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Auch Freiberufler können rentenversicherungspflichtig sein

01.06.2016
Von 


Christa Weidner ist seit 1989 in unterschiedlichen Rollen und Positionen in der IT tätig. Das Ziel ihrer Arbeit ist es, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter mit neuer Software arbeiten können und wollen. Ihre Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, schützt Entscheider, Projektleiter sowie weitere Schlüsselpositionen davor, falsche Entscheidungen zu treffen und hilft, die Potenziale der IT maximal auszunutzen. Sie unterstützt namhafte Konzerne und Unternehmen des Mittelstands unterschiedlicher Branchen. Im Juni 2016 hat die IT-Beraterin den  „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel 2016“ erhalten.
Thomas S. freut sich über sein neues Projekt. Bis Ende 2018 ist er ausgelastet. Was er nicht weiß: Das kann zur Rentenversicherungspflicht führen.

Thomas S. ist selbstständiger SAP-Berater. Er findet es toll, dass er seinen langjährigen Kunden aus der Automobilbranche in einem weiteren Projekt unterstützen kann. Er hat einen Auftrag über 33 Monate. Bis Ende 2018 ist er ausgebucht - eine beneidenswerte Situation. Wie üblich nutzt er das Equipment des Kunden, arbeitet auf Wunsch des Projektleiters zu 100 Prozent vor Ort, nimmt an den Jour Fixes des Projektes teil und erfasst seine Arbeitszeiten in der Zeiterfassung des Kunden. Das könnte die Deutsche Rentenversicherung als Scheinselbstständigkeit interpretieren. Für Thomas hätte das vermutlich die Konsequenz, den Auftrag sofort zu verlieren. Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge betreffen Thomas nicht. Diese müsste sein Auftraggeber vollständig übernehmen. Thomas geht entsprechend entspannt mit dem Thema um.

Wer als Selbständiger rentenversicherungspflichtig wird, muss unter Umständen Beiträge in fünfstelliger Höhe nachzahlen.
Wer als Selbständiger rentenversicherungspflichtig wird, muss unter Umständen Beiträge in fünfstelliger Höhe nachzahlen.
Foto: mekcar - shutterstock.com

Scheinselbstständigkeit wird als große Gefahr für uns Selbstständige wahrgenommen – und sie ist es auch. Wird Scheinselbstständigkeit festgestellt, dann sind rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge fällig. Diese hat der Auftraggeber zu entrichten. Für uns Selbstständige hat das zunächst keine finanziellen Auswirkungen. Allerdings sinkt durch die Rechtsunsicherheit und und die drohende Anklage wegen Sozialversicherungsbetrug die grundsätzliche Bereitschaft unserer Auftraggeber, IT-Selbstständige zu engagieren. Sie weichen auf andere Arbeitsmodelle, wie Zeitarbeit und Festanstellung aus. Eine unschöne Situation, die sehr viel Verunsicherung schafft und die Geschäftsmodelle der Vermittlungsagenturen gefährdet.

Was jedoch viele IT-Selbstständige völlig ausblenden, ist die Möglichkeit einer Rentenversicherungspflicht. Die meisten glauben, dass sie als Selbstständige oder anerkannte Freiberufler davon ausgenommen sind. Hier ist dringend Aufklärung erforderlich. Denn durch eine nicht erkannte Rentenversicherungspflicht sind schnell Nachzahlungen von 30.000 Euro und mehr fällig.

Selbstständige sind rentenversicherungspflichtig, wenn Sie hauptsächlich für einen Auftraggeber tätig sind und keinen sozialversicherungspflichtigen Angestellten beschäftigen.

Die rechtliche Grundlage der Rentenversicherungspflicht

In § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI heißt es: Versicherungspflichtig sind selbständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 450,00 EUR im Monat übersteigt, (alternativ 2 oder mehrere nicht versicherungspflichtige Arbeitnehmer, die zusammen über 450,00 EUR im Monat erhalten)

und

auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.

§ 2 Satz 4 Nr. 3 SGB VI stellt fest: Als Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nr. 9 gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) interpretiert den Begriff im Wesentlichen mit einem Anteil von mindestens fünf Sechstel am Gesamtumsatz. Auf Dauer bedeutet für die DRV der Zeitraum von einen Jahr für einen Auftraggeber bzw. einen Hauptauftraggeber.

Thomas ist also in Gefahr, Rentenversicherungsbeiträge nachzahlen zu müssen, wenn er nicht mindestens ein Sechstel seines Gesamtumsatzes mit anderen Auftraggebern nachweisen kann oder einen sozialversicherungspflichtigen Angestellten beschäftigt. Die DRV kann unter normalen Umständen die Beiträge für bis zu vier Jahre nachfordern. Da kommen schnell 30.000 Euro oder mehr zusammen, die Thomas - und nicht sein Auftraggeber - entrichten muss.

Die Tatsache, dass gerade Agenturen häufig eine hunderprozentige Verfügbarkeit fordern und mit langfristigen Projekten werben, kann für den Selbstständigen also problematisch werden. Insbesondere dann, wenn der Selbstständige die Beiträge zur Rentenversicherung weder zurücklegt noch entrichtet.

Wenn Sie wie Thomas von der Rentenversicherungspflicht bedroht sind, sollten Sie dringend Kontakt zu Ihrem Steuerberater oder einem Fachanwalt aufnehmen, der Sie hierzu berät. Dann heißt es, möglichst schnell die Voraussetzungen der Rentenversicherungspflicht zu beseitigen und zu hoffen, dass sich die Rentenversicherung nicht doch noch vor Ablauf der Verjährungsfrist meldet. (haf)