Attraktive Loesungsvariante fuer den Mittelstand Outsourcing der Buchhaltung ueberzeugt im zweiten Anlauf Von Angela Huwer-Hauer*

13.08.1993

* Angela Huwer-Hauer ist freie Journalistin in Muenchen.

Mittlere Datentechnik war fuer die mittelstaendische Klett-Druckerei in Korb bei Stuttgart als Alternative zu einem ueberforderten Outsourcing-Partner zu teuer; die erforderlichen maechtigen betriebswirtschaftlichen Programme benoetigten ein klassisches Rechenzentrum. Die Problemloesung lag also im Wechsel des Outsourcing-Partners. Wichtiger Nebeneffekt: Die Bindung an ein bestimmtes Betriebssystem konnte vermieden werden.

Nach einer laengeren Phase der Unzufriedenheit mit den Leistungen des angestammten Outsourcing-Partners entschied man sich bei Klett Druck H.S.zur Kooperation mit der bundesweit agierenden TDS- Gruppe, Heilbronn. Im Mittelpunkt dieser Zusammenarbeit steht die Nutzung von SAP-Anwendungen fuer einzelne betriebswirtschaftliche Anwendungen und seit neuestem der Einsatz des Programms "Paisy" zur Lohnbuchhaltung und -abwicklung.

Klett Druck H.S. ist im Zuge eines Management-Buy-Outs aus einer Druckerei des Buchverlages Klett heraus entstanden. Heute ist das Hauptbetaetigungsfeld der Akzidenz-bereich, das heisst die Herstellung von Katalogen, Werbung und Telefonbuechern mit Auflagen von bis zu zehn Millionen. Ausserdem werden zahlreiche Buecher des Klett Verlages hier gedruckt, was etwa 20 Prozent des Umsatzes ausmacht. Hinzu kommt die Herstellung von Zeitschriften und Romanen in wechselndem Umfang.

Frueher Betriebsteil, dann eigene Firma im Klett-Konzern, existiert Klett Druck H.S. seit dem 1. Januar 1989 und ist organisatorisch nicht mehr mit dem Klett Verlag verbunden. Klett Druck beschaeftigt im Durchschnitt ueber 600 Mitarbeiter, davon 75 in der Verwaltung, und erzielt einen Jahresumsatz von rund 130 Millionen Mark.

Im Verwaltungsbereich des Unternehmens werden SAP-Programme zur

- Buchhaltung,

- Anlagenbuchhaltung,

- Auftragsnachkalkulation,

- Auftragsabrechnung,

- Kostenstellenrechnung,

- zum Einkauf sowie

- zur Materialwirtschaft

genutzt.

Aufgrund der betrieblichen Spezifikationen wie dem Ad-hoc- Geschaeft mit wechselnden und neuen Kunden, der Vielzahl von verwendeten Materialien, der unterschiedlichen Druckvolumina und der verschiedenartigen Druckerzeugnisse ist eine extensive Nutzung der Applikationen unter Anwendung aller verfuegbaren Features ueblich.

"Wir verwenden die Programme bis hin zu Punkten, die auch der Hersteller nicht mehr kennt", weiss Erich Boettner, verantwortlich bei Klett Druck fuer Finanzen, Betriebswirtschaft und Controlling, zu berichten. Besonders deutlich wird diese Inanspruchnahme von Software beim erst kuerzlich begonnenen Projekt Outsourcing der Lohnbuchhaltung und -abwicklung. Vom Programm Paisy wird hier die Abbildung des wohl neben dem Baugewerbe und dem BAT kompliziertesten Tarifvertrags verlangt.

Schon Mitte der 80er

Jahre Teile ausgelagert

Schon seit Mitte der 80er Jahre, als Klett Druck noch nicht als unabhaengiges Unternehmen existierte, waren Teile des Satzbereiches und die Buchhaltung ausgelagert. Outsourcing-Partner war ein von bedeutenden Stuttgarter Verlagen gegruendetes Rechenzentrum, das die Abwicklung von betriebswirtschaftlichen Anwendungen mit SAP- Programmen anbot. Die Datenverarbeitung des Hauses Klett ist in der Teilhaberschaft an diesem Rechenzentrum aufgegangen.

Nach der Gruendung nahm Klett Druck H.S. 1989 zunaechst Abstand von eigenen DV-Aktivitaeten und liess bis 1990/91 die Buchhaltung und Kostenrechnung vom Klett Verlag beim Gemeinschaftsrechenzentrum erledigen. Klett Druck holte zwar Angebote fuer DV-Loesungen in mittlerer Datentechnik und auch von anderen Rechenzentren ein, "aber den Schuh der mittleren Datentechnik wollte sich hier keiner anziehen", erklaert Boettner. "Es war ja nichts da, was die Systemprogrammierung oder das Controlling angeht. Eine eigene DV haette aufgebaut werden muessen."

Man entschied sich daher, beim angestammten Outsourcing-Partner zu bleiben, die Kooperation jetzt aber in eigener Regie zu betreiben. "Bei dieser Zusammenarbeit tauchten allerdings gravierende Probleme auf, die Anwendungen in Bereichen wie der Kostenrechnung teilweise unmoeglich machten", berichtet Boettner. Diese Schwierigkeiten liessen sich in zwei Bereiche gliedern.

Zum einen waren Standardprogramme nicht ablauffaehig, weil sie modifiziert worden waren. Der damalige Outsourcing-Partner war weder bereit, kostenlos solche Modifikationen herauszunehmen, noch prospektiv etwas Neues zu entwikkeln. Zum anderen hatte sich ein neues Arbeitsfeld fuer das Rechenzentrum ergeben: die Kalkulation. Die bisherigen Programme sollten auf beiderseitigen Wunsch hin nicht mehr zum Einsatz kommen. Statt dessen fand PC-Software Verwendung, die in einer kleinen Drukkerei vielleicht mit Erfolg einsetzbar waere, den gegebenen Anforderungen jedoch nicht genuegte. Beispielsweise liessen sich Betraege mit mehr als acht Stellen nicht darstellen, das System stuerzte haeufig ab, und es wurde doppelt erfasst: einmal im vorhandenen SAP-System, dann nochmals im PC- Programm.

Suche nach

neuem Partner

Angesichts der andauernden Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Verwaltungsaufgaben, die mit dem bisherigen Outsourcing-Partner nicht mehr einvernehmlich beseitigt werden konnten, hielt man Ausschau nach einem neuen Service-Rechenzentrum und holte parallel dazu ein Angebot von SAP fuer die Installation der Programme im Haus ein. Die von SAP veranschlagten Kosten waeren vertretbar gewesen, haetten aber den Aufbau einer eigenen DV erfordert. Daher intensivierte man die Bemuehungen um einen neuen Outsourcing- Partner.

Ueber SAP wurden die Rechenzentren ermittelt, die im Umkreis von 150 Kilometern um Stuttgart ansaessig waren, sowie die bisher verwendeten SAP-Module und - als neue Anforderung - das Modul RK (Auftragsabrechnung) anboten. Das Kriterium der raeumlichen Naehe zum Auftraggeber erklaert sich aus der Notwendigkeit, gedruckte Unterlagen mit Boten hin- und herzuschicken. Darueber hinaus war das Loesungsangebot zu SAP RK ausschlaggebend fuer die Auswahl.

Auswahl aus

fuenf Offerten

Insgesamt holte Klett Druck H.S. fuenf Angebote ein. Ausgeschieden wurden diejenigen, die vorgaben, alles leisten zu koennen, ohne dies zu spezifizieren oder zu begruenden. Das einzige ernstzunehmende Angebot reichte TDS ein, in dem klar zu den Terminvorgaben von Klett Druck Stellung genommen und der geforderte Zeitpunkt 1. Januar 1992 fuer die Inbetriebnahme zugesagt wurde.

Die Einigung auf einen Festpreis fuer das Projekt umschloss die Kosten fuer die Hardware-Anpassung, die SAP-Portierung, das Einrichten des Systems, die Systemprogrammierung und die laufenden Aufwendungen. Massstab bei den Verhandlungen war fuer Klett Druck H.S. der Preis, der beim bisherigen Outsourcing-Partner bezahlt wurde. Dieser Kostenrahmen sollte eingehalten werden.

In zwei persoenlichen Gespraechen mit Mitarbeitern von TDS wurden die Auftragnehmer ueber die Anforderungen informiert und darueber, was vorhanden war und auf welchen Programmstaenden das Unternehmen operierte, denn es musste vom bisherigen Rechenzentrum eins zu eins zu dem neuen Partner portiert werden. Parallel sollte das bislang in Anspruch genommene Rechenzentrum fuer den Bereich Lohn und TDS fuer die Buchhaltung zustaendig sein. Die Partner einigten sich darauf, dass die Datenerfassung zum 1. Januar 1992, die Auswertung aber erst spaeter moeglich sein wuerde.

Nach Unterzeichnung des Vertrags im September 1991 nahm TDS seine Taetigkeit auf und konnte Ende November 1991 erste Tests abhalten. Parallel dazu beschaffte das Unternehmen die notwendigen Leitungsverbindungen, so dass zum Jahresbeginn 1992 die SAP- Anwendungen lauffaehig waren. Die definitive Inbetriebnahme, die die Lieferung von Auswertungen einschloss, erfolgte in der zweiten Maerzhaelfte 1992.

Klett Druck H.S. nutzt heute ueber TDS die SAP-Module RF, RA, RK und RM. Der Ausdruck von Schecks erfolgt im Unternehmen selbst, ebenso von Listen mit akzeptablem Schriftbild.

Standardmaessig breite Listen werden zugestellt. Darueber hinaus ist das Druckhaus in seiner Anforderungs-tabellen-Steuerung weitestgehend autark, das heisst, gewuenschte Jobs werden im Hause eingestellt und vom Outsourcer ausgefuehrt. Bei Klett sind lediglich Terminals installiert und an einigen Arbeitsplaetzen PCs mit Anbindung an das externe Rechenzentrum. Fuer die betroffenen Mitarbeiter brachte das zweite Outsourcing der betriebswirtschaftlichen Anwendungen keine Probleme mit sich.

Kinderkrankheiten

blieben nicht aus

Seit September 1992 laeuft die Umstellung des Bereichs Lohn, ein Projekt, das nach den Worten von Erich Boettner mehr oder weniger abgeschlossen ist. Schwierigkeiten machen hier noch die besonderen tarifvertraglichen Gegebenheiten der Druckbranche und die Abweichung von bestimmten Standards. Im Sommer 1993 soll auch dieser schwierigste Verwaltungsbereich fehlerfrei im Outsourcing- Verfahren abgewickelt werden.

Kinderkrankheiten blieben bei der Nutzung der SAP-Anwendungen nicht aus. Das gewichtigste Problem ist fuer die Grossrechner-Welt typisch: Das Drucken laesst sich nur mangelhaft steuern. Zur Zeit wird versucht, diesen Mangel der SAP-Programme mit einem List- Generator zu beheben. Stoerend bei der taeglichen Arbeit wirken sich auch die mitunter zu langen Laufzeiten und die Fehler in den schriftlichen Auswertungen aus. Aber, so resuemiert Boettner, das sei eine grundlegende Gegebenheit beim Outsourcing: "Man muss mit diesen Fehlern viel haeufiger und laenger leben, als wenn man die Software kaufen wuerde."

Drei Nachteile

und drei Vorzuege

Aus der Sicht von Klett Druck hat das Outsourcing bestimmter DV- Anwendungen je drei Vor- und Nachteile:

Vorteile

1. Zu wirtschaftlichen Kosten laesst sich keine eigene DV mehr aufbauen. Fuer maechtige Programme sind Rechenzentren notwendig, da man sonst auf die extrem

teure mittlere Datentechnik angewiesen ist. Das wuerde aber wieder die Bindung an einen Hersteller, an ein Betriebssystem bedeuten. Hinzu kommt eine extreme Abhaengigkeit von mindestens zwei Systemspezialisten, die hohe Lohnkosten verursachen.

2. Wenn mehrere Anwender ein Standardprodukt verwenden, muss der einzelne nicht alle Erfahrungen und Fehler selbst machen. Der Anbieter kennt meist schon die Probleme und verfuegt ueber hochqualifizierte Systemspezialisten, die dem Anwender langes Herumprobieren ersparen.

3. Ein sogenannter Konzerneffekt wird wirksam. Weitere Konzernteile koennen mit in den RZ-Verbund uebernommen werden. Gleiche Leistungen werden dann einfach in einem weiter gesteckten Rahmen angeboten.

Nachteile

1. Die teilweise zu geringen Kenntnisse der Rechenzentrums- Mitarbeiter im Hinblick auf die

Anwendungen und die Spezifikation, nicht nur in der Druckbranche. Die Qualifikation der Beschaeftigten fuer die Systemsteuerung steht ausser Zweifel. Bei den Anwendungen kann es aber bei der Kommunikation der Partner zu Missverstaendnissen kommen, die Projekte dann unnoetig verlaengern.

2. Fehler in den Programmen werden nicht immer schnell genug bereinigt. Da das Rechenzentrum es mit einer Vielzahl von Anwendern zu tun hat, kann es nicht staendig modifizieren und sich von den Standards entfernen.

3. Manche Anbieter koennen Kontinuitaet bei den Ansprechpartnern im Rechenzentrum nicht gewaehrleisten. Dies wird dann zum Problem, wenn nicht genug oder nicht schnell genug neue Mitarbeiter bereitgestellt werden.

Das Outsourcing bestimmter Anwendungen ist insgesamt auch im mittelstaendischen Bereich haeufig eine gute Loesung. "Aber", raet DV- Verantwortlicher Boettner, "es sollte nicht einfach das Bestehende fortgeschrieben werden. Der Outsourcer muss ueberlegen, was in seiner Organisation und bei den Anwendungen noch falsch gemacht wird und was in der eigenen Firma noch fehlt. Erst dann kann man die Tests auch kompetent beurteilen, und die Projekte dauern keine zwei Jahre mehr."