Der CIO - ein König ohne Land?
CW: Abgesehen vom Cloud Computing - wie entwickelt sich Ihrer Meinung nach das Thema Sourcing weiter? Verschieben sich in den Anwenderunternehmen die Gewichte? Wird der CIO zum König ohne Land?
POPP: Das war ich immer schon. Ich kann da keinen Unterschied zur Vor-Cloud-Ära erkennen. Ich habe ein vertraglich geregeltes Verhältnis zu den Service-Providern. Das funktioniert besser als früher, als wir viele Dinge im Haus gemacht haben und die Verhältnisse disziplinarisch gesteuert wurden. Die Wünsche des DLR durchzusetzen klappt gegenüber einem Dienstleister besser als zum Beispiel gegenüber einem internen Rechenzentrumsleiter. Meine Handlungsfreiheit ist nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Voraussetzung ist natürlich eine ordentliche Organisation.
CLEMENS: Sie würden wahrscheinlich den Chef von Adidas, Herbert Hainer, nicht als König ohne Land bezeichnen, obwohl Adidas fast nichts mehr selbst produziert. Das Unternehmen sourct alles außer dem Marketing. Auch der CIO muss sich fragen, wie groß die eigene Wertschöpfungstiefe künftig sein muss und was man besser einkauft. Entscheidend ist, wo die IT das eigene Unternehmen vom Wettbewerb differenziert.
POPP: Der CIO muss erkennen, welche Anforderungen sein Unternehmen hat und wie man diese in IT übersetzt. Außerdem ist es sein Job, die Komplexität der Unternehmens-IT immer so klein wie möglich zu halten. Er muss Standards durchsetzen, wo sie sinnvoll sind, und besondere Formen der IT-Unterstützung dort zulassen, wo sie geboten sind. In diesem Spannungsfeld fühle ich mich sehr wohl.
Cloud-Definition ist bewusst neblig
CW: Stellen Sie beide die Cloud-Angebote nicht etwas zu holzschnittartig dar, um ihre Eignung für Unternehmenskunden besser bestreiten zu können, also Ihre eigenen Tätigkeitsbereiche besser zu schützen?
CLEMENS: Wenn man Cloud eindeutig definieren würde, dann könnte ich Ihnen darauf eine klare Antwort geben.
POPP: Die Definition wird von einigen Herstellern bewusst schwammig formuliert.
CW: Das tun sowohl die Befürworter als auch die Skeptiker.
POPP: Unter das Cloud-Dach wollen erzeit offenbar alle. T-Systems vermeidet diesen unglücklichen Marketing-Begriff. Sie spricht von Dynamic Services. Cloud ist schon vom Begriff her nebelig und undurchsichtig. Solche Services darf ich für meine Kunden nicht einkaufen. Die wollen nämlich die Garantie, dass wir die Kontrolle behalten. Ich gebe dem Dienstleister quasi einen Vertrauensvorschuss, damit er mit diesen Daten keinen Unsinn treibt. In der Cloud weiß ich aber nicht einmal, wo meine Daten sind.
CW: Wenn man sich die Websites von T-Systems anschaut, versucht man dort sehr wohl, die Dynamic Services mit Cloud-Computing gleichzusetzen.
CLEMENS: Wir betreiben Net-centric Sourcing. Der klassische Cloud-Begriff bedeutet für mich, ein standardisierter, hoch verfügbarer, hoch skalierbarer Service wie Strom aus der Steckdose mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Kunde bezahlt das, was er verbraucht. Das können Dienstleister mit den verschiedensten Services leisten. Unser Anspruch ist, unseren Kunden eine preisgünstige und skalierbare Plattform anzubieten, die trotzdem noch flexibel ist und auf seine speziellen Anforderungen reagieren kann. Wir können heute Leistungen über das Netz anbieten, die wir vor ein paar Jahren so nicht hätten anbieten können.