Verwaltungsrechenzentren an den Hochschulen der USA:

Auch der Campus im Automatisierungstrend

30.05.1980

Die bisher bekannt gewordenen Vergleiche der EDV-Ausstattung der Hochschulen in den USA und Deutschland beschränken sich einseitig auf den Bereich Lehre und Forschung. Die Aufwendungen für Datenverarbeitung in der Verwaltung wurden nicht näher untersucht; dabei wurde zwangsläufig die Tatsache übersehen, daß sie die für Datenverarbeitung in Lehre und Forschung deutlich übersteigen können. Auch gemessen am Gesamtaufwand für die Verwaltung ist der Anteil für Datenverarbeitung nicht unerheblich und wird voraussichtlich noch weiter anwachsen.

Dieser zunächst überraschende Sachverhalt gilt insbesondere für die großen amerikanischen Universitäten, die mit unseren wissenschaftlichen Hochschulen am ehesten vergleichbar sind. Er ist im wesentlichen mit dem Personalaufwand für Entwicklung und Betreuung der umfangreichen DV-unterstützten Verwaltungssysteme zu erklären.

Als Beispiel, das für viele amerikanische Hochschulen vergleichbarer Größe und Struktur stehen kann, sei die University of Michigan näher betrachtet. Sie hatte im Winterhalbjahr 1977/78 46 017 Studenten, von denen 36 740 auf dem Campus in Ann Arbor studierten. Der Personalstand war 14 260 (Vollzeitäquivalente), davon waren 2405 in der Lehre tätig. Der Gesamtetat betrug 463 Millionen Dollar. Es werden drei große zentrale Rechenzentren betrieben, eines für die Verwaltung (IBM 370/158, 4 MB), eines für Lehre und Forschung (Amdahl 470/V6, 6 MB) und eines für das Klinikum (2 x IBM 370/148 mit je 2 MB). Für diese drei Rechenzentren ergab sich 1977/78 ein jährlicher Aufwand von 8 Millionen Dollar der sich wie folgt aufteilt:

Der Personalstand des Verwaltungsrechenzentrums war 127, davon waren 55 Mitarbeiter für Systemanalyse und Programmierung eingesetzt.

Im Zeitraum 1969 - 1978 war folgende Entwicklung zu beobachten:

- Der Gesamthaushalt der Universität hat von zirka 240 Millionen Dollar pro Jahr stetig auf 460 Millionen Dollar pro Jahr zugenommen.

- Der Anteil der Ausgaben für die Datenverarbeitung in der Verwaltung am Gesamthaushalt stieg von anfänglich 0,5 Prozent auf 0,9 Prozent im Jahre 1975 und ist seither etwa konstant. Er liegt damit unter dem an anderen Universitäten der USA festgestellten Anteil.

- Der Anteil der Ausgaben für die Verwaltung am Gesamthaushalt (errechnet durch Subtraktion der Ausgaben für Lehre, Forschung und Klinikum vom Gesamthaushalt) schwankte zwischen 33 Prozent und 30 Prozent mit leicht fallender Tendenz und liegt derzeit bei 31,5 Prozent. Der Anteil der Datenverarbeitung in der Verwaltung am Verwaltungsetat ist jedoch von anfänglich 1,1 Prozent auf nunmehr 2,8 Prozent gestiegen.

DV-Ausgaben stärker zugenommen

Diese Zahlen zeigen die Größenordnung der Ausgaben für Datenverarbeitung in der Verwaltung im Vergleich zu den übrigen Ausgaben der Universität auf und lassen erkennen, daß die DV-Ausgaben stärker zugenommen haben als andere Ausgaben. Der Entwicklungsaufwand für neue Systeme einschließlich Unterstützung durch die Fachabteilungen wird für die nächsten zwei Jahre (1979/1980) für den Campus in Ann Arbor auf 148 Mannjahre geschätzt, das entspricht zirka 2,7 Millionen Dollar. Die Höhe dieser Aufwendungen ist kein Einzelfall. Auch die University of California in Berkeley (29 084 Studenten) hat für den Zeitraum 1979 - 1981 Entwicklungskosten von 3,675 Millionen Dollar für die Entwicklung DV-unterstützter Verwaltungssysteme eingeplant.

Die University of Michigan hat den DV-Einsatz in der Verwaltung 1978 von einem bekannten, unabhängigen Beratungsunternehmen analysieren lassen, mit dem Ziel, Vorschläge für die weitere Entwicklung zu erhalten. Dabei wurde festgestellt, daß die derzeitige Höhe der Ausgaben für diesen Bereich gerechtfertigt ist. Für die Zukunft wird vorgeschlagen, durch eine absolut und bezogen auf die Ausgaben der Universität außerhalb Lehre und Forschung überproportionale Zunahme der Höhe der Ausgaben für die Datenverarbeitung in der Verwaltung die Ausgaben außerhalb Lehre und Forschung zu verringern.

Der Stand der Automatisierung im Verwaltungsbereich der University of Michigan ist bereits hoch. Gleiches gilt für alle anderen von mir besuchten großen Hochschulen in den USA. Betrachtet man im Vergleich dazu die DV-Ausstattung für die Verwaltung der deutschen Hochschulen, so ist sie gering und entsprechendes gilt für den Stand der Automatisierung. Nach der in der ersten Hälfte des zurückliegenden Jahrzehnts erfolgten Einführung einiger Systeme ist die Verwaltungsautomatisierung an den meisten Hochschulen trotz vieler Versuche nicht mehr entscheidend vorangekommen. Die Ansicht, daß Datenverarbeitung nichts kosten darf und sofort Einsparungen bringen muß, führt nicht weiter. Für den großen Unterschied in der DV-Ausstattung der Verwaltungsbereiche großer amerikanischer und deutscher Hochschulen sind die eingangs erwähnten strukturellen Unterschiede keine Begründung; dagegen spricht der Anteil dieser Aufgaben an der Gesamtrechenzeit von Verwaltungsrechenzentren amerikanischer Hochschulen, der zum Beispiel an der University of Illinois zirka 1/4 bis 1/3 beträgt und der Aufwand für die bei uns eingesetzten zentralen Verfahren. Bei Wegnahme dieser zentralen Aufgaben hat demnach eine mit unseren größten Universitäten vergleichbare amerikanische Universität bis zu 100 Personen in der Datenverarbeitung in der Verwaltung und einen Großrechner eingesetzt.

Als Faustformel kann man davon ausgehen, daß in den USA eine Universität ab zirka 15 000 Studenten ein eigenes Verwaltungsrechenzentrum getrennt vom Hochschulrechenzentrum für Lehre und Forschung besitzt. In der Regel sind die beiden dann auch organisatorisch getrennt. Das Verwaltungsrechenzentrum wird dem Verwaltungsbereich, das Hochschulerechenzentrum dem akademischen Bereich zugeordnet. Bei kleineren Hochschulen werden aus wirtschaftlichen Überlegungen alle Aufgaben der Lehre, Forschung und Verwaltung auf einem Rechenzentrum durchgeführt oder man setzt sogar Fremdrechenzentren ein.

Dieser Artikel geht auf einen Teilaspekt eines von der Fulbright-Kommission geförderten Besuchs des Verfassers bei Hochschulen der USA zurück. Der vollständige Bericht ist unter dem Titel "Datenverarbeitung im Hochschulbereich der USA- Stand und Entwicklungstendenzen 1980 im Springer-Verlag Berlin/Heidelberg/New York erschienen.

*Dr. Franz Gaffal ist Regierungsdirektor am Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus