Nach Antitrust-Einigung hat US-Telefon-Multi Luft für DV-Einstieg:

AT&T jetzt in Konkurrenz zu IBM und Siemens

29.01.1982

NEW YORK (hh) - Im Kartellverfahren gegen den US-Telefonmonopolisten American Telephone and Telegraph (AT&T) erzielte die Antitrust-Behörde jetzt eine Einigung mit dem Konzern. Das erarbeitete Agreement öffnet Teile des amerikanischen Telekommunikationsmarktes für den Wettbewerb.

Die American Telephone hat sich zur Beendigung des seit 1974 laufenden Verfahrens bereit erklärt, 22 lokale Betriebsgesellschaften auszugliedern. Diese Töchter verkörpern zwar zwei Drittel des Anlagevermögens der AT&T, stellten jedoch mit einem Reingewinn von 1,9 Milliarden Dollar nur ein Drittel des Gesamtgewinns. Behalten darf der Konzern seine Beteiligungen an der Cincinnati Bell (29,7 Prozent) und der Southern New England Telephone Company (21,1 Prozent).

Aus dem Entflechtungsplan, der durch einen Bescheid des Bundesrichters Vincent Biunno rechtskräftig geworden ist und den der Telefonmonopolist innerhalb der nächsten sechs Monate vorlegen muß, sind jedoch die Aktivitäten auf dem Sektor der Fernverbindungen und die Produktionsstätten Western Electric sowie die Entwicklungsgesellschaft Bell Laboratories ausgeklammert. Die vollständige Trennung von den Ortsgesellschaften muß in 18 Monaten vollzogen sein.

Branchenkenner erwarten, daß sich der Konzern nun verstärkt dem Computer- und Telekommunikationsmarkt widmen werde. Bereits Anfang des Jahres 1981 äußerte der Telefonriese entsprechende Vorhaben, die von der Reagan-Administration positiv bewertet wurden.

Möglichkeiten rechnen sich die AT&T-Bosse in den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der Kommunikation via Satellit, der Datenfernübertragung und anderer Telecomputerleistungen aus.

Chancen für andere Anbieter

Dennoch scheint AT&T mit dieser Lösung nicht hundertprozentig zufrieden. Präsident Ellinghaus räumte ein, daß für ihn eine bessere Lösung denkbar gewesen sei, berichtet VWD. Das Abtrennen der örtlichen Telefongesellschaften, die staatlich reguliert weiterarbeiten sollen, berge jedoch Chancen für andere Anbieter. Die Bell-Telefongesellschaften könnten ihr Fernmeldematerial nun im freien Markt beschaffen und seien nicht mehr an Western Electric-Produkte gebunden.

So rechnet sich auch die Siemens AG, München, neue Markt-Perspektiven aus, die von ihrer amerikanischen Tochter, der Siemens Corporation in Iselin/New Jersey, verwirklicht werden sollen. "Wir werden diese Chance auf allen Produktionsgebieten von Kabeln bis zu Vermittlungseinrichtungen wahrnehmen", lautet eine erste Stellungnahme des Elektrokonzerns. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen seit mehreren Jahren auf dem US-Markt tätig und hat bei Fernmeldenebenstellen-Anlagen und Textkommunikationssystemen Markterfolge erzielt. In Kürze werde Siemens ein neuartiges Nebenstellensystem auf dem US-Markt vorstellen, daß den bisherigen in den USA angebotenen Anlagen "um einiges voraus sei". Im vergangenen Jahr hat die amerikanische Siemens Corp. rund 800 Millionen Dollar umgesetzt.

Vorbereitung auf Wettbewerb

In direkter Konkurrenz zueinander stehen nach der Einigung IBM und AT&T. Durch die Öffnung des Telekommunikationsdienstes und der Datenverarbeitung und -Vermittlung wird es dem bisherigen Monopolisten möglich sein, in IBM-Domänen einzudringen. Bereits im September kündigte der Telefonriese die Entwicklung eines eigenen Minis auf der Basis eines Intel-8086-Mikroprozessors an und folgte damit IBM auf den 16-Bit-Markt.

Allerdings bereiten sich auch andere Unternehmen auf einen harten Wettbewerb vor, so die General Telephone & Electrics (GTE) und die International Telephone & Telegraph Corporation ITT.

Negative Einflüsse erwarten Branchenbeobachter vor allem von Unternehmen, die Übertragungsdienste verschiedenster Art anbieten, sich aber der Bell-Vermittlungen bedienen müssen, da diese teurer würden. Dem Vernehmen nach fallen darunter die MCI Communications Corp., die Communications Satellite Corp., die RCA und die Satellite Business Systems, an der IBM Anteile hält.