Copyright-Streit geht in die zweite Runde

Auch Ashton-Tate will eine Standardisierung von Dbase

08.03.1991

Mit Wolfgang Schröder, Geschäftsführer von Ashton-Tate, sprach COMPUTERWOCHE-Redakteur Gerhard Schmid

CW: Herr Schröder, wie steht es nun mit dem Dbase-Copyright?

Schröder: Sehen Sie, vieles, was in den Zeitungen stand, ist vermutlich falsch übersetzt worden. Da wurde von einem Urteil gegen Ashton-Tate gesprochene und darum sei das Copyright für Dbase verlorengegangen. Bisher hat es nur die Verfügung eines Distriktgerichts gegeben, und die besagt einzig und allein daß es zu keinem Prozeß zwischen Ashton-Tate und Fox Software kommen kann, weil Ashton-Tate wegen eines Formfehlers bei der Anmeldung von Dbase II nicht im Besitz des Copyrights sei. Gegen diese Verfügung haben wir Einspruch eingelegt, und der wird sogar vom Richter, der die Verfügung ausgesprochen hat, unterstützt. Er wird auch vom amerikanischen Copyright-Register unterstützt, das von sich aus in einem Schreiben an den Richter festgestellt hat, daß aus seiner Sicht kein Formfehler begangen wurde. Deshalb gehen wir davon aus, daß die ganze Sache sich erledigt.

CW: Ashton-Tate hat in seiner Klage gegen Fox einen exklusiven Anspruch auf die Programmiersprache Dbase erhoben.

Schröder: Die Sache gegen Fox war doch ein bißchen kritischer. Bei "Foxpro" haben die ja das komplette "Look and Feel" von Dbase übernommen.

CW: Aber das hat Fox sofort geändert. Trotzdem ist die Klage aufrechterhalten worden mit der Forderung, auch auf die Sprache zu verzichten.

Schröder: Gut, ob das nun besonders intelligent war oder nicht, das weiß ich nicht. Ich persönlich vermeide Prozesse, wenn ich nicht unbedingt dazu gezwungen bin.

CW: Hat nicht auch die Angst mitgespielt, den Markt zu verlieren, weil man technisch nicht mehr so ganz mithalten konnte?

Schröder: Es ist kein Geheimnis, daß Dbase IV, das sicherlich ein tolles Produkt ist, einige Zeit etwas notleidend war, weil es vermutlich viel zu früh auf den Markt geworfen wurde. Damals hat es möglicherweise solche Ängste gegeben. Aber seit der Version 1.1 ist das sicherlich kein Thema mehr. In den letzten Wochen und Monaten hat Dbase IV in Amerika beispielsweise eine ganze Reihe von Auszeichnungen bekommen.

CW: Einige Zeit kursierten Gerüchte, Ashton-Tate würde verkauft ...

Schröder: Das waren wirklich Gerüchte. Wenn eine Firma etwas in die Schieflage gerät, und das ist Ashton-Tate zweifelsohne, dann kocht natürlich die Gerüchteküche. Aber es gab zu keiner Zeit ernsthafte Übernahmegedanken oder -befürchtungen.

CW: Was ist mit den Bemühungen, Dbase zu standardisieren? Wird Ashton-Tate weiterhin aus allen Rohren dagegen schießen?

Schröder: Wir haben das Thema neulich in USA kurz angesprochen. Wie ich unseren CEO Bill Lyons verstanden habe, hat Ashton-Tate großes Interesse, sich daran zu beteiligen. Und wenn der Standard "Xbase" heißt, dann ist das in Ordnung, und keiner wird dagegen schießen.

CW: Es wird also tatsächlich so etwas wie ein ANSI-Dbase geben können?

Schröder: Davon gehe ich aus. Bei Ashton-Tate hat sich vieles geändert. Vor allem haben wir in Amerika ein komplett ausgetauschtes Top-Management, und damit sind auch neue Ansichten reingekommen.

CW: Heißt das, daß die noch laufenden Klagen gestoppt werden und daß es ein plausibles Lizenzangebot für die Hersteller Dbase-kompatibler Produkte geben wird?

Schröder: Ich habe sowohl von Bill Lyons als auch von unserem General Counsel gehört, daß man bemüht ist, alle schwebenden Prozesse möglichst rasch beizulegen, also jetzt nicht mit dem Holzhammer die Sachen durchzupauken, sondern sie gütlich zu regeln. Ob das nun dieser "Shareholders class action suit" ist oder was auch sonst. Man wird versuchen, das alles außergerichtlich beizulegen, und zwar möglichst rasch. Da fühlt sich niemand in der Firma mehr wohl mit dieser Hypothek.

CW: Sind da schon Ansätze gemacht worden?

Schröder: Eindeutig. Im vierten Quartal sind insgesamt 8,5 Millionen "Provision for estimated future litigation costs" in die Rücklage gegangen, also um diese Dinge beizulegen.

CW: Das klingt ja erst mal ganz schrecklich, 80 Prozent des Gewinns eigens dafür zu reservieren. Wird hier nicht eher die Kriegskasse aufgefüllt?

Schröder: So etwas wie dieser "Shareholders class action suit", der da angestrebt wird, kann in Amerika Riesendimensionen annehmen, wenn er durchkommt. Wir sind der Meinung, daß das nicht so eskaliert, aber es ist sicherlich sinnvoll, sich erst mal abzusichern.

CW: Das hängt ja nun davon ab, wie das endgültige Urteil aussehen wird. Wie geht es weiter?

Schröder: Es ist ein beschleunigtes Verfahren in Gang gesetzt worden, und wir hoffen, daß es nicht die ursprünglich angedrohten 18 Monate dauert, sondern möglicherweise innerhalb von zwei Monaten über die Bühne geht, damit da endlich Rechtssicherheit besteht. Denn die besteht zur Zeit nicht, auf keiner Seite.

CW: Besteht die Klage gegen Fox weiter?

Schröder: Die besteht zunächst weitere sicherlich. Das ist der zweite Schritt. Der erste ist ...

CW: ... jetzt erst mal das Copyright wieder zugesichert zu bekommen.

Schröder: Ja nun, es ist im Moment alles ausgesetzt. Das Copyright besteht zur Zeit unangefochten, weltweit. Weder in den USA noch in irgendwelchen anderen Ländern ist irgendetwas eingeschränkt oder verlorengegangen. Aber zunächst einmal muß über den Einspruch entschieden werden; dadurch wird geklärt, ob die Klage gegen Fox überhaupt aufrechterhalten werden kann oder nicht. Wenn sie aufrechterhalten werden kann, dann wird Ashton-Tate das sehr rasch regeln.

CW: Sie haben in einer Presseerklärung gesagt, daß dieses Urteil in Deutschland keine Gültigkeit habe und daß es keinesfalls ein Freibrief für Raubkopierer sei. Das Produkt Dbase ist ja wohl in jedem Fall weiterhin geschätzt?

Schröder: Ja, sicher. Doch in einigen Publikationen ist das etwas mißverständlich ausgedrückt wurden. Da ist zum Teil sogar von "Public Domain" die Rede gewesen. Wer wollte, konnte daraus lesen, daß aufgrund des möglicherweise nicht mehr existierenden Copyrights Dbase jetzt zum Kopieren freigegeben sei. Das wäre nicht einmal in Amerika der Fall. Für Deutschland aber hat das grundsätzlich nichts zu bedeuten. Denn dadurch, daß wir Mitglied der Berner Konvention sind, hat das überhaupt keinen Einfluß auf uns hier.

CW: Es müßte also von Land zu Land immer neu entschieden werden?

Schröder: Absolut.

CW: Wie oft konnten Sie Dbase IV verkaufen?

Schröder: In Deutschland insgesamt ungefähr 75 000mal, wobei der Anteil der Vollprodukte, also der Neukunden, die voll bezahlten, sehr hoch war. Wir haben in dem Jahr wirklich sehr gute Ergebnisse gehabt, und das kann man nur über einen hohen Anteil von Vollprodukten realisieren.

CW: Wie wird die Produktpalette in der nächsten Zeit Aussehen? Dbase hat, soweit ich weg, immer noch einen Anteil von 70 bis 75 Prozent an den Ashton-Tate-Umsätzen, was ja doch ein ziemliches Risiko darstellt.

Schröder: Ich sehe das differenzierter. Es wäre ein Risiko, wenn man sich wirklich auf ein Dbase in einem Marktsegment konzentrierte. Sie wissen, daß wir mit der Dbase-Familie jetzt in die Breite gehen, auf Unix, auf VMS, auf Apple, auf Windows, auf alle diese Plattformen. Es heißt nicht zu Unrecht: "Schuster bleib bei deinen Leisten", konzentriere dich auf das Geschäft, das du wirklich beherrscht. Und das werden wir tun.

CW: Dann fehlen aber auf jeden Fall zwei essentielle Dinge. Das eine ist der Dbase-Compiler, der nun seit Jahren überfällig ist ...

Schröder: Wir haben, nicht gesagt, daß wir den nicht mehr bauen. Der Compiler kommt.

CW: Er hätte ja eigentlich schon vor Jahren kommen sollen.

Schröder: Daran sehen Sie, daß das ein schwieriges Unterfangen ist. Aber ich bin sicher, daß der Professional Compiler noch im Jahre 1991 da sein wird. Es wird fieberhaft daran gearbeitet. Ich habe Vorabversionen gesehen, und das sieht alles schon ziemlich gut aus.

CW: Wieso dauert das so lange? Es mag ja kompliziert sein, aber andere Firmen haben es schon längst auf die Reihe gekriegt.

Schröder: Das ist für Ashton-Tate sicherlich auch ein neues Geschäft gewesen. Die erste Entwicklung des Compilers hat man schlicht und ergreifend eingestampft und wirklich neu von Null angefangen. Das Ding war einfach nicht brauchbar, das hätten wir um die Ohren geschlagen bekommen.

CW: Woran liegt das, daß die Produktqualität so ein Problem ist?

Schröder: Ashton-Tate entwickelt natürlich nicht alles hundertprozentig in eigener Regie, da werden externe Firmen mit eingeschaltet in diesen Prozeß. Und hier hatte also eine Firma sehr viel mitgearbeitet, mit der wir nicht mehr kooperieren.

CW: Das andere Produkt, das Sie brauchten, wenn Sie auf VMS oder auf Unix-Systeme gehen wäre eine Server-Maschine.

Schröder: Da gibt es nun eine ganz klare Aussage von Bill Lyons, und der sagt, das Server-Business ist nicht unser Business. Wir sind darauf spezialisiert - und wir werden das weiter ausbauen -, Clients zu bauen, aber für verschiedene Server. Der erste Server, für den wir über kurz oder lang ein Dbase haben, wird der SQL-Server sein. Der zweite wird Oracle sein, und es wird weitere strategische Allianzen mit Server-Spezialisten geben, wo wir uns als Client empfehlen, mit dem kompletten Dbase-Befehlsumfang und der Möglichkeit, über die Dbase-Sprache auf diese zum Teil ja sehr komplexen Datenbanken zuzugreifen.

CW: Hier treffen Sie auf starke Konkurrenz. Warum soll ein Anwender Dbase kaufen und nicht Quicksilver, nicht Foxbase, nicht Clipper, nicht Omnis, nicht Superbase, nicht Paradox?

Schröder: Weil ich der Meinung bin, daß Dbase aufgrund seiner Verbreitung, aufgrund seines Bekanntheitsgrades sowie wegen seiner wiedergewonnenen Stärke und Performance wirklich das stärkere Produkt ist. Es ist bekannt, es ist eingeführt, es funktioniert. Man kauft eine bekannte Größe.

CW: Was passiert jetzt im Rahmen dieser Konzentration auf das Dbase-Kernprodukt mit den anderen Produkten, etwa mit Multimate, mit der Master-Serie und Framework?

Schröder: Wir sind eine Datenbankfirma, und im Zentrum steht Dbase. Es wird immer eine Reihe von Applikationen geben, die aber nachrangig zu sehen sind, die in Dbase hineingreifen und entweder Daten zutragen oder auch Daten manipulieren oder bearbeiten. Und wir werden immer ein hochwertiges Grafikprogramm haben, vorher war es die Master-Serie, heute heißt es Applause II. Es wird sicherlich weiterhin eine Textverarbeitung geben, auch wenn wir die in Deutschland vielleicht nicht so stark forcieren. Das wird bis auf weiteres Multimate sein, aber ich denke, daß wir spätestens Anfang nächsten Jahres auch eine Textverarbeitung unter Windows bekommen, und das wird dann möglicherweise nicht mehr Multimate sein. Und Framework ist unser Office-Automation-Tool, das mit einer ganz homogenen Schnittstelle zu Dbase ausgestattet ist und auch weiterhin existiert.

CW: Und Rapidfile?

Schröder: Wir erwarten in diesem Jahr ein neues Rapidfile. Das ist ein unheimlich schönes, kleines, handliches und effizientes Tool, das eigentlich schon früher mit wesentlich mehr Überzeugung hätte angeboten werden müssen.

CW: Wie wird das in Zukunft laufen mit der Produktentwicklung? Wird wieder mehr im eigenen Haus passieren? Soll weiterhin kooperiert werden mit irgendwelchen unabhängigen Firmen?

Schröder: Es gibt da ganz klare Richtungen. Dbase wird absolut bei uns selbst entwickelt. Das Team ist vergrößert, verstärkt und zusammengezogen worden. Die waren bisher über mehrere Orte und Örtlichkeiten in Amerika verstreut. Framework ist total in eigener Hand. Die Masterserie war zugekauft, aber Applause II ist komplett eigen. Sämtliche Schlüsselprodukte werden also im eigenen Laden bleiben.