Auch Banken brauchen Informatiker

19.04.2001
Von 
Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketing- und PR-Agentur Die PRofilBerater.
Geldinstitute haben einen großen Bedarf an IT-Fachkräften. Trotzdem bewerben sich nur wenige bei ihnen - unter anderem, weil sie die Banken- und Sparkassenwelt als weniger aufregend als die New Economy empfinden. Dabei ist das Image des beamtenähnlichen Bankangestellen weit vom tatsächlichen Arbeitsalltag entfernt.

Bundesweit klagen Banken und Sparkassen, dass sie mehr Mitarbeiter mit IT-Wissen benötigen. Zugleich belegen Studien, dass der Bedarf an Bankkaufleuten sinkt. Doch bei den Schulabgängern hat sich dies noch nicht herumgesprochen. Nur wenige bewerben sich bei den Geldinstituten um eine Ausbildung im IT-Bereich. Der Beruf "Bankkaufmann/-frau" hingegen steht in der Gunst der Berufseinsteiger weiterhin ganz oben.

Quelle: Bausparkasse Schwäbisch Hall

Dies spiegelt sich in den Bewerberzahlen wider. Übereinstimmend betonen die Personalverantwortlichen der Geldinstitute, dass die Zahl der Bewerbungen für eine Ausbildung als "Bankkaufmann/-frau" den Bedarf weit übersteigt. Ähnlich ist es bei den Bausparkassen. So berichtet zum Beispiel Stephanie Danhof, Projekt-Managerin Personal bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall: "Bei uns bewerben sich pro Jahr ungefähr sechsmal so viel Schulabgänger für eine Ausbildung zum Bankkaufmann beziehungsweise zur Bankkauffrau, wie wir Ausbildungsplätze haben."

Wie die meisten Banken und Sparkassen wird auch die Bausparkasse in den kommenden Jahren weniger Bankkaufleute ausbilden. Im Jahr 2000 stellte sie noch 82 Ausbildungsplätze bereit. "In den nächsten ein, zwei Jahren", versichert Danhof, "wird sich diese Zahl deutlich reduzieren." Ähnlich ist es bei den anderen Banken und Sparkassen. Auch sie signalisieren, dass die Zahl ihrer Ausbildungsplätze für Bankkaufleute sinkt. Zugleich betonen viele, dass mehr Interessenten für den IT-nahen Bereich ausgebildet werden sollten.

Eine Ursache für die geringen Bewerberzahlen in den IT-Ausbildungsberufen sieht Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft Hannover (FHDW), darin, dass die meisten Schulabgänger, wenn sie an eine Bank denken, noch die klassische Filiale vor Augen haben. "Sie setzen die Bankmitarbeiter weitgehend mit den Kundenberatern und -betreuern an den Schaltern gleich." Sie übersehen, dass schon in der Vergangenheit viele Bankmitarbeiter im Back Office zum Beispiel Kreditanträge bearbeitet haben. Sie vergessen auch, dass heute an jeder zweiten Straßenecke ein Geldautomat steht und immer mehr Kunden ihre Überweisungen vom heimischen PC aus erledigen.

Dadurch verschieben sich die Arbeitsschwerpunkte in den Geldinstituten. "Bei den meisten Banken sinkt die Zahl der Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt", erklärt Rüdiger Hoppe, Geschäftsführer des auf Kreditanstalten spezialisierten Trainingsinstituts Staminski Training+Coaching GmbH, Fulda. "Andererseits steigt die Arbeitsmenge im Back Office." Dort laufen fast alle Arbeitsprozesse computer- und netzgestützt ab. Eine entsprechend große Bedeutung haben die elektronische Daten- und Informationsverarbeitung in den Banken und Sparkassen.

Eine weitere Ursache, warum trotz sinkender Nachfrage viele Schulabgänger Bankkaufmann/-frau werden wollen, sieht Danhof darin, dass junge Erwachsene diesen Beruf oft mit Sicherheit gleichsetzen. Jahrzehntelang hatten Bankmitarbeiter einen beamtenähnlichen Status. Viele Eltern empfahlen ihren Kindern, eine Banklehre zu machen, um auf der sicheren Seite zu sein. Folglich bewerben sich bei den Banken "überproportional viele Berufseinsteiger mit einem starken Sicherheitsbedürfnis", erklärt Hoppe.

Junge Erwachsene hingegen, die sich für das Thema IT begeistern, denken in einer anderen Richtung. Danhof hierzu: "Sie wollen vieles schnell lernen und ausprobieren. Außerdem möchten sie ihr Können in anspruchsvollen Projekten beweisen. Solche Herausforderungen vermuten sie in der von Schlips und Kragen geprägten Welt der Banken nicht." Allerdings befindet sich der Finanzsektor in einer rasanten Umbruchsphase, zum Beispiel, weil neue Mitbewerber auf den Markt drängen. Hinzu kommt, so Danhof, "dass die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie den Geldinstituten neue Möglichkeiten der Marktbearbeitung sowie Vertriebswege eröffnen".

Entsprechend groß wird das Thema IT in der Finanzwelt geschrieben. Zum Beispiel beschäftigt die Bausparkasse Schwäbisch Hall fast 400 Mitarbeiter im IT-Bereich; in den nächsten zwei Jahren sollen hier weitere 100 Mitarbeiter eingestellt werden. Entscheidend sind die richtigen Kompetenzen sowohl im IT- als auch im Finanzbereich. Aber weder in der Ausbildung zum Bankkaufmann beziehungsweise zur Bankkauffrau noch in den bankspezifischen Studiengängen werden solche Inhalte vermittelt.

Stephanie Danhof

Viele Geldinstitute greifen deshalb zur Selbsthilfe. Diese Erfahrung macht FHDW-Präsident Müller-Siebers. Seine Fachhochschule bietet unter anderem einen dreijährigen Studiengang Wirtschaftsinformatik an, in dem sich Studien- und Praktikumsphasen im Drei-Monats-Rhythmus abwechseln. Entsprechend viele Praktikantenplätze braucht die FHDW. Diese zu finden ist nicht schwer. "Speziell bei den Banken, Sparkassen und Versicherungen ist die Nachfrage nach unseren Studenten sehr groß", berichtet Müller-Siebers. Die Geldhäuser ziehen sich so die gesuchten Mitarbeiter heran, die über das nötige IT-Wissen und finanzwirtschaftliches Know-how verfügen.

Einen ähnlichen Weg beschreitet die Bausparkasse Schwäbisch Hall. Sie finanziert jährlich einem Dutzend Einsteigern ein berufsbegleitendes Studium der Wirtschafts- beziehungsweise Fachinformatik an der Berufsakademie Villingen-Schwenningen. Weitere solche Stipendien sind geplant. Da sich auch bei diesen Studiengängen Studien- und Praktikumsphasen in jeweils drei Monate langen Phasen abwechseln, haben ihre Absolventen nicht nur das IT-Wissen, das die Bausparkasse braucht. Zusätzlich kennen sie die Strukturen und Abläufe bei der Bausparkasse bereits.