Arthur D. Little: Mehr Wettbewerbsbewusstsein in den USA Die europaeische TK-Industrie ist nicht fit fuer die 90er Jahre

27.05.1994

BERLIN (CW) - Europas TK-Branche scheint ihren Ruf der Schlafmuetzigkeit im Vergleich zu den USA in Sachen Liberalisierung, Globalisierung sowie neue Maerkte zu bestaetigen. Zu diesem Ergebnis kommt das internationale Beratungsunternehmen Arthur D. Little in einer Umfrage unter europaeischen und amerikanischen Fuehrungskraeften der einschlaegigen Industrien.

Die Themenauswahl der Untersuchung (befragt wurden rund 80 Top- Manager aus den Vorstandsetagen von Netzbetreibern, Zulieferern und Service-Providern) orientierte sich nach Angaben von Arthur D. Little an den Problemkreisen Maerkte und Services, operatives Geschaeft sowie regulatives Umfeld. Bei einem Vergleich der europaeischen mit den amerikanischen Ergebnissen zeigt sich deutlich der unterschiedliche Reifegrad beider Industrien. Selbst innerhalb Europas reflektiere eine differenzierte Betrachtung der Einzelergebnisse, wie heterogen der europaeische Markt immer noch ist.

Hauptsaechliches Handicap des Alten Kontinentes sei, so Arthur D. Little, die Tatsache, dass in Europa der Eroberung neuer lukrativer Maerkte trotz entsprechend guenstiger Voraussetzungen nicht genuegend Beachtung geschenkt werde, waehrend in den USA bei rund 70 Prozent der dort Befragten dieses Thema oberste Prioritaet geniesse. Besonders deutlich werde dies in Zentral- und Osteuropa, wo die Amerikaner immer mit in vorderster Front dabei seien. Letzteres gelte vor allem auch fuer den Bereich Multimedia, wo die Entwicklung in Nordamerika von einer Vielzahl strategischer Allianzen und Partnerschaften gepraegt sei. Einzige europaeische Ausnahme bilde Grossbritannien. Dort investiere man aufgrund der bereits fortgeschrittenen Liberalisierung vorrangig in die Erschliessung neuer internationaler Maerkte.

Auch das Thema Globalisierung wurde der Untersuchung zufolge sehr unterschiedlich bewertet. Waehrend es fuer europaeische Unternehmen nahezu die gleiche Bedeutung hat wie die Schaffung neuer Maerkte, misst die amerikanische TK-Branche diesem Aspekt die geringste Bedeutung zu - weil, so der Tenor der Studie, die globale Ausweitung von Aktivitaeten bereits fester Bestandteil der Geschaeftsstrategie amerikanischer Unternehmen sei. Aehnliche Auffassungsunterschiede konnten auch in puncto Erweiterung des Serviceangebotes ermittelt werden. So geniesse die Einfuehrung neuer Dienste in den USA einen weitaus hoeheren Stellenwert, obwohl dort im Diensteportfolio bereits ein erheblicher Vorsprung gegenueber Europa bestehe.

Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich allerdings, wie die Experten von Arthur D. Little betonen, bei der Bewertung des sogenannten Investoren-Managements. Waehrend sich die Unternehmen im staerker deregulierten US-Markt der Bedeutung einer aktiven Investorenwerbung bewusst seien, werde dieses Thema in Europa nach wie vor stark unterschaetzt. Sowohl die anstehende Privatisierung grosser Netzbetreiber als auch die Erschliessung neuer Maerkte wie Multimedia erforderten aber gewaltige Investitionen; die hierfuer notwendigen Mittel muessten auch und gerade von privaten Anlegern beschafft werden. Die erzielbaren Boersenkurse richteten sich aber vor allem auch nach dem der Oeffentlichkeit vermittelten Unternehmensimage - ein Bereich, in dem die europaeische TK- Industrie nach Auffassung von Arthur D. Little noch viel von der Konkurrenz in Uebersