Vertikal ausgerichtete Angebote versprechen Erfolg

ASPs brauchen Branchen-Know-how

08.02.2002
MÜNCHEN (js) - Die Zukunft des Application Service Providing (ASP) liegt nach Meinung vieler Marktbeobachter in vertikalen Angeboten. Der Anpassungsaufwand hält sich in Grenzen, aber dennoch lassen sich Kundenbedürfnisse genau ansprechen.

Nach dem Hype um das ASP-Modell folgte im vergangenen Jahr die Ernüchterung. Trotz guter Startumsätze - laut dem Marktforschungsunternehmen IDC wurden im Jahr 2000 weltweit fast 700 Millionen Dollar für ASP-Angebote ausgegeben - mussten in den letzten Monaten viele Anbieter, die Unsummen in den Aufbau ihrer Infrastruktur gesteckt hatten, die Segel streichen.

Ein Problem der frühen ASP-Leistungen war, dass sie mit einer "One-to-Many"-Philosophie darauf abzielten, einheitliche Angebote für eine große Kundenzahl zur Verfügung zu stellen. Nach Einschätzung von Josef Lamprecht, Geschäftsführer des ASP Konsortiums e.V., war dieser Ansatz falsch. Besonders in Europa müsse sich die Software den individuellen Geschäftsprozessen anpassen. Ein und derselbe Vorgang könne in verschiedenen Unternehmen unterschiedlich gehandhabt werden.

Zur gleichen Erkenntnis ist auch das amerikanische Beratungsunternehmen Deloitte Consulting gekommen. Claudia Arango, Senior Manager of Communications, CRM and Wireless, sieht den hohen Customizing-Bedarf, dem das One-to-Many-Modell nicht genügen kann, als ein Kernproblem der ursprünglichen ASP-Idee.

Trotz der Startschwierigkeiten betrachten die meisten Analysten ASP nicht als gescheitert. Bis 2005, so die einhellige Meinung, werden das Modell und der Markt die nötige Reife erreicht haben. Doch das Kernproblem bleibt: "Die Anpassungsfähigkeit an die Prozesse des Kunden ist der Schlüssel, um erfolgreich Applikationen über ASP anzubieten", mahnt die Butler Group in einer Studie vom Herbst 2001.

Ein Weg dazu sind Angebote für vertikale Märkte. Branchensoftware bietet in der Regel bereits 80 Prozent der benötigten Funktionalität. Dadurch reduziert sich der kundenspezifische Anpassungsaufwand.

Bereits jetzt bieten viele Dienstleister branchenspezifische Lösungen an, darunter große Player wie T-Systems. Das Systemhaus stellt verschiedene ASP-Lösungen auf Basis von "SAP Readytowork" bereit, die gezielt für vertikale Märkte entwickelt wurden. Zum Beispiel umfasst das Produkt "Foodsprint" für die Lebensmittelindustrie unter anderem Funktionen wie Versionsverwaltung von Rezepturen oder Chargenrückverfolgung. Eine Lösung für den technischen Handel bietet Merkmale wie Garantieverfolgung über die Seriennummer oder Handel ab Lager mit Halb- und Fertigfabrikaten.

Auch die Thyssen-Krupp-Tochter Triaton, als Systemhaus unter anderem im Bereich Automotive tätig, bietet mittlerweile ihr Produktportfolio - SAP-Module und an die Branche angepasste Lösungen im E-Commerce-Bereich - als Mietsoftware an. Da das Unternehmen bereits seit längerem auch im Outsourcing tätig ist, erweitert die extern gehostete Software hier die Dienstleistungspalette. Nach Ansicht von Dirk Menzenbach, Leiter Product Sales Automotive, sind die Grenzen zwischen ASP und Applikations-Outsourcing ohnehin nur schwer zu definieren.

ASP erweitert Outsourcing-AngebotEine einzelne Anwendung, die Triation für nur einen Kunden hostet, sei noch kein ASP. Das liege erst vor, wenn eine Applikation mehreren Abnehmern zur Verfügung gestellt würde. Bislang war der Erfolg mit ASP-Leistungen geringer als erwartet, gesteht Menzenbach ein. Hoffnung setzt das Unternehmen nun auf ein Web-EDI-(Electronic-Data-Interchange)-Angebot, mit dem Zulieferer der Automobilindustrie ihre eigenen Lieferanten EDI-fähig machen können.

IT-Dienstleister, die sich von jeher auf eine bestimmte Branche konzentrieren, entdecken nun auch das ASP-Modell für ihre Geschäfte. So etwa die Würzburger Salt Logistics AG. Für kleine und mittlere Logistikunternehmen möchte Salt mit dem Produkt "Lets move it. com" die gesamte Prozesskette innerhalb der Logistik als Mietsoftware zur Verfügung stellen (siehe CW 47/01, Seite 36).

Wie Salt Logistics tummeln sich viele kleinere Anbieter im ASP-Umfeld, wobei diese häufig Nischenmärkte abdecken und Detaillösungen für ihre Zielbranche anbieten. Das gilt zum Beispiel für die Datasec GmbH aus Siegen. Das Unternehmen hat sich auf Dokumenten-Management-Systeme (DMS) spezialisiert und möchte unter dem Namen "Doku@Web" branchenangepasste DMS auf Mietbasis vermarkten. Bislang stehen Versionen für die Logistik, für die öffentliche Verwaltung und für das Gesundheitswesen zur Verfügung.

Auf Branchenebene ergeben sich auch ASP-Chancen für Marktteilnehmer, deren Kernkompetenz in anderen Bereichen liegt, wie ASP-Konsortiums-Geschäftsführer Lamprecht bestätigt. Seiner Ansicht nach wird das Anbieten von ASP-Branchenlösungen für Verbände, Genossenschaften oder ähnliche Organisationen interessant sein, da sich mit Mietsoftware ein Mehrwert für die Mitglieder schaffen lässt. "Die Organisationen kennen ihr Metier und haben die Chance, ihre Kundenbindung zu verstärken", erläutert Lamprecht.

Interessant auch für MittelständlerAuch mittelständische Unternehmen, die ihr Kerngeschäft eigentlich anders definiert haben, könnten ASP als neues Betätigungsfeld entdecken. Ein Beispiel dafür ist der britische Musikaliengroßhändler DGC Distributions. Um seine Einzelhändler besser an sich zu binden, hostet das Unternehmen seit vergangenem Jahr ein Retail-Management-System. Für Simon Cohen, Geschäftsführer von DGC Distributions, ist dieses neue Standbein für die Kundenbindung notwendig, da klassische Großhändler immer stärker aus der Distributionskette des Einzelhandels verdrängt würden. Außerdem verspricht sich das Unternehmen von den IT-Services zusätzliche Einnahmen, der Return on Investment soll innerhalb eines Jahres eintreten.

Dass die Zukunft des ASP-Markts künftig in vertikalen Anwendungen liegt, ist in Fachkreisen unbestritten. "Die erfolgreichen ASPs befinden sich fast alle im vertikalen Bereich", so Lamprecht. Vor allem die Suche nach Kunden gestalte sich beim branchenorientierten Ansatz einfacher, da die Anbieter den entsprechenden Wirtschaftszweig meist gut kennen würden.

Schwierige Kernfragen des ASP-Ansatzes bleiben jedoch auch bei vertikalen Angeboten unbeantwortet. Die verfügbare Bandbreite im Internet steht der Übertragung großer Datenvolumina vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen im Weg. Auch ist häufig unsicher, ob Angebot und Anbieter so zuverlässig sind, dass ein Kunde darauf bauen kann.

Einige Fragen bleiben offenOpfer einer ASP-Pleite wurde zum Beispiel das Bauunternehmen E. Heitkamp GmbH aus Herne. Bis vor kurzem bezog die Firma ihr Collaborative-Management-System noch via ASP vom US-Dienstleister Iscraper, wie der Leiter der Abteilung Informationstechnik Frank Raker erläutert. Mittlerweile hat der Provider Konkurs anmelden müssen. Ein Jahr hatte Heitkamp die Lösung genutzt. Laut Raker hätte das System aber ungefähr drei Jahre laufen müssen, um die Investitionen einzuspielen. "Wir fangen wieder bei null an", so der IT-Leiter. Trotzdem wird das Unternehmen dem ASP-Gedanken nicht aufgeben - Verhandlungen mit einem anderen Dienstleister laufen bereits.