Kolumne

"ASP geht in die zweite Runde"

10.10.2003
Christoph Witte Chefredakteur CW

Viele Dinge brauchen länger, um sich zu entwickeln, als die meisten Unternehmer und Marktforscher glauben. Das gilt auch für das so genannte Application-Service-Providing (ASP). Vor rund fünf Jahren kam dieses Thema auf und wurde von Analysten, Industrie und Medien mächtig angeschoben. Die Vorteile dieser Fernversorgung mit Applikationen via Internet lagen ja auch auf der Hand: Geringe Einstandskosten, kein Costumizing, keine Belastung der eigenen IT-Infrastrukur und ein Browser-Frontend, mit dem jeder Anwender umgehen kann. Zwar stellten sich die Nachteile - wie geringe Verfügbarkeit, Sicherheitmängel und fehlende Integration in bestehende Anwendungen - erst nach und nach heraus, sie reichten aber aus, um das Thema bei den Anwendern zunächst floppen zu lassen.

Doch langsam wird ASP - nicht zuletzt durch die On-Demand-Szenarien der großen Hardwarehersteller (HP, IBM, Sun) - wieder salonfähig. Um ihre teilweise noch sehr rudimentären Offerten in Sachen bedarfsgerechter Anlieferung von IT-Ressourcen über reine Infrastrukturangebote wie Netzwerke, CPU-Power und Speicher hinaus interessant zu machen, warten sie nun auch mit gehosteten Applikationen auf.

Das Beispiel von Siebel und IBM (Seite 1) zeigt, wohin die Reise gehen kann: Auf Websphere-Basis neu aufgesetzt, bietet das Softwarehaus eine abgespeckte CRM-Suite als ASP-Lösung an. Hoster ist die IBM, die auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Auf der einen Seite sorgt sie für eine bessere Auslastung ihrer vielen über entsprechende Outsourcing-Deals erworbenen Rechenzentren. Andererseits gibt sie gerade kleineren Kunden einen guten Grund, über E-Business on Demand - IBMs-Variante des bedarfsgerechten Outsourcing - nachzudenken. Für Anwender geht die Rechnung dann auf, wenn solche ASP-Lösungen unter Berücksichtigung aller Kosten billiger und flexibler sind als selbst installierte Applikationen.

Für Siebel stellt sich die Sache nicht ganz so einfach dar. Der CRM-Spezialist muss sein Produkt viel billiger anbieten als im Vollpaket. Klar bekommt der Kunde auch viel weniger als beispielsweise mit Siebels Enterprise-Edition, aber wer braucht diese reichhaltige Funktionalität eigentlich? Glaubt man Beratern und Marktforschern, nutzen Anwender nicht mehr als 20 Prozent der Funktionen solcher Pakete. So bleibt als zentrales Argument für eine Vollversion eigentlich nur die in der Online-Ausführung fehlende Integration in das Backend und damit die Verbindung zu den anderen Applikationen im Unternehmen des Kunden übrig. Die ist zwar eminent wichtig, lässt sich mittelfristig aber sicher auch im ASP-Verfahren herstellen. Stößt das IBM-Angebot auf Gegenliebe, muss Siebel daher mit der Kannibalisierung der eigenen Kundenbasis rechnen. Aber Tom Siebel hat angesichts der ASP-Konkurrenten Salesforce.com und Upshot wohl keine andere Wahl.