Aktivitäten zur Standardisierung der Computerwelt:

AT&Ts Eintritt ins Rechnergeschäft

07.12.1984

Die Schlacht um die Herrschaft im Informations- und Kommunikationsmarkt zwischen der IBM und ihrem größten Konkurrenten, der American Telephone & Telegraph Co., erhielt durch die Ankündigung eines neuen Unix-Rechners des Telefongiganten (siehe CW Nr. 48 vom 23. November 1984, Seite 4) neuen Zündstoff. Am 27. März 1984, drei Monate nach der vollzogenen Trennung von 22 lokalen Telefongesellschaften, begann der Eintritt in das Computergeschäft, welcher wegen eines Antitrust-Vergleiches aus dem Jahre 1956 bislang verwehrt war.

Mit der sechsköpfigen Rechnerserie 3B stellte der ehemals größte IBM-Kunde zwanzig Jahre nach der Vorstellung der /360-Rechnerfamilie des blauen Rechnerproduzenten seine Startbasis vor. Mit dem einheitlichen Betriebssystem Unix versucht "Ma Bell", diese Systemsoftware zum Weltstandard der 80er Jahre zu erheben. Für den Mehrplatzrechner 3B2, an den bis zu achtzehn Terminals angeschlossen werden können, sind knapp 10 000 Dollar zu zahlen. Das obere Ende der Familie bildet das Modell 3B20, das für 340 000 Dollar zu haben ist.

Nicht von Unix unterstützt wird dagegen der im Juni vorgestellte Arbeitsplatzrechner PC 6300. Mit dem Betriebssystem MS-DOS sollte dieser Mikro wohl an der von Big Blue beherrschten Mikrowelt kratzen. Gebaut wurde dieser Rechner von dem Beteiligungsunternehmen Olivetti. Mit der gleichzeitigen Verfügbarkeit eines lokalen Netzes versuchte der Kommunikationsriese, dem für 1986 erwarteten PC-Netzkonzept der IBM

zuvorzukommen. Big Blue kündigte gleich darauf im August sein PC-Network an.

Um die Unix-Strategie voranzutreiben, schloß Western Electric, seit mehr als hundert Jahren die Telefonbaufirma von AT&T, mit den Halbleiterherstellern National Semiconductor, Motorola und Intel einen Vertrag nach dem diese ihre Mikroprozessoren mit Unix V kompatibel entwickeln sollen.

Seit Januar 1984 ist ein OEM-Vertrag mit Convergent Technologies in Santa Clara unter Dach und Fach. Aus dieser Ehe erwarten Fachkreise den ersten auf Unix basierenden Arbeitsplatzrechner für den Herbst des laufenden Jahres.

Im Juli gründeten AT&T und Olivetti in London ein Unternehmen mit dem Namen "Unix Europe", eine Vermarktungsgesellschait zur Verbreitung des Betriebssystems aus der Softwareschmiede Bell Laboratories.

Die Erwartungen der Fachleute sind durch die Ankündigung des PC 7300 bestätigt worden. Die Frage, ob es durch die 3B-Serie und die beiden Mikros gelingt, eine ähnliche Wirkung zu erzeugen wie die PC- und die /360-Generation der IBM, bleibt offen. 108 Jahre nach der Erfindung des Telefons durch den Firmengründer Graham Bell versucht der amerikanische König der Telekommunikation, der IBM und Digital Equipment zu zeigen, wer die Standards der Computerzukunft setzen wird.