IT-Experten sollen fit für den Wettbewerb mit externen Dienstleistern gemacht werden

Audis CIO startet Schulungsoffensive

14.06.2002
INGOLSTADT (hk) - Audis neuer CIO Klaus Mühleck setzt auf eine systematische Schulung seiner Mitarbeiter. Dabei geht es vor allem darum, dass sich die IT-Profis eine ganzheitliche Sicht auf die hausinterne IT erarbeiten. Zusätzlich sollen sie lernen, mit den Fachbereichen kundenorientiert umzugehen, damit deren Aufträge im Unternehmen bleiben und nicht an externe Dienstleister vergeben werden.

Der Ingolstädter Autobauer macht seit vergangenem Jahr mit seinen IT-Ausbildungsprogrammen auf sich aufmerksam. In einer groß angelegten Aktion, die auch einige Auszeichnungen aus der Weiterbildungsszene einbrachte, wurden beispielsweise alle Mitarbeiter des Konzerns - vom Vorstand bis zum Fließbandarbeiter - in Grundlagen der Internet-Nutzung geschult (siehe CW 7/02, Seite 52)

Nun legt die IT-Abteilung nach. Klaus Mühleck, seit einigen Monaten Leiter Informationstechnologie und Organisation beim Autohersteller mit den vier Ringen, hat sich viel vorgenommen. Einer der ersten Schwerpunkte seiner Aktivitäten: Weiterbildung. Mühleck will in den nächsten Monaten alle 500 Computerfachleute durch eine Schulung schleusen, in denen sie einen ganzheitlichen Blick für die IT bekommen. Sie sollen die IT-Strategie kennen lernen, darüber hinaus erfahren, mit welchen Methoden und Verfahren im Unternehmen gearbeitet wird, und die Zusammenhänge in der Organisation verstehen. "Wir werden aber nicht über Nacht aus einem Datenbankspezialisten einen Prozessdesigner machen", schränkt der oberste IT-Boss ein. Auf ein Feld spezialisierte Profis benötige er nach wie vor, nur sollten sie einen besseren Blick für das Ganze entwickeln. Mühleck weiter: "Der Datenbankfachmann soll weiter in seinem Gebiet arbeiten, er muss aber den Kontext wissen, wenn er im Data-Warehouse-Umfeld eine Anforderung bekommt." Bei den aktuell rund 13 Data-Warehouse-Projekten erwarte er, dass seine Spezialisten die Zusammenhänge verstünden: "Es hat keinen Sinn, wenn sich jemand nur um einen isolierten Bereich kümmert."

Besonders begehrt: CRM-Profis

Mühleck weiß indes, dass es nicht so einfach ist, dieses Überblickswissen zu vermitteln. Es sei sowohl eine Holschuld des Mitarbeiters als auch eine Bringschuld des Managements - auf jeden Fall aber sehr wichtig, um die Innovationskraft der Audi-IT sicherzustellen. Diesen Prozess hat er nun institutionalisiert und das Thema in die Zielvereinbarungen seiner Mitarbeiter hineingeschrieben.

In Sachen Weiterbildung hat Mühleck noch ein zweites Projekt angeschoben, das ihm am Herzen liegt. Er bildet Customer-Relationship-Manager aus, beziehungsweise hat einige eingestellt. Diese fungieren als Schnittstelle zu den Fachbereichen, in denen die Informations-Manager sitzen. Das sind Mitarbeiter aus den Fachabteilungen, die über solide IT-Grundkenntnisse verfügen und sich daher als Verhandlungspartner und Ansprechpartner der IT-Leute eignen. Sie müssen keine Systeme aufbauen können, aber zumindest die Sprache der IT sprechen. Ohnehin sei die Zeit vorbei, in der "die Server unter dem Schreibtisch der Mitarbeiter standen". Nun werden diese Geräte in Rechenzentren konsolidiert, denn die Fachbereiche "können sich die Software- und Netzwerkpflege aufgrund ihrer Komplexität gar nicht mehr leisten".

Die CRM-Profis der IT-Abteilung benötigen ihrerseits Prozess-Know-how. Eine Prozesskette besteht aus vielen Fachfunktionen - etwa Entwicklung, Produktion, Vertrieb -, und nun muss der Kunden-Manager dafür sorgen, dass "die Systemlandschaft entlang dieser Prozesse integriert" wird. Mit dem Kunden-Beziehungs-Management wollen die ITler ihre Akzeptanz in den Fachbereichen erhöhen: "Unsere Kollegen aus den Fachbereichen wollen wie Kunden behandelt werden, sonst gehen sie zu den externen IT-Dienstleistern", befürchtet der IT-Chef.

Die CRM-Spezialisten sollten als Voraussetzung laut Personal-Manager Josef Löffler in "beratungsintensiven Aktivitäten" erfahren sein, sie müssten aber nicht unbedingt von Consulting-Unternehmen kommen, es gebe genug IT-Firmen, die solche Mitarbeiter beschäftigten. Der Personaler wünscht sich vom CRM-Kandidaten, dass er Beratungsprojekte initiiert hat und weiß, wie sie mit der Fachabteilung abzustimmen sind.

"Wir suchen keine Laborratten"

Von allen IT-Mitarbeitern wird Kommunikationsfähigkeit verlangt. Bewerber, die hier überzeugen, erhalten den Vorzug vor Introvertierten, gibt Löffler zu. Gerade jetzt, da die Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen so wichtig werde, müssten IT-Spezialisten im Team arbeiten und Kontakte herstellen können. "Wir suchen nicht die Laborratte", ergänzt Mühleck, sondern Mitarbeiter, die die marktüblichen IT-Kenntnisse besitzen und diese auch vermitteln könnten. Immerhin haben die Ingolstädter über 40 Stellen in der IT derzeit nicht besetzt. In erster Linie suchen sie Web-, SAP-Spezialisten und IT-Architekten, also Leute, die "die IT managen können".

Das IT-Budget wird nicht gekürzt

Weniger gefragt sind die reinen Umsetzer, wie Mühleck die klassischen Programmierer bezeichnet. Wenn er beispielsweise Java einführen will, stellt er nur ein paar wenige Spezialisten dafür ein, damit diese die technologischen Möglichkeiten beurteilen. Er werde aber keine 100 Java-Profis einstellen, deren Wissen nur in einigen Projekten benötigt werde, dieses Know-how holt er sich von externen Dienstleistern. Er denkt schon an morgen: "Was mache ich mit diesen Experten, wenn bald eine andere Programmiersprache gebraucht wird?" Spätestens seit der E-Business-Euphorie weiß er, dass sich alle sechs bis acht Monate "die Welt ändert", und ist vorsichtig geworden, was den Aufbau von IT-Wissen im eigenen Haus angeht. Sein Unternehmen beschäftigt neben den 500 festen Mitarbeitern nochmals die gleiche Anzahl von Freiberuflern. Mühleck erzählt, dass er entgegen dem Trend sein IT-Budget nicht zu kürzen braucht und dass auch die Zusammenarbeit mit Externen nicht eingeschränkt werde, wie das zurzeit in vielen Unternehmen der Fall ist.

Old Economy ist wieder oben auf

Mühleck und Löffler sind froh, dass sich aus Unternehmenssicht die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt hat. Noch vor einem Jahr warb man mit zahlreichen Aktionen um die jungen Leute, die - so der Eindruck der Etablierten - von der Old Economy nichts wissen wollten. Überall - sei es im Internet, in Zeitungen, auf Messen - war Audi präsent und suchte Mitarbeiter. Es dauerte ein halbes Jahr, gibt Löffler zu, bis diese Aktivitäten Wirkung zeigten, seit vergangenem Herbst gingen nun zahlreiche Initiativbewerbungen ein. Der IT-Chef glaubt, dass viele Bewerber endgültig begriffen haben, dass die Automobilindustrie aufgrund ihrer komplexen IT-Projekte zu den attraktiven Branchen gehöre.