Transparente Dokumentation erforderlich

Auch das Teil-Outsourcing setzt beim Anwender Vorarbeit voraus

26.03.1993

Der Gedanke ist faszinierend: Hochspezialisierte Dienstleistungsunternehmen kuemmern sich um alle DV-Belange eines Unternehmens, erledigen das leidige Hardwareproblem, schlagen sich mit Lieferanten herum und sorgen dafuer, dass immer die modernsten Systeme zur Verfuegung stehen - und das alles fuer weniger Kosten, als bei der hauseigenen DV-Abteilung anfallen. In den USA ensteht eine Outsourcing-Welle, und die Auguren prognostizieren der Outsourcing-Industrie enorme Zuwaechse.

Trotzdem scheint der Outsourcing-Zug in Europa nicht so richtig ins Rollen zu kommen: Mit Ausnahme einiger Grossanwender, die aus ihrer DV ein eigenes Unternehmen machten, gibt es nur wenige spektakulaere Abschluesse. Stimmt das Angebot der Dienstleister nicht, oder sind die Anwender noch nicht reif fuer das Outsourcing?

Beides mag zutreffen: Sicher ist der Aufbau des qualifizierten Personalstamms und der organisatorischen Strukturen, die fuer ein volles Outsourcing-Angebot vonnoeten sind, nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Zudem erfordert das Engagement einen gewaltigen Kapitaleinsatz - nicht umsonst stammen viele Outsourcing-Anbieter aus kapitalstarken Fremdbranchen.

Bis jetzt sind die Anwenderunternehmen beim Outsourcing recht zurueckhaltend. Dafuer gibt es eine Reihe von Gruenden. Gerade Unternehmen, bei denen die Informationsverarbeitung eine zentrale, strategische Rolle spielt, haben in der Regel alte, gewachsene DV- Strukturen, die oft zu den Traegern der Unternehmenskultur gehoeren: Man ist stolz auf "seine DV", die man "von Null an aufgebaut" hat.

Angst vor Bevormundung laesst sich kaum zerstreuen

In einer Zeit der steigenden Bedeutung von unternehmenskulturellen Zielen erscheint es vielen Entscheidungstraegern unvorstellbar, einerseits die Verantwortung fuer einen so strategischen Bereich aus der Hand zu geben, andererseits ganze Abteilungen zum Teil langjaehriger Mitarbeiter an ein fremdes Unternehmen zu verlieren. Sollen nicht nur Entwicklung und Wartung ausser Haus gehen, sondern auch die restliche DV, tauchen naturgemaess Sicherheitsbedenken auf: Kann das Fremdunternehmen, das unter Umstaenden auch Mitbewerber betreut, die Sicherheit meiner Daten garantieren beziehungsweise laesst sie sich ueberhaupt noch ueberpruefen?

Gerade Unternehmen, die langfristige strategische Planung betreiben, muessen sich fragen, ob der gaenzliche Verzicht auf die eigene Datenverarbeitung auf lange Sicht zu vertreten ist: Die Angst vor der Abhaengigkeit vom Dienstleister und auch vor einer gewissen Bevormundung ist nicht so ohne weiteres zu zerstreuen.

Sollen also die unzweifelhaft vorhandenen Vorteile der Spezialisierung, der Konzentration auf die Kernbereiche sowie die vermutlich hoehere Effizienz des Dienstleisters in Anspruch genommen werden, muessen Formen des Outsourcings gefunden werden, die nicht nur die oben genannten Bedenken entkraeften, sondern auch den Schock eines ploetzlichen Ueberganges auf Outsourcing-Systeme vermeiden. Die Dienstleistungsunternehmen muessen diese Vorgehensweisen erarbeiten und ihre Vorteile in der Praxis belegen.

Eine Moeglichkeit, langsame Uebergaenge zu schaffen, ist das Teil- Outsourcing, also die schrittweise Ausgliederung bestimmter Teile der eigenen Informationswirtschaft. Dabei koennen die auszugliedernden Bereiche fachlich und organisatorisch abgegrenzt werden, beispielsweise bei der Errichtung von Outsourcing-Inseln auf Ebene der Abteilungen. Oder aber die Unternehmen lagern Aufgabenbereiche wie Entwicklung, Wartung oder Betrieb aus.

