Um US-Datenbankproduzenten ranken sich Verkaufsgerüchte

Ashton-Tate: Esber kapituliert vor Verlust und Dbase-IV-Misere

11.05.1990

TORRANCE (IDG/CW) - Angesichts des eingefahrenen Verlustes von einer Million Dollar im ersten Quartal 1990 ist Ashton-Tate-Boß Edward J. Esber Jr. zurückgetreten. Der nach Unternehmensangaben ..aus persönlichen Gründen" erfolgte Schritt des bisherigen Präsidenten und Chief Executive Officers (CEO) sowie die seit vier Quartalen negative Geschäftsentwicklung entfachen Verkaufsgerüchte um Ashton-Tate.

Esber, der das Unternehmen fast sechs Jahre lang führte, glaubt, sein e Entscheidung sei "zum Besten des Unternehmens". Für ihn ist noch kein direkter Nachfolger ernannt worden. Zwar erkor man den bereits zum Aufsichtsrat gehörenden Carnello J. Santoro (48) zum neuen Chairman und hat William Lyons (45) als Präsidenten und Chief Operation Officer vorgeschlagen, aber der Posten des CEOs ist noch nicht wieder besetzt. Lyons zufolge, der vorher Vizepräsident und Leiter der "Applications Group" war, ist sich die Unternehmensleitung noch nicht schlüssig darüber, ob wieder ein "Executive" installiert werde. Sicher ist jedoch, daß Esber dem Aufsichtsrat von Ashton-Tate erhalten bleibt.

Noch kein genauer Termin für Dbase IV Release 1,1

Das Stühlerücken in der Chefetage ist nach Meinung vieler Branchenkenner auf die Unfähigkeit des Unternehmens zurückzuführen, endlich - nach nunmehr 18 Monaten Wartezeit - die fehlerfreie und SQL-unterstützende Dbase-IV-Version 1.1 auszuliefern. Allerdings gab sich der designierte Präsident gegenüber dem "Wall Street Journal" optimistisch und betonte, er wolle mit der Einführung neuer Produkte in "normalen" und "verläßlichen" Versionen die Leistungsfähigkeit seiner Company wieder steigern.

Doch das scheint vor allem auch deshalb schwierig, weil nach Angaben des amerikanischen Börsenblatts wichtige Dbase-Entwickler bereits von der Konkurrenz abgeworben worden sind. Obwohl Esber die immer ungeduldiger werdende Kundschaft mit dem Hinweis vertröstet hatte, das neue Release stehe kurz vor der Auslieferung, scheint das Produkt auch im nächsten Monat nicht verfügbar zu sein. "Im Laufe dieses Jahres" bekommt man zumindest dann zur Antwort, wenn man bei Ashton-Tate Deutschland nach dem Auslieferungstermin fragt.

Das für die große Dbase-Gemeinde äußerst unbefriedigende Verhalten des Herstellers hat auch zu den Umsatzeinbrüchen im vergangenen Jahr geführt. Bei einem Gesamt-Umsatz von 265,3 Millionen Dollar mußte Ashton-Tate im vergangenen Jahr einen Verlust von 28,6 Millionen Dollar hinnehmen. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs kehrte sich der negative Trend weder beim Umsatz noch beim Ertrag um. Beide sackten weiter ab: Vor einem Jahr verdiente Ashton-Tate bei einem Umsatz von 89,8 Millionen noch 11,5 Millionen Dollar. In den ersten drei Monaten des laufenden Geschäftsjahres fuhr der Hersteller bei einem Absatz von 57 Millionen einen Verlust von einer Million Dollar ein.

Analysten zufolge ist es lediglich den erfolgreich verlaufenden Maßnahmen zur Kostenreduktion zu verdanken, daß die roten Zahlen auf eine einstellige Millionensumme begrenzt werden konnten.

In der noch verstreichenden Zeitspanne bis zur Auslieferung der fehlerfreien Dbase-IV-Version sieht Nancy McSharry, PC-Analystin der International Data Corp. (IDC), den Schlüssel für das Überleben von Ashton-Tate: jetzt müssen sie endlich etwas auf den Tisch legen."

Daß die weitere Existenz des Unternehmens keineswegs gesichert ist, belegen auch die aufgetauchten Verkaufsgerüchte. Das "Wall Street Journal" zumindest zitiert dem Unternehmen nahestehende Quellen, die behaupten, Paine Webber, eine große Unternehmensberatung in USA, sei von Ashton-Tate beauftragt worden, Kaufangebote zu prüfen. Obwohl noch keine offizielle Ankündigung erfolgt sei, daß das Unternehmen zum Verkauf stehe, wäre bereits ein Interessent wegen des verlangten Kaufpreises von 300 Millionen Dollar wieder abgesprungen, berichtet das Blatt weiter.

Trotz dieser Summe, die den letzjährigen Umsatz des Datenbankherstellers übersteigt, stellt Ashton-Tate, so McSharry, einen schmackhaften Fisch dar, den zu schlucken sich lohnt: "Wer auch immer Ashton-Tate kauft, kauft damit praktisch den ganzen PC-Datenbank-Markt." Der Marktanteil des Dbase-Herstellers ist allerdings in den letzten drei Jahren von 60 auf 42 Prozent gesunken. Konkurrenten wie Oracle, Borland und Gupta Technologies haben mit ihren Datenbankprodukten den Lack des bislang unumstrittenen Marktführers bereits stark angekratzt.

Besonders Oracle, das seine relationale Datenbank zielstrebig für Rechner verschiedener Leistungsklassen geöffnet hat und Anwendern heute eine einzige Datenbank für Mainframes, Minis und PCs bieten kann, liegt sehr gut im Rennen.