Neue Software-Politik bei Bürocomputern?

Auch die Dienstleistungen haben ihren Preis

11.11.1977

VILLINGEN/MÜNCHEN (cw) - Neue Software-Strategien kündigte Kienzle an. Um der wachsenden Diskrepanz zwischen sinkenden Hardwarepreisen und steigendem Softwareaufwand zu begegnen und mehr Preiswahrheit in das Angebot an den Anwender zu bringen, wollen die Villinger Hardware und Betriebssysteme "unbundlen". Für Betriebssysteme, so wird erwogen, sollen in Zukunft Benutzerverträge abgeschlossen und Benutzergebühren bezahlt werden.

Im Bereich der Anwenderpakete würde es Kienzle begrüßen - so Geschäftsführer Dr. Fahnauer -, wenn insbesondere aufwendige, individuelle Problemlösungen im direkten Kontakt zwischen Anwender und freiem Softwarehaus ausgehandelt und abgewickelt würden. Dahinter steht die simple Erkenntnis, daß die Dienstleistung Software im Markt endlich ihren Preis haben muß. An der Hardware ist nicht mehr viel zu verdienen. Das gilt um so mehr, als in steigendem Maße bei Neuabschlüssen (Schätzungen von Vertriebsfachleuten gehen bis zu 20 bis 50 Prozent der Fälle) ältere, gebrauchte MDT-Anlagen: in Zahlung genommen werden müssen. Das Alt-Computer-Risiko muß daher im Paketpreis Hardware + Betriebssoftware abgedeckt sein.

Auslöser der neuen Software-Preis-Politik ist IBM mit dem forcierten Vertrieb der Systeme /32 und /34 und der MAS-Programme.

Zur Systems nahmen wir Gelegenheit, einige Kienzle-Mitbewerber um Stellungnahmen zu bitten. Fazit: Kienzle ist auf dem richtigen Weg - aber voll mitziehen will keiner.

Harro D. Welzel, Geschäftsführer der Philips Data Systems GmbH: "Eine Kienzle-Erfindung ist das natürlich nicht, aber es ist ein Anlaß, die Relation Hardwarepreise/ Softwarepreise neu zu überdenken. Vorläufig werden wir Betriebssysteme und Maschine nicht getrennt berechnen. Schließlich liefert auch niemand Autos ohne Motor.

Aber wir denken doch daran, die Pflege der Betriebssysteme extra zu berechnen. Der Kunde, der etwa beim System 410 statt der Cobol-Version die ebenfalls angebotene Basic-Version haben möchte, muß ohnehin auch heute schon Lizenzgebühren zahlen."

Im Bereich der Anwendersoftware möchte Welzel das Feld keineswegs den freien Softwarehäusern überlassen. Das hält er für gefährlich: "Wir werden auf jeden Fall die Finger drin

behalten."

Bei MAI ist man da ganz anderer Meinung. Pressesprecherin Angelika Löwenheim: "Wir werden das Paket Betriebssystem plus Hardware nicht aufschnüren. Mit der Methode, Anwendersoftware von freien Softwarehäusern direkt für den Kunden machen zu lassen, haben alle Beteiligten nur gute Erfahrungen gemacht. Allerdings koordinieren wir diese Kooperation. "

Im Hause Nixdorf hält man's mal so, mal so. Dieter Wentorf, Leiter der "Softwareabteilung: "Im Prinzip wollen wir Betriebssoftware und Hardware in einem Bündel lassen. Aber es gibt jetzt schon Ausnahmen, z. B. die Betriebssysteme für die Anlagen 8870 2 C und 8870 6 C werden extra berechnet. Mit freien Softwarehäusern arbeiten unsere Vertriebsstellen oft und gern zusammen. Allerdings geben wir von der Zentrale eine Liste solcher Häuser vor, die nach unserer Meinung geeignet sind, unsere Kunden richtig zu betreuen. Es ist übrigens erstaunlich daß sich die Softwarehäuser bei der Durchsetzung von Preisen gegenüber den Anwendern viel leichter tun als wir. "

Bei der Festpreispolitik fürs Grundpaket will auch Triumph-Adler bleiben. Alfred Böing, Chef der Anwendungs-Softwareentwicklung, meint: "Das Betriebssystem ist Bestandteil der Hardware. Aber im Anwendungsbereich sollte die dritte Kraft der Softwarehäuser ruhig mehr ins Spiel kommen."