Bei der Auswahl dieser Bereiche sollten neben den fachlichen Gruenden (zum Beispiel fehlende Skills im eigenen Hause) vor allem strategische Ueberlegungen eine Rolle spielen:

- Wie lassen sich strategische Ziele am effizientesten erreichen?

- Wie ist das Profil der eigenen Mannschaft zukunftssicher gestalten?

- Wie kann das Unternehmen vom Outsourcing sonst noch profitieren?

- Wo bringt Teil-Outsourcing den groessten Nutzen?

Das Ausgliedern der Entwicklung von Neuanwendungen, insbesondere im strategischen Bereich, wie es beim klassischen Einsatz von Dienstleistern im Vordergrund steht, bringt zwar kurzfristige Teilerfolge, das heisst, Entwicklungsziele werden schneller erreicht. Die Moral wird jedoch negativ beeinflusst, da sich die Mitarbeiter zum Instandhaltungspersonal fuer Altanwendungen degradiert sehen.

Gerade bei technologie-intensiven Neuentwicklungen gibt der Dienstleister sein Know-how ungern an den Kunden weiter. Schliesslich werden die Kostenvorteile fuer den Anwender - wenn Fremdentwicklung ueberhaupt solche mit sich bringt - auf das vergleichsweise bescheidene Segment der Neuentwicklungen beschraenkt bleiben. Dreht der Anwender den Spiejedoch um, setzt die eigene Mannschaft fuer die Neuentwicklungen ein und beauftragt andererseits einen Dienstleister mit der Wartung der vorhandenen Anwendungen, erreicht er eine Reihe von Vorteilen:

- Durch die freigestellten Kapazitaeten lassen sich die strategisch wichtigen Neuanwendungen rascher realisieren, ohne dass die Endanwender auf dringende Wartungsarbeiten (Erweiterungen, Anpassungen etc.) verzichten muessen.

- Die eigenen Mitarbeiter profitieren von der Arbeit mit neuen Entwicklungsumgebungen, koennen ihr Anwendungswissen einbringen und sind besser motiviert. Sollten externe Skills benoetigt werden (zum Beispiel beim Einsatz von CASE-Methoden), wird statt des Dienstleisters ein Berater engagiert: Dieser wird sein Wissen bereitwilliger weitergeben als der Dienstleister, was wiederum der Qualifizierung des Personals zugute kommt.

- Durch die Betreuung bestehender Anwendungen durch ein Dienstleistungsunternehmen wird zwangsweise jeder Wartungseingriff nach oekonomischen Gesichtspunkten geprueft. Dabei wird vermutlich eine Reihe von nebensaechlichen Eingriffen gestrichen, die bei der Wartung im Hause nebenbei durchgefuehrt werden und in der Summe einen grossen Teil der Wartungs- und Betreuungskosten verursachen. Neben der Kostentransparenz ist also auch mit tatsaechlichen Einsparungen zu rechnen.

Gespart werden muss vor allem bei der SW-Wartung

Wer mit Hilfe von Fremdleistung sparen will, sollte dies in den kostenintensivsten Bereichen tun. Wenn man davon ausgeht, dass 20 Prozent der Kosten bei der Neuentwicklung und 80 Prozent bei der Wartung entstehen und dass mit einer Einsparung von nur zehn Prozent durch Fremdleistung zu rechnen ist, lassen sich bei der Beauftragung von Neuentwicklungen zwei Prozent einsparen, bei der Wartung hingegen acht Prozent.

Aber kann ein Aussenstehender ueberhaupt die Anwendungen betreuen und dabei noch kostenguenstiger sein als die eigene Mannschaft?

Dem Dienstleister stehen zwei Moeglichkeiten offen, dies zu bewerkstelligen: Er kann durch billiges Personal versuchen, den zweifelsfrei hoeheren Arbeitsaufwand zu kompensieren. Billiges Personal findet sich jedoch nur mehr im Ausland, insbesondere in Laendern der Dritten Welt. Diese - in der Regel sogar gut ausgebildeten - Kraefte lassen sich in Grossentwicklungen, Standardsoftware etc. vermutlich erfolgreich einsetzen. Bei der Wartung und Betreuung mit den erforderlichen intensiven Kontakten zum Anwender und den kurzen Reaktionszeiten werden jedoch Distanz- , Sprach- und Kulturprobleme ein grosses Hindernis bilden.

Die externe Wartung kann produktiver werden

Alternativ dazu kann der Dienstleister durch Einsatz von besonders gut ausgebildeten Spezialisten sowie geeigneten Software-Werkzeugen und Methoden die Produktivitaet der externen Wartung steigern. Dies setzt natuerlich eine Reihe von Vorleistungen voraus, die die Uebernahme in Fremdwartung erst ermoeglichen: Die Anwendungen muessen fuer das neue Wartungspersonal transparent gemacht werden, und die Dokumentation muss so gestaltet sein, dass sie einerseits auf dem neuesten Stand und andererseits leicht zu aktualisieren ist. Diese zum Teil recht umfangreichen Vorleistungen muessen in die Kalkulation eines Wartungsvertrages eingehen.

Lohnt sich angesichts dieser Voraussetzungen die Wartung durch Dienstleister noch? Das ist sicher nicht der Fall, wenn diese Vorleistungen ohne entsprechend vorbereitete Methoden und Werkzeuge durchgefuehrt werden und die Wartung auf herkoemmliche Weise geschieht. Lohnen wird es sich, wenn der Anbieter ueber solche Methoden und Werkzeuge verfuegt, sie in der Praxis erprobt hat und auch die Wartung selbst innerhalb eines werkzeugunterstuetzten, qualitaetssicheren Kreislaufs geschieht. Fuer den Kunden rechnet sich das allemal, denn aufgrund des Wartungsvertrages wird er fuer weniger und besser planbare Kosten zu besseren Anwendungen kommen.

Trotz alledem bleibt bei jeder Form des Outsourcings immer der Nachgeschmack des Ausgeliefertseins an eine Fremdfirma. Will man die Taetigkeiten eines Outsourcers flaechendeckend kontrollieren, wird man wahrscheinlich fuer diese Kontrolle wesentlich mehr aufwenden muessen, als man sich durch das Ausgliedern erspart. Je groesser der ausgegliederte Bereich, desto schwieriger gestaltet sich diese Kontrolle. Auch bei Wartungsarbeiten an einer komplexeren Anwendung gehen oft sensible Informationen ausser Haus, haeufig haengt der Betrieb ganzer Unternehmensbereiche von der Qualitaet der Wartungseingriffe ab, und wenn der Anbieter von heute auf morgen seine Pforten schliesst, steht der Kunde ohne Softwarewartung da.

Als Grundlage einer solchen Geschaeftsbeziehung muss also gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden: Der Dienstleister ist auf die Informationen und die Kooperationsbereitschaft des Kunden angewiesen, der Kunde auf die Verlaesslichkeit, Diskretion und Stabilitaet des Anbieters.

Vertraglich festgelegt werden muessen auch bei groesstem gegenseitigen Vertrauen zumindest folgende Punkte:

- Welche Objekte (Anwendungen, Programme etc.) unterliegen der Betreuung durch den Auftragnehmer?

- Welches Entgelt erhaelt der Auftragnehmer?

- Welche Taetigkeiten sind in der pauschalierten Betreuung eingeschlossen?

- Zu welchen Konditionen werden zusaetzliche Taetigkeiten durchgefuehrt?

- Welche Leistungen (Informationen etc.) muss der Kunde erbringen?

- Wie sieht die Beauftragung, Uebernahme und Qualitaetskontrolle der Wartungsauftraege aus?

- Welche Fristen (Reaktionszeiten) werden vereinbart?

- Wie sieht das Ende der Betreuung aus (Ruecknahme der Wartung, Dokumentation, Uebergangsfristen etc.)?

In der Praxis hat es sich bewaehrt, neben einem moeglichst knapp formulierten Vertragswerk detaillierte Zielvorstellungen und Rahmenbedingungen, etwa in Form eines Project Guides, schriftlich festzulegen.

*Klaus Rencher ist Leiter des Profitcenters General Services von Polydata in Wien.