AT&T: Kein Grund, sich stark zu fühlen

14.12.1990

Entgegen den Bemühungen von NCR-Chef Charles E. Exley jr., die Sondierungsgespräche mit AT&Ts Robert E. Allen über ein Zusammengehen der beiden US-Konzerne auf dem Computersektor nach außen als keineswegs ungewöhnlich - und damit unverbindlich - hinzustellen, ist das zunächst - zumindest von NCR-Seite - vorsichtige Abtasten zum Beinahe-Krieg eskaliert: Jetzt will der AT&T-Boß auf die NCR-Interessen keine Rücksicht mehr nehmen, und Exley schießt mit Rücktrittsdrohungen im Falle einer "unfreundlichen" Übernahme zurück - das Bettuch scheint zerschnitten, bevor es überhaupt zu einer Annäherung kommen konnte (siehe Seite 1).

Ginge es um Mitgefühl, Exley wäre nicht allein. AT&T, darin sind sich alle Marktbeobachter einig, braucht schon sehr viel Mut zur Selbstüberschätzung, um als großer DV-Zampano aufzutreten. Im Computer-Business hat sich der gelbe Telefonriese, bei aller Rührigkeit auf dem Unix-Sektor, bisher wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Exley liegt vermutlich richtig, wenn er sinngemäß fragt: "Will AT&T mit der geplanten Transaktion womöglich nur den eleganten Ausstieg aus dem Computergeschäft einleiten?" Exley nennt AT&T sarkastisch einen kranken Elefanten, der einen gesunden Hund (NCR) schon allein dadurch töten kann, daß er auf ihn fällt. Nichts einfacher als eine Anspielung auf Fusionsspätschäden in der DV-Industrie wie diese - die Liste der Fälle gescheiterter Computer-Ehen ist lang.

Mit Worten ist es denn auch leicht, lieber out (Rücktritt Exleys) als gelb zu sein. Penible Chronisten stört es allerdings schon, daß der Vergleich hinkt, weil die Honeywells, Bulls, Burroughs und Sperrys - um nur die wichtigsten Fusionierer zu nennen - nämlich ohne direkte Fremdeinwirkung umgefallen sind. Die "Merger-Mania" in der DV-Branche: Symptom einer kapitalistischen Krankheit, die als Freßsucht bezeichnet werden kann? Keineswegs. Schauen wir uns einige Beispiele aus der DV-Geschichte an (die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit): RCA, General Electric (GE), Honeywell, Burroughs, Sperry-Univac, Perkin-Elmer Interdata, Computervision, Apollo Domain, Machines Bull, CII, Singer, ICL, Philips, AEG-Telefunken, Kienzle sowie last and least Nixdorf - alle waren sie einmal angetreten, neben der IBM mit Computern erfolgreich Geschäfte zu machen. Der Markt ließ es nicht zu.

Was ist das für ein Markt? Mit NCR als Vertriebsarm versucht AT&T, das IBM-only-Gesetz zu brechen. Parallelen gibt es übrigens zu Siemens/Nixdorf, dort eine Nummer kleiner freilich. Kann die Kombination AT&T/NCR gegen Big Blue bestehen? Das ist für Allen und Exley die Gretchenfrage? Anwender sollten anders fragen: Wollen wir bald mit der IBM allein sein?