Nova 312 mit acht Bildschirmen nicht nur zum Spielen:

Auch Gymnasiasten belegen Informatikkurse

16.10.1981

Ein Druckprogramm für eine voll- und barbusige Computerschönheit zu

schreiben, macht natürlich mehr Spaß als eine Befehlsfolge, mit der die Nullstellen ganzrationaler Funktionen bestimmt werden können. Beide Aufgaben dienen jedoch dem gleichen Zweck, die Teilnehmer eines Informatikkurses in Titisee-Neustadt in die "Geheimnisse" der elektronischen Datenverarbeitung einzufahren. Das örtliche Schulzentrum bietet hierfür die Voraussetzungen. Es ist mit einer Nova 3/12 von Data General mit acht Bildschirmarbeitsplätzen bestückt. Das Interesse der Schüler ist da, die Plätze sind immer schnell belegt. Im letzten Kurs von Studienrat Heinrichs haben sich zwei Schüler der 13. Klasse des Kreisgymnasiums spontan entschlossen, Informatik zu studieren.

Erhard Heinrichs lehrt in Titisee-Neustadt Mathematik und Physik. Seine heimliche Lebe gehört jedoch der Informatik. Während des Studiums hatte er bereits in Fortran und PL/1 programmiert. Heinrichs unterrichtet am Kreisgymnasium. Zum Schulzentrum gehören auch ein Wirtschaftsgymnasium und kaufmännische Schulen. Angeschafft wurde der Computer primär für die kaufmännischen Sektionen, die ihn auch intensiv nutzen. In Baden-Württemberg ist nämlich Datenverarbeitung seit einigen Jahren Lehrfach an den beruflichen Gymnasien. An allgemeinbildenden Gymnasien kann DV dagegen nur als Wahlkurs der reformierten Oberstufe belegt werden, sofern geeignete Lehrer und die erforderliche Hardware vorhanden sind.

Lehrplan zurechtgezimmert

Studienrat Heinrichs hat sich seinen eigenen Lehrplan zurechtgezimmert. Er ist stark am Informatik-Lehrplan für allgemeine Gymnasien orientiert. Der Informatikkurs ist zweigeteilt. In den ersten sechs Monaten werden Grundlagen in der Programmierung in "Basic" vermittelt, in der zweiten Hälfte des Schuljahres wird tiefer in diese höhere Programmiersprache eingestiegen. Außerdem vermittelt der Hobby-Informatiker dann Hardware-Kenntnisse. Die Teilnehmer seiner Informatikkurse sind Schüler der 12. und 13. Klasse. Ein Versuch mit Kursanten der 6. Klasse ergab im vergangenen Jahr, daß für diese Altersklasse die Materie doch noch sehr spielerisch dargeboten werden muß.

Derzeit hat der Kurs zwölf Teilnehmer. Der nächste soll auf 20 aufgestockt werden. Für Theorie und Praxis stehen für das Wahlgebiet DV wöchentlich nur zwei Stunden im Stundenplan. Das ist den Beteiligten zuwenig, weshalb Schüler und Lehrer vor allem die praktischen Übungen häufig in der Freizeit fortsetzen.

Damit den Schülern die Sache auch bestimmt Spaß macht, können sie interaktiv über die Datensichtgeräte diverse Spielprogramme starten, die sie teilweise selbst geschrieben haben. Ein besonderer Gag des eingangs erwähnten Computerausdrucks ist die alternative Möglichkeit, die wohlproportionierte Schönheit mit oder ohne BH zu drucken. Natürlich geht es vor allem um seriöse Dinge. So schreiben die Schüler kleine Programme selbst, mit denen mathematische Aufgabenstellungen gelöst werden können (zum Beispiel Näherungsverfahrne oder das formal richtige Addieren von Brüchen). Dateiverwaltung inklusive.

Hobby-DV-Lehrer Erhard Heinrichs schätzt es sehr, daß er über ein leistungsfähiges Computersystem mit einem komfortablen Betriebssystem und mit Basic über eine höhere Programmiersprache verfügen kann, die seiner Meinung nach leicht erlernbar ist.

Als Betriebssystem ist RDOS eingesetzt. Es handelt sich um ein Echtzeit-Plattenbetriebssystem, das Dialog- und Stapelverarbeitungsoperationen in einem flexiblen, benutzerorientierten Verarbeitungsrahmen unterstützt. RDOS bietet "mapped" und "unmapped" Vordergrund-/Hintergrundspeicherverwaltung für Einzel- und Multitask-Operationen. Es handhabt alle Arten von rechenintensiven Datenübermittlungs-, Instrumentierungs-/ Steuerungs- sowie Datensystemanwendungen. RDOS unterstützt die Programmiersprache Extended Basic für Einzel- und Mehrbenutzerbetrieb, Business Basic, Extended Fortran IV, Fortran 5, Algol, einen Macro-Assembler und Data Generals Systemprogrammiersprache DG/L. Für "Spezialisten" wie Studienrat Heinrichs eröffnet RDOS ein weites Betätigungsfeld. Aber auch für Schüler ist ein komfortables und zugleich einfaches Arbeiten am Bildschirm möglich. Durch Multitasking kommen sich die einzelnen Benutzer nicht "in die Quere".

Das Baden-Württembergische Kultusministerium und die Oberschulämter schreiben den Schulen keine bestimmte Hardwareausstattung vor. Sie geben auch keine konkrete Herstellerempfehlung. Für die Anschaffung eines DV-Systems gibt es Zuschuß. Die Lehrplangestalter für das Fach Datenverarbeitung an den beruflichen Gymnasien präferieren indirekt Basic als Programmiersprache. Der Unterricht soll anhand festumrissener Situationen erfolgen. Dazu werden "Handreichungen" geliefert, bei denen Basic verwendet wird. Im übrigen nimmt der Lehrplan Rücksicht auf die unterschiedliche Maschinenausstattung der Unterrichtsstätten. Für Schulen, die Dialogsprachen "fahren" können, gilt der Lehrplan uneingeschränkt. Kann aufgrund der vorhandenen Hardware nur mit einer maschinenorientierten Programmiersprache gearbeitet werden, ist der Unterricht auf die beschränkteren DV-Möglichkeiten abzustellen. Schließlich gibt es für Schulen ohne eigene EDV-Anlage einen rein theoretischen Lehrplan.

Der volle Lehrplan der wirtschaftlichen Schulen gliedert sich in vier Grundkurse, denen jeweils Lernziele vorangestellt sind. Im Grundkurs sollen die Schüler

- Probleme aus dem kaufmännischen Bereich eindeutig und vollständig formulieren,

- lineare Programme mit Hilfe des verfügbaren Programmiersystems erstellen,

- das schuleigene Datenverarbeitungssystem beschreiben und bedienen,

- Programmablaufpläne nach der DIN 66001 erstellen und

- Programme mit Verzweigungen, Schleifen und Unterprogrammen erstellen, testen und dokumentieren.

Für den Grundkurs II sind als Lernziele formuliert:

- den Aufbau von Magnetband und Magnetplatte kennenlernen und die für diese Datenträger typische Form der Datenorganisation unterscheiden,

- ein Programm zur Datenerfassung erstellen (sequentielle Datei auf einem magnetischen Datenträger anlegen) und

- Maßnahmen zur Datensicherung und zum Datenschutz beschreiben und begründen.

Im Grundkurs III sind Programme zur Verarbeitung index-sequentieller und gestreut gespeicherter Dateien zu erstellen und die verwendeten Dateien zu dokumentieren. Im Grundkurs IV schließlich sollen die Schüler mit dem erworbenen Fachwissen aus komplexen Sachverhalten exemplarische Probleme lösen, die Entscheidung fällen und begründen.

Leichter Einstieg in DV-Berufe

Das Kultusministerium schlägt für den Grundkurs I 28 Unterrichtsstunden, für II 22 und für III und IV je 45 Unterrichtsstunden vor. Wer das Lehrpensum von absolviert hat, tut sich später sicher leichter, wenn er in einen DV-Beruf einsteigen will. Aufgrund der fortschreitenden Dezentralisierung der Computerleistung werden jedoch vermehrt auch die Sachbearbeiter in den Fachabteilungen, einschließlich der "Bosse", mit dem Computer konfrontiert. Der direkte Praxisbezug fehlt jedoch im Lehrplan. Das Freiburger Systemhaus S. JU. Data GmbH, ein Data-General-OEM, verhandelt deshalb gerade mit dem örtlichen Oberschulamt. Das Unternehmen will aus seinem Fundus kaufmännische Programme als "Spielmaterial" zur Verfügung stellen. Firmenchef Siegmar Jurtzig: "Da können die Schüler dann gleich proben, wie man den Lagerbestand im Dialog verwaltet. "

Im Bereich des Oberschulamtes Freiburg sind eine Reihe von Nova-Systemen von Data General installiert. So unter anderem an den kaufmännischen Schulen in Emmendingen, am Walter-Eucken-Gymnasium in Freiburg, bei den kaufmännischen Schulen in Bad Säckingen und am Faust-Gymnasium in Staufen. Nicht jede Schule kann sich eine Hardwareausstattung wie in Titisee-Neustadt "leisten". So müssen sich die kaufmännischen Schulen Emmendingen mit weniger Bildschirmen und nur einem Drucker begnügen. Fachlehrer M. Stapelfeld ist jedoch auch mit der kleineren Konfiguration zufrieden. Er und seine Kollegen brauchen im Fach Datenverarbeitung nicht mehr graue Theorie zu predigen.