Das Ziel heißt verteilte Anwendungen in heterogenen Umgebungen

Auch Lotus will auf allen Hardware-Hochzeiten tanzen

06.04.1990

LONDON (qua) - Was Oracle für die DBMS-Welt ist, will Lotus auf dem Gebiet der Anwendungssoftware werden: Das integrierte Spreadsheet-Paket 1-2-3 wird laut Anbieter - nach MS-DOS und OS/2, Sun-Unix und VMS sowie MVS/XA und VM - bald auch auf Macintosh- und Standard-Unix-Maschinen, möglicherweise sogar auf der AS/400 laufen.

Anläßlich der diesjährigen "Lotus-World"-Konferenz in London stellte Frank Moss, Vice-President für den Bereich Networked Applications and Systems, sein sogenanntes Enterprise Spreadsheet Model vor. Wie der Lotus-Manager betonte, gibt es bislang kaum Anwendungen, die heterogene Netzumgebungen abdecken.

Diese Marktlücke will die in Cambridge/Massachusetts beheimatete Lotus Development Corp. ausfallen. Dazu hat der Softwarehersteller sein Produkt 1-2-3 nicht nur mit einer als "Datalens" bezeichneten Schnittstelle zu fremden DBMS-Systemen versehen, sondern es auch auf unterschiedliche Betriebssysteme - darunter VMS von Digital Equipment und das Unix-Derivat von Sun Microsystems - portiert.

Auch die zuletzt angekündigten Versionen, 1-2-3/G für OS/2 mit Presentation Manager und 1-2-3/M für IBM-Mainframes, werden jetzt ausgeliefert - zumindest in der englischsprachigen Ausführung. Die deutschen Versionen lassen voraussichtlich noch einige Monate auf sich warten.

Wie Andreas Zeitler, Marketing-Manager bei der Münchner Lotus GmbH, berichtete, ist die deutsche Ausführung von 1-2-3/M bereits fertiggestellt. Da es sich bei der Produktentwicklung aber um eine "Auftragsarbeit" für IBM gehandelt habe, könne sich die Marktfreigabe noch etwas verzögern. Die Vertriebsrechte liegen nämlich ausschließlich in den Händen des Hardwaregiganten.

Die Distribution der OS/2-Version hat IBM ebenfalls übernommen. Ab Juni, so Zeitler wird Big Blue potentiellen OS/2 Kunden ein Paket aus eigenem Betriebssystem, fremder Textverarbeitung sowie 1-2-3/G schnüren. Was den Branchenriesen zu diesem Schritt bewogen haben mag, verdeutlichte der Vortrag von Frank Kales, Vice-President Personal Systems bei der IBM Europe: "Wir liefern nur sehr wenig Anwendungssoftware aus. Also hängen wir von den unabhängigen Software-Anbietern ab."

Um den Reigen der designierten SAA-Maschinen zu komplettierten, müßte als nächster Punkt auf dem Lotus-Plan eine 1-2-3-Portierung auf die AS/400 erscheinen. Moss räumt denn auch ein, daß IBM und Lotus dieses Thema bereits diskutiert hätten. Zunächst stehe jedoch eine Version für Unix System V auf der Lotus-Tagesordnung; auch eine Portierung auf den Apple von Macintosh sei bereits in Arbeit.