Erstanwender erleben häufiger Mißerfolge als Großbetriebe:

Auch eine bessere Organisation kann die EDV-Kosten nicht kompensieren

27.02.1978

Die Einführung informationstechnologischer Sachmittel speziell des Computers - ist eine Innovation der Betriebsorganisation. Als Innovation verstehen wir hier die erstmalige Anwendung eines neuen Verfahrens, einer neuen Arbeitstechnik, einer neuen Organisation. Innovation ist im Rahmen des Fortschritts die zweite Phase; vorgelagert ist die Phase der Invention, in der die Nutzungschance eines Novums erkannt wird.

Trotz gegenteiliger Werbeaussagen der Computerhersteller ("Wir bieten Problemlösungen") stehen der Vertrieb und (beim Anwender) die Installation der Computer-Hardware als erstrangiges Argument und innovatives. Ereignis im Vordergrund. Daß auch Anwendungssoftware zum Computer angeboten wird, ändert die Situation nicht, soweit diese Software als werkaufsfördernde Zugabe erwartet und geliefert wird.

Diese Praxis führt dazu, daß das Innovationsziel nicht erreicht wird; die Kosten der Innovation werden durch die "Vorteile" einer verbesserten Organisationsanpassung (die oft gar nicht stattfindet) nicht einmal kompensiert.

FiBu ist schnell angepaßt

Kleine und mittlere Betriebe, die den ersten Schritt in Richtung automatische Datenverarbeitung tun, erleben dabei häufiger Mißerfolge als große Betriebe. Organisationen, die heute beginnen, ihre Datenverarbeitung zu dezentralisieren, sind im allgemeinen seit mindestens einem Jahrzehnt an Innovationen durch Informationstechnologie gewöhnt. Die aktiv Innovierenden in Großbetrieben sind die eigenen Fachleute der Organisations- und Datenverarbeitungs-Abteilungen.

In mittelständischen Betrieben dagegen wird Organisation als Führungsfunktion weitaus weniger bewußt wahrgenommen: Es gibt keine Organisationsabteilung, meist nicht einmal einen Assistenten der Geschäftsleitung, der etwa für die Organisation verantwortlich ist. Der Impuls für den Fortschritt, für die organisatorische Verbesserung, für den Einsatz des Computers kommt von außen. Aber was folgt auf die Phase der Anregung, die mit der Unterschrift auf den Miet- oder Kaufvertrag endet? Das kleine oder mittlere Unternehmen, ja meist der Unternehmer selbst, sehen sich in der Durchsetzungsphase allein gelassen und hilflos. Finanzbuchhaltung und Lohn- und Gehaltsabrechnung sind in wenigen Tagen "angepaßt" worden ein oder

zwei Mitarbeiter sind in die Bedienung des Computers eingeführt worden.

Innovationseffekt verpufft

Der versprochene und erhoffte Innovationseffekt ist ausgeblieben oder negativ; denn das Rechnungswesen ist die Funktion, die in mittelständischen Betrieben sowieso am besten organisiert ist. Die Einführung des Computers für Aufgaben, deren Abwicklung in sich systematisiert (durch die Doppik- der Buchhaltung) oder durch externe Vorschriften ,(Steuergesetze für die Gehalts- und Lohnabrechnung) geregelt ist, bringt kaum eine Organisationsverbesserung mit sich.

Die Chancen zur betriebswirtschaftlichen Innovation mit dem Einsatz des Computers in kleinen und mittleren Betrieben müssen vielmehr in zwei Richtungen verfolgt werden, damit sie ertragreich wirken:

- Wegen der geringeren Arbeitsteilung in kleinen Betriebsgrößen ist die Aufgabenausführung und damit das Organisations-Know-how auf wenige Personen konzentriert. Das große Risiko dieser Betriebe besteht darin, daß mit einem ausscheidenden Mitarbeiter ein erheblich größeres "Stück" Organisation für das kleine und mittlere Unternehmen verlorengeht als für ein großes Unternehmen. Betrachtet man Computerprogramme als objektivierte Organisation, so kann die umfassende Nutzung der Computerkapazität, zu einer Minderung dieses Organisationsrisikos führen. Bei laufender Unterstützung durch Hersteller und Softwarelieferant kann trotz "Programmierung" die Flexibilität der Betriebsorganisation verbessert werden.

- Das Institut für Mittelstandsforschung (Universität Köln) hat 1976 eine empirische Analyse "Zum Stand der Organisation in mittelständischen Betrieben" veröffentlicht, in der die Organisationsstärke verschiedener Funktionsbereiche untersucht wurde: Das Informationswesen ist mit Abstand die am schwächsten organisierte Funktion in mittelständischen Betrieben. Hier kann der Computereinsatz innovativ auf die Betriebsorganisation wirken, wenn er zur Erzielung von Informationserträgen genutzt wird.

Zwei Forderungen an die Industrie

Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich vor allem zwei Forderungen an Computerhersteller und Softwareproduzenten als die externen Impulsgeber organisatorischer Innovationen:

- Vertriebs- und Einführungsstrategie dürfen sich nicht auf den schnellen und reibungslosen Einsatz des Computers und der Standardprogramme für die einfachen Aufgaben beschränken; es müssen vielmehr die betriebswirtschaftlichen Aufgaben objektiviert werden, die nicht allgemein systematisiert, sondern individuell organisiert sind.

- Die Anwendersoftware muß neben den Ausführungsfunktionen die Auswertungen berücksichtigen, die zu einem verbesserten Informationsstand mittelständischer Betriebe führen. Das heißt nicht, daß regelmäßig viel Papier bedruckt wird, sondern situationsabhängig müssen Informationen abgerufen werden können.

Rotger H. Greve ist Unternehmensberater in Saarbrücken