtgebiet machten es den Fachbesuchern schwer, rechtzeitig zu vereinbarten Messeterminen zu gelangen: "Der Veranstalter hat uns über das Ausmaß der Behinderung im unklaren gelassen", kritisierte Bojanowsky. Die Aussteller hätten zwar Verständnis für den Zeitpunkt der Baumaßnahmen, aber andererseits seien gerade mittelständische Softwarehäuser darauf angewiesen, "daß sich ihre Investition in die Messe in diesem Jahr auszahlt und nicht erst im nächsten", so der Verbandssprecher weiter.

Positive Stimmung verbreitete demgegenüber der Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI mit den jüngsten Zahlen zum IT-Markt. Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft komme Deutschland "zügig" voran, berichteten die Verbandsvertreter. So liege man bei der Ausstattung mit ISDN-Anschlüssen weltweit an der Spitze. Bei der Nutzung des Internet seien zwar die USA und in Europa die Skandinavier den Deutschen weit voraus. Gleichwohl habe es bei der Installation von entsprechenden Client- und Server-Rechnern 1996 eine Wende zum Besseren gegeben. Der deutsche Markt für Informationstechnik und Telekommunikation werde 1997 voraussichtlich um acht Prozent auf 184 Milliarden zulegen.

In stärkerem Maße als bisher war die Verschmelzung von Computer- und Telekommunikationstechniken eines der großen Themen auf der Messe. So meldete etwa Intel eine Partnerschaft mit

der Societé Européenne des Satellites (SES), deren Ziel es ist, breitbandige Datenübertragungs-Services für Multimedia-Inhalte via Satellit anzubieten. Die GSM-Riesen Ericsson und Nokia kündigten PC-Cards an, mit deren Hilfe sich ein Windows-95- oder NT-Notebook in ein Funktelefon mit Fax- und Datenübertragungsfähigkeiten verwandeln läßt und zusätzlich als Internet/Intranet-Terminal dienen kann.

Ob Hardware, Software, Communications oder Services - das Thema Internet war auf der CeBIT in allen Segmenten präsent. Die Programmiersprache Java verdrängt sowohl bei Software-Entwicklungsumgebungen als auch im Office-Markt zunehmend etablierte Techniken und Produkte.

Wie kaum anders zu erwarten, gab es auch in Hannover wieder die schon Ritual gewordenen Schaukämpfe zwischen NC-Anhängern und Protagonisten des sogenannten Net PCs. Letztere gingen in Hannover mit den erstmals ver-öffentlichten Net-PC-Spezifikationen in die Offensive (siehe Sei- te 6). Auf der Gegenseite formierten sich IBM, Sun, Oracle und Netscape, um mit einem objektorientierten Standard für das Internet den Microsoft-Bemühungen mit der Active-X-Technik das Wasser abzugraben.

Absolut in war in Hannover die Komponententechnik. Dabei hat offensichtlich Java selbst bei den klassischen Desktop-Anbietern wie Star Division oder Lotus der Microsoft-Technik Active X den Rang abgelaufen. Hat die SAP im vergangenen Jahr mit Microsofts Active-X-Technik Furore gemacht, so wurden in diesem Jahr Java-Desktops und -Schnittstellen angekündigt. Wenn auch nicht auf der CeBIT, so doch gleich-zeitig haben Apple und IBM das Aus für die Komponententech-nik Opendoc bekanntgegeben, natürlich zugunsten von Java-Applets.

Eine wichtige Rolle spielt die Komponententechnik auch bei Desktop-Software, die dieses Jahr im Zeichen von Office-Paketen steht. Microsoft, Claris, Lotus, Corel, Star Division, Applix und Co. präsentierten ihre Pakete, die meisten davon unterstützen dabei mit Java-Technik den schlanken Client. Selbst bei Microsoft soll eine Neuorientierung der Office-Entwicklung unmittelbar bevorstehen.

Abgesehen von seiner Office-97-Kampagne war der Hersteller aus Redmond in diesem Jahr kaum sichtbar. Allerdings warben einige Anbieter von Standardsoftware wie Navision und Baan mit ihrer Zertifizierung für die Bürosuite Back Office. Die SAP, die dieses Prädikat natürlich längst in der Tasche hat, spricht dagegen kaum über den strategischen Partner.

Als Gradmesser für die zunehmend rauhen Sitten im Datenbankgeschäft kann gelten, daß Informix der Software AG (SAG) Kunden mit Argumenten am Rande der Wahrheit abwirbt. Schon vor Messebeginn wußte man bei Informix, daß die SAP den spektakulären Schritt zurückgenommen hat, die SAG-Datenbank Adabas D aus dem R/3-Vertrieb auszumustern.

Während sich die Anbieter von relationalen Systemen um Kunden prügeln und sich auch technisch nicht mehr einig sind, wittern die Anbieter objektorientierter Systeme Morgenluft. Sie wissen, daß ihre Produkte weit besser vom Internet-Boom profitieren können als die der bisherigen Marktführer.

Zu den Out-Techniken gehörte in Hannover Smalltalk. In den USA, so war zu hören, hat der Java-Boom den eben etablierten Markt für die Mutter aller objektorientierten Programmiersprachen bereits weitgehend zerstört. Hierzulande haben viele Banken auf diese Technik gesetzt, so daß der Wechsel zu Java nicht so dramatisch verlaufen dürfte.

Ungeachtet der Java-Euphorie konnte der Softwaregigant aus Redmond auf der CeBIT für sein Betriebssystem Windows NT einen weiteren Punktsieg einfahren. Nach HP und DEC schwenkt nun auch die IBM im Bereich der Low-end-Workstations von Unix auf das Microsoft-System um. Big Blue zeigte die erste NT-basierte Workstation mit Intels Pentium-Pro-CPUs (siehe Seite 12).

Im PC-Bereich sind die US-amerikanischen Hersteller längst nicht mehr die Platzhirsche.

Gefahr droht den erfolgsverwöhnten Konzernen wie Compaq oder IBM zunehmend aus Fernost. So hat sich etwa die im japanischen Besitz befindliche Fujitsu ICL Computer in Europa hohe Ziele gesteckt. Bis zum Jahr 2000 wolle man auf dem Kontinent zu den drei führenden PC-Unternehmen gehören, tönte Winfried Hoffmann, Chef der deutschen GmbH. Im vierten Quartal 1996 habe das Unternehmen europaweit 55 Prozent mehr PCs ausliefern können als im Jahr zuvor. Der Marktanteil in Europa liege jetzt bei 4,6 Prozent. Neben Fujitsu versucht sich nun auch der Notebook-Marktführer Toshiba mit einer PC-Linie auf dem europäischen Markt. Die vorgestellten Rechner arbeiten mit Pentium-MMX-Prozessoren und sind vor allem auf Heimanwender zugeschnitten. Erste Produkte sollen im Juni auf den deutschen Markt kommen.

Ein Trend war auf der CeBIT klar zu erkennen: Die Zeit der herkömmlichen Kathodenstrahlröhren-Monitore (CRT = Cathode Ray Tube) neigt sich langsam dem Ende entgegen. Alle wesentlichen Hersteller von Flachbildschirmen präsentierten auf der Hannoveraner Messe entweder Prototypen oder serienreife Modelle von TFT-Displays (TFT = Thin Film Transistor), die als sogenannte Stand-alone-Systeme früher oder später CRT-Monitore von den Schreibtischen verdrängen werden. Daneben zeigten mindestens ein Dutzend Firmen erste Modelle. Zu ihnen gehörten SNI, Miro, Taxan, Eizo, Iiyama etc. Noch sei die Fehlerrate bei der technologisch sehr aufwendigen Herstellung der TFT-Displays so hoch, daß mit einer Massenfertigung der strahlungsfreien Systeme in Bälde nicht zu rechnen sei, meinte ein Mitarbeiter von NEC. Für den Privatanwender sind die Flachbildschirme momentan wegen der geringen Ausstoßraten noch unerschwinglich. NECs erstmals auf der CeBIT präsentierter TFT-Monitor mit einer Bildschirmdiagonale von 21 Zoll wird rund 15000 Mark kosten, ungefähr viermal so viel wie ein herkömmlicher Monitor.

Was die Systeme so teuer macht, ist die vergleichsweise komplizierte Produktion. Bislang besitzen weltweit nur vier Unternehmen die Fertigkeit, solche technologisch aufwendigen Displays zu produzieren: NEC, Mitsubishi, Toshiba und Sharp - samt und sonders japanische Firmen also.

Ebenfalls aus dem Land der aufgehenden Sonne kommen die Hersteller von Abspielgeräten für die Digital Versatile Disk (DVD). Der japanische Konzern Matsushita zeigte einen DVD-Player, der in Deutschland von Panasonic vermarktet wird. Das Gerät kostet 1399 Mark und unterscheidet sich äußerlich kaum von einem handelsüblichen CD-Player. Neben diesen Abspielgeräten sagen Branchenexperten auch den DVD-Datenspeichern - DVD-ROMs - eine große Zukunft voraus. Laufwerke für diese Medien präsentierten beispielsweise die Firmen Pioneer und Toshiba. Auch der Sony-Konzern will im DVD-Geschäft mitmischen und wartet schon mit kühnen Marktprognosen auf. Im Jahr 2000 könnten jährlich weltweit zehn Millionen DVD-Player verkauft werden, so die Marketiers. Zum gleichen Zeitpunkt würden rund 30 Prozent der dann 100 Millionen abgesetzten Rechner ein DVD-ROM-Laufwerk besitzen.

Auf einen Boom hoffen auch die Anbieter digitaler Kameras, die in Hannover zahlreich vertreten waren. Zu den wichtigsten Ausstellern gehörten einerseits etablierte Kamerahersteller wie Canon, Minolta, Nikon oder Olympus. Andererseits wollen auch Unternehmen aus der IT-Branche von dem erfolgversprechenden Markt profitieren. So zeigten etwa auch Epson, Apple, Sanyo oder Hewlett-Packard entsprechende Produkte.

Einen gigantischen Markt sehen die Anbieter von Telekommunikations- und Netzwerklösungen am Horizont. Auch hier gehört Klappern zum Handwerk - und wo ließe sich die gewünschte Publicity besser erzielen als auf der CeBIT. So war es auch dieses Jahr wieder in Hannover, wo die Deutsche Telekom und Mannesmann fast schon traditionell den Reigen der gegenseitigen Beschimpfungen im Sektor Telekommunikation und Networking einleiteten.

Der Streit entzündete sich wie so oft nicht an Produkten, sondern einem Politikum - den Interconnection-Verhandlungen im Vorfeld der endgültigen Liberalisierung des Telefonverkehrs im Festnetz. Der Gesetzgeber hat der Telekom und den alternativen Netzbetreibern im TK-Gesetz nämlich jeweils bilaterale Verhandlungen verordnet, die eine Regelung zur gegenseitigen Nutzung der Netze bringen sollen. Dabei sitzt die Telekom mit ihrer flächendeckenden Infrastruktur bis hin zum Endkunden natürlich am längeren Hebel und hat viel Zeit.

Kein Wunder also, daß den Alternativen wie Thyssen Telecom, Viag Interkom, Otelo und allen voran der Mannesmann-Tochter Arcor der Geduldsfaden medienwirksam auf der CeBIT riß. Geht es doch um einen gewaltigen Zukunftsmarkt. Doch nicht nur die Privatkunden haben die New- comer im Visier. Lukrativ sind natürlich auch die Geschäftskunden, die leichter zu erschließen sind und mit speziellen Services gelockt werden sollen. An ihrem Portfolio basteln die Alternativen gerade. Die Zeichen stehen gut, vermeldete der Fachverband Kommunikationstechnik im ZVEI in Hannover doch ein Wachstum von neun Prozent auf insgesamt 16 Milliarden Mark bei IT-Services in Deutschland, wozu auch Netzdienste und Outsourcing zählen.

Wer in Sachen Networking auf der CeBIT große Neuerungen in Sachen Switching und Routing erwartet hatte, sah sich getäuscht. Bereits vor der Messe war dieses Thema weitgehend erschöpft, und selbst bei den Produkten herrschte Fehlanzeige. Ernüchterung auch bei ATM. Eine ATM-World wie in den vergangenen Jahren fand nicht statt, und auf eine gesonderte Show zur Konkurrenztechnologie Gigabit Ethernet wollten sich die Hersteller mangels Produktmasse auch nicht einlassen.

Wenn in der niedersächsischen Hauptstadt überhaupt eine Technologie von sich reden machte, dann das 56-Kbit/s-Modemverfahren und im gleichen Atemzug natürlich auch der deutsche Dauerbrenner ISDN. Die ISDN-Anbieter waren an der Leine eifrig bemüht, die Relevanz der neuen Transfertechnik für den deutschen Markt als gering darzustellen.

Gefahr droht da mittelfristig eher durch eine andere Übertragungsmethode - die Digital Subscriber Line (DSL). U.S. Robotics präsentierte in Hannover eigenen Angaben zufolge als erster Hersteller der Welt ein marktreifes Modem auf DSL-Basis, das Downloads bis zu 1,5 Mbit/s ermöglicht. Die amerikanische Company sorgte aber auch durch die kurz vor der CeBIT bekanntgewordenen Übernahmepläne von 3Com für Gesprächsstoff - politischen natürlich, weil die Konkurrenten Cisco und 3Com auf der Messe nicht müde wurden, den Deal je nach Sichtweise hoch- oder herunterzuspielen.

Gesprächsstoff ganz anderer Art lieferten in Hannover wieder einmal die hohen Preise und die im Vergleich dazu eher mittelmäßigen Angebote derjenigen, die auf der Messe für das leibliche Wohl sorgen sollten. Ein Student sprach gegenüber der CW aus, was wohl viele hungrige Messegäste denken: "Das Ärgerlichste an der CeBIT ist, daß ein Jägerschnitzel 21,20 Mark kostet.