Hub-Hersteller geraten durch ATM-Knoten in Zugzwang

ATM soll das Gefälle zwischen den LANs und WANs beseitigen

11.09.1992

SANTA CLARA (pg) - Obwohl der Asynchronous Transfer Mode (ATM) häufig noch als Zukunftsmusik verschrien wird, macht die Realisierung des Protokolls Fortschritte. Erste Produkte belegen die Realisierung und geben der Diskussion über das Einsatzfeld von ATM neue Nahrung.

"Die Zukunft wird ATM gehören", prognostiziert Ralf Ungermann, Chef der im kalifornischen Santa Clara ansässigen Company Ungermann-Bass. Den Grund dafür sieht er in der Protokollstruktur von ATM, die Routing-Prozeduren hinfällig macht. Gegenüber der COMPUTERWOCHE vertrat Ungermann die Ansicht, daß FDDI und Frame Relay nur kurzfristige Übergangslösungen auf dem Weg zu ATM sein werden.

Mit dieser Meinung steht der Branchenkenner nicht allein da. Der Vorteil der Protokollstruktur von ATM ist in Fachkreisen nahezu unumstritten. Das auf Glasfaser basierende Hochgeschwindigkeits-Protokoll mit einer Übertragungsrate von 6,23 Gbit/s arbeitet mit einem isochronen Verfahren. Im Klartext heißt das, es werden kleine, einheitlich lange Zellen generiert und in zeitlich gleichen Abständen gesendet. Dadurch läßt sich nicht nur das Management des Transfers vereinfachen, sondern auch garantieren, daß die Übertragung in einem vorgegebenen Zeitraum über die Bühne geht. Der Grund: Die geringe Paketgröße bietet mehr Flexibilität bei der Aufteilung der Bandbreite unter den verschieden angeschlossen Geräten.

Für ATM spricht vor allem die Multimedia-Funktionalität. Das Protokoll erlaubt im Gegensatz zu den Standards Switched Multimegabit Data Service (SMDS) und Distributed Queue Dual Bus (DQDB) nicht nur die Übertragung von Daten, sondern auch von Sprache und Bildern. Bisher sind für die Realisierung von Daten- und Video -Applikationen unterschiedliche Kabelsysteme nötig. Mit der Integration von Video durch Hubs in das Netz könnten künftig in Unternehmen nicht nur Kosten gespart werden, es würde auch eine größere Flexibilität bei der Entwicklung von Anwendungen entstehen, die Datenkommunikation und Multimedia integrieren.

In Zugzwang sind jetzt in erster Linie Hersteller von Hubs, etwa wie Ungermann-Bass, Synoptics, Cabletron etc., geraten, weil Anbieter wie Adaptive Corp., Fore Systems und Fibremux Inc. die ersten ATM-Knoten angekündigt haben. Die Technologie der intelligenten Hubs wird durch ATM herausgefordert, da sie Multimedia-Applikationen bislang nicht unterstützen können. Die Nachfrage der Anwender nach Hubs, die Multimedia im Workstation - wie auch WAN-Bereich realisieren, dürfte jedoch nach Ansicht der Marktforscher in den nächsten Jahren immer stärker zunehmen.

Problematisch ist zudem, daß bei Bus-basierten Hubs ein hoher Input zu Störungen führen kann, während sich bei ATM-Knoten von jedem Input-Port aus jeder Output-Port ansteuern läßt, ohne eine bestehende Verbindung zu beeinträchtigen.

Umstritten ist bei Experten allerdings noch, wie schnell und auf welchen Gebieten sich ATM durchsetzen wird. Während die Chancen des Protokolls im Backbone-, MAN und WAN-Bereich als sehr gut eingeschätzt werden, dürfte der Durchbruch im LAN-Bereich vorerst tatsächlich Zukunftsmusik bleiben, weil eine Migration für die meisten Anwender wegen der Investitionen in Ethernet, Token Ring und andere auf absehbare Zeit kein Thema sein dürfte.

Trotzdem wird ATM als der Standard betrachtet, mit dem das Leistungsgefälle zwischen LANs und WANs am besten beseitigt werden kann. Hersteller von ATM Knoten für LANs wie Adaptive und Fore Systems weisen darauf hin, daß ATM eigens zu diesem Zweck konzipiert wurde und für den Desktop in Zukunft unerläßlich sei. Sie argumentieren mit der steigenden Performance der PCs, der Ethernet nicht mehr standhalten könne.

Ein Massenmarkt für ATM ist den Marktforschern der Yankee Group zufolge in den nächsten zwei Jahre keinesfalls in Sicht. Kein Zweifel besteht für die Bostoner Analysten jedoch darin, daß ATM Erfolg haben dürfte. Hubs und Konzentratoren werden aber, so ein Experte der Yankee Group, nicht von der Bildfläche verschwinden. Vielmehr glaubt er, daß die Hersteller mehr Switching-Technologie in ihre Hubs integrieren und ATM das entsprechende Interface dafür liefert.