Dbase IV 1.1 soll im Juli ausgeliefert werden

Ashton-Tate läßt Fachhändler und User die Krise ausbaden

29.06.1990

KÖLN (hv) - Schreck in den Nachmittagsstunden für deutsche Dbase-Fachhändler: Auf einer Großversammlung eröffnet der deutsche Ashton-Tate-Geschäftsführer Wolfgang Schröder seinen Vertriebspartnern, daß der krisengeschüttelte Konzern seine Hotline-Beratung für Endanwender an den Fachhandel abtreten wird.

"Ashton-Tate hält sich ab sofort ganz aus dem Enduser-Geschäft heraus", stellte Schröder die Anwesenden vor vollendete Tatsachen. Noch im letzten Jahr hatten die Dbase-Entwickler ihre Produkte sowohl an Distributoren und Servicehändler als auch an den Fachhandel und an Endverbraucher geliefert. Künftig wird das Unternehmen nur noch Distributoren und Haupthändler versorgen. Von diesen können die Fachhändler und die Endanwender ab sofort ihre Produkte beziehen.

Nicht nur die Vertriebswege, auch die Support-Leistungen werden rationalisiert. "Der Fachhandel soll fortan die Service-Leistungen anbieten. Das muß ja nicht unentgeltlich geschehen", meint Geschäftsführer Schröder. Die Händler könnten sich den Service vom Anwender bezahlen lassen ein Konzept, dem Ashton-Tate möglicherweise selbst folgen wird. "Wir haben die vage Idee, zum Herbst dieses Jahres eine kostenpflichtige Hotline einzurichten. Für 200 Mark pro Stunde können sich Endanwender beraten lassen."

Die Stimmung unter den Ashton-Tate-Händlern ist gereizt: "Wir können unseren Stammkunden nicht plötzlich Geld für Serviceleistungen abnehmen", stellt der Vertriebsbeauftragte Thorsten Pawelczyk von der Mindener Stanelle GmbH klar. Von der in Verruf geratenen PC-Datenbank hat sein Softwarehaus ohnehin genug.

"Wir haben gegen Ashton-Tate wegen der fehlerhaften Dbase-IV-1.0-Version prozessiert. Damals verkauften wir eine Anwendung, die auf diesem Produkt basierte und nicht vernünftig lief. 25 000 Mark haben wir damit in den Sand gesetzt", schimpft der Marketing-Beauftragte. Sein Unternehmen will die Konsequenzen aus der Vergangenheit ziehen und Dbase IV ganz ausmustern.

Einen Versuch, von der Krise um Ashton-Tate abzulenken und den Fachhandel in die Schußlinie zu bringen, registrieren andere Händler. Zwar sei ein branchenweiter Trend zu verzeichnen, daß der Endanwender Dienstleistungen schon bald bezahlen müsse, doch sei daran solange nicht zu denken, wie sich die Händlerschaft nicht geeinigt habe. Da nutzen auch von Ashton-Tate angebotene Hilfestellung, wie Telefon-Support für die Händler, Schulungsprogramme und eine verbesserte Informationspolitik wenig. Wie Pawelczyk hatten auch diese Vertriebspartner Kunden, die ihre Anwendung wegen der Dbase-Mängel zurückgegeben haben. Einer Äußerung Schröders, daß sich von etwa 75 000 Anwendern der Dbase-Version 1.0 nur ein verschwindend geringer Teil beschwerte, wollen diese Händler keinen Glauben schenken.

"Flops haben wir in der Vergangenheit genügend gebaut", gibt denn auch der nach sechsmonatiger "führungsloser Zeit" zur Sanierung angetretene Geschäftsführer zu. Mit der neuen Vertriebs- und Marketing-Konzeption sowie der Neuorientierung im Service- und Dienstleistungsbereich zöge das Unternehmen die Konsequenz aus diesen Fehlern.

Immerhin waren die Dbase-Bugs so schwer, daß in den letzten vier Quartalen keine Gewinne mehr verbucht werden konnten. Chief Executive Officer (CEO) Edward M. Esber hatte nach dem ersten Quartal 1990 kapituliert - die Stelle des CEO ist bis heute unbesetzt. Auch beim deutschen Ableger ist der personelle Verschleiß groß: Wolfgang Schröder leitet das Unternehmen als der fünfte Geschäftsführer in fünf Jahren.

Die so dringend benötigte wirtschaftliche Wende erwarten die Datenbankhersteller von dem neuen Dbase-IV-Release 1.1. "Wenn 1.1 in der von uns versprochenen Qualität auf dem Markt erscheint, dann ist das Thema Dbase durch", hofft Schröder. Letzte Tests sind nach seiner Ansicht in den nächsten Wochen beendet, so daß das Produkt noch im Juli ausgeliefert werden kann. Mit einem genauen Datum halte man sich nach der Panne um das Release 1.0 aber noch solange zurück, bis selbst die theoretische Möglichkeit einer Verspätung nicht mehr bestehe.