Erstmals Urheberrechtsstreit um Programmiersprache:

Ashton-Tate zerrt Konkurrenz vor den Kadi

02.12.1988

MÜNCHEN (CW) - Mit einem neuen Urheberrechtsprozeß erlebt die Welle der Rechtsstreitigkeiten im Bereich der PC-Software zur Zeit einen neuen Höhepunkt. Ashton-Tate will dem Konkurrenzunternehmen Fox Software den Gebrauch der Abfragesprache für das verbreitete Datenbankprogramm Dbase verbieten lassen.

Außerdem sieht der PC-Datenbank-Marktführer seine Benutzeroberfläche von Fox in dessen Dbase-Konkurrenzprodukt Foxbase kopiert. Auch gegen das Unix-Spezialhaus Santa Cruz Operation als Foxbase-Vertreiber erhebt Ashton-Tate Klage. Neben Schadensersatzzahlungen in bisher nicht bekannter Höhe fordert Ashton-Tate von ihrem Rivalen, die besagte Software zurückzuziehen.

Besondere Bedeutung verleiht dem Prozeß der Umstand, daß hier erstmalig eine Programmiersprache urheberrechtlich geschützt werden soll. Falls Ashton-Tate mit seiner Klage Erfolg haben sollte, sehen Fachleute möglicherweise die Offenheit von -Programmiersprachen allgemein in Gefahr.

Offenheit von Sprachen allgemein in Gefahr

Auf den Umstand angesprochen, daß das Corpus delicti bereits seit rund zwei Jahren in dieser Form angeboten wird, fand Ashton-Tate-Chef Ed Esber starke Worte für den Konkurrenten: "Ob sie uns vor zwei Jahren oder erst gestern beraubt haben, bleibt sich doch gleich".

Die Fox Corp. kehrte mittlerweile den Spieß um und bezichtigt nun ihrerseits Ashton-Tate des Diebstahls geistigen Eigentums: Während der - letztlich erfolglosen - Verkaufsverhandlungen zwischen Ashton-Tate und Fox vom vergangenen Jahr habe sein Unternehmen Ashton-Tate Einblick in den Source-Code des gegenüber Dbase wesentlich schnelleren Programms Foxbase gewährt, erklärte Fox-President Dave Fulton. Darüber hinaus hätten seine Entwickler ihren Kollegen von Ashton-Tate ihre Denkansätze offengelegt.

Diese Informationen habe der Mitbewerber in seine neueste Dbase-Version IV einfließen lassen. So entspreche eine Reihe programmtechnischer Details in Dbase IV exakt ihren Gegenstücken in Foxbase. "Wir haben unseren Kimono geöffnet. Wir dachten damals wirklich, wir würden an Ashton-Tate verkaufen", rechtfertigte Fulton die ungewöhnliche Offenheit seiner Entwickler.

Die Angelegenheit steckt voller Ironie: Im vergangenen Jahr hatte Ashton-Tate vergeblich versucht Fox Software aufzukaufen und so den Konkurrenten elegant loszuwerden. Außerdem sagen Fachleute Ashton-Tate selber einen freizügigen Umgang mit dem geistigen Eigentum anderer nach. So soll sich das Softwarehaus bei der Entwicklung seines Textverarbeitungsprogramms Multimate bei einer ähnlichen Software von Wang bedient haben. Die Dbase-Abfragesprache sei im übrigen gar nicht geistiges Eigentum von Ashton-Tate. Sie sei am staatlichen Jet Propulsion aus Steuermitteln entwickelt worden, erklärte der Dbase-Entwickler Wayne Ratliff.

In der Öffentlichkeit hat der Ashton-Coup ein kritisches Echo gefunden. "Wenn ein Unternehmen seine Ressourcen in Rechtsanwälte oder Gerichtsverfahren steckt, werden die Produkte davon auch nicht besser", schimpfte etwa Pat Adams, Schatzmeister der International Dbase User Group. Ein DV-Berater wertete Ashtons Vorgehen als "Selbstmord". Die gesamte Dbase-Welt baue auf die Offenheit der Datenbank. Die New York PC Users Group beschloß, eine Petition an den Software-Streithahn zu richten und das Unternehmen zu einer Einstellung des Verfahrens aufzufordern.

Von der deutschen Ashton-Tate GmbH in Frankfurt war zu dem anhängigen Verfahren bisher keine Stellungnahme zu erhalten.