Software - Hersteller leben in getrennten Welten

AS/400: Kein Rechner für IBMs SAA - Konzept

01.07.1988

MÜNCHEN (dow) - Geteilt ist die Meinung von Software -Herstellern über den neuen IBM - Mittelklasse - Rechner AS/400. Der Tenor der Kommentare reicht von Begeisterung - besonders bei Entwicklern für das System /38 - bis zu abwartender Skepsis bei Anhängern der 370 - Architektur. Einig ist man sich bei den Softwerkern lediglich darüber, daß der neue Rechner in die Funktion eines Universalrechners, so wie es die Werbung vorgibt, erst noch hineinwachsen muß.

In den nächsten Jahren müssen sich die IBM - Kunden für den Bereich der mittleren Datentechnik weiterhin mit der Existenz zweier grundverschiedener Architekturen abfinden. Daran wird nach Ansicht von Fachleuten auch das System AS/400 nichts ändern. "Ein einziges Angebot für den stark differenzierten Markt der mittleren Datentechnik genügt heute nicht", rechtfertigt Peter Scholtes, Leiter Produkt Marketing Mittlere Systeme bei IBM, die Strategie seines Unternehmens.

Konkurrent für das überwiegend als Abteilungsrechner eingesetzte System 9370 wird der neue Rechner nicht sein. "Die 9370 ist für uns als Abteilungsrechner innerhalb eines Konzeptes der 370er - Architektur interessanter, zumal für den neuen Rechner noch keine entsprechende Software am Markt ist, urteilt Henner Hart, Marketingleiter bei Ikoss, Stuttgart. Wilfried Carl, Distriktleiter für den Bereich Süd beim Leasingunternehmen Comdisco, meint sogar, daß es, "wenn man die Softwareproblematik untersucht, gar keine Möglichkeiten gibt, die beiden Rechnertypen der /370 und /3x - Architektur zu koppeln." Die System - Anwendungs - Architektur (SAA) als Konzept, mit dem die IBM in den nächsten Jahren eine Brücke zwischen den Welten der 370er - und der /3x - Architektur schlagen will, ist ihm zu theoretisch: "Noch ist überhaupt nicht klar, wie SAA wirklich laufen soll."

Mit ihrer Strategie, mehrere Rechnerarchitekturen im Midrange - Bereich anzubieten, bekräftigt die IBM die Trennung der Großrechnerwelt von der mittleren Datentechnik, stellt Carl fest. Seiner Meinung nach verfüge das System AS/400 nicht über die Optionen, problemlos mit der MVS - Welt kommunizieren zu können. Anwender, die ihre DV zentral organisieren, sind - das rät auch IBM-Mann Scholtes - heute noch besser mit einer 9370 bedient als mit der AS/400. Typische Anwender für den neuen Rechner kommen für ihn aus unabhängigen Unternehmensbereichen und aus dem Mittelstand. Besonders dort vermutet der IBM-Geschäftsführer Bernhard Dorn "ein explosives Wachstumspotential". Die DV - Durchdringung der großen Mittelstandsbetriebe beträgt nach Schätzungen des Marktforschungsinstitutes Diebold derzeit etwa 70 Prozent. Der Markt für Großrechner - und da ist die IBM mit Rechnern der /370 Architektur unangefochtener Marktführer - ist hingegen weitgehend gesättigt. Expansion ist also nur noch möglich im Geschäft mit der mittleren Datentechnik, das die IBM jahrelang kleineren Herstellern wie Nixdorf, Kienzle und Philips überlassen hatte.

Das soll künftig anders werden: Mit dem neuen Rechner AS/400 will die IBM auch Kunden ansprechen, "die mit den Rechnern der Mitbewerber nicht mehr zufrieden sind", formuliert Scholtes die Ambitionen der IBM. Marktführer auf dem bundesrepublikanischen Markt für kleine und mittlere Systeme ist nach Diebold bei einem Bestandswert von insgesamt 18,3 Milliarden Mark die Nixdorf Computer AG. Der Paderborner Hersteller hat einen Marktanteil von 18,2 Prozent, gefolgt von Mannesmann Kienzle mit 10,4 Prozent und Philips mit 10,2 Prozent. Die IBM steht laut einer im März veröffentlichten Diebold -Studie mit 9,1 Prozent auf der vierten Position, gefolgt von Olivetti mit 6 Prozent. Nach Schätzungen der Frankfurter Marktforscher sind derzeit in Deutschland rund 2000 Systeme /38 und fast 10 000 Systeme /36 installiert.

Vom angestrebten Wachstum der IBM wollen auch die Softwarehäuser profitieren, die sich mit Programmen für die Systeme /36 und /38 einen festen Kundenstamm im Mittelstand geschaffen haben. Franz - Ludwig Solzbacher, Vorstand der Soba Software AG, Köln, rechnet im kommenden Jahr mit Zuwachsraten bis zu 30 Prozent. Die AS/400 beschreibt der Entwickler als einen Rechner, der nach und nach die 4300 - Systeme vom Markt verdrängen werde. Solzbacher, dessen Unternehmen überwiegend Software für die Systeme /38 entwickelt, sieht den neuen Rechner als "strategisches Produkt, das zu einer Bereinigung im Midrange -Bereich beiträgt'. Übrig blieben die Rechner der 370-Architektur und die AS/400 als Nachfolger der Systeme /36 und /38.

Während die Anwender des Systems /38 ihre Anwendungen und Programme ohne Schwierigkeiten auf den neuen Rechner portieren könnten, müßten die Anwender des Systems /36 jedoch mit Performance - Verlusten bis zu 30 Prozent rechnen, meint Solzbacher. Kritisch sieht auch Jürgen Lenz, Geschäftsführer der OSE GmbH, Rellingen, den von der IBM versprochenen Softwareschutz: Zwar könne der System /36 - Kunde seine Anwendungen auf die AS/400 übertragen, müsse aber einen dreimal höheren Speicherbedarf in Kauf nehmen. "Den Nutzen des neuen Systems haben die Anwender nur bei Neuentwicklungen, oder wenn sie ihre alten Programme vollig umschreiben."

Nach Alternativen für System/36 - Anwender, deren Kapazitäten nicht mehr reichten, sucht Walter Jenauer, Geschäftsführer der GAD Gesellschaft für angewandte Datenverarbeitung in Lohmar. Vor einem Wechsel auf die AS/400 rät er seinen Kunden, sich erst um Erweiterungen des alten Systems zu bemühen. Das System AS/400 ist seiner Meinung nach nur für mittelständische Unternehmen geeignet, die mehr als 15 DV - Arbeitsplätze benötigten und innerhalb der IBM - Welt umsteigen wollten. Im Gegensatz zu vielen Kollegen hat er sich nicht völlig der IBM verschrieben und bietet auch Produkte unter Unix an.

Besonders bei mittelständischen Einsteigern in die DV - Welt sieht er eine starke Konkurrenz zwischen dem von der IBM auch künftig angebotenen kleinsten Rechner der /36 - Systeme und Unix - Maschinen. "Langfristig werden sogar", so die Prognose von Lenz, "Unix-Rechner das Rennen machen. Spätestens dann, wenn dafür genügend kommerzielle Anwendungen am Markt sind, muß sich die IBM etwas Neues einfallen lassen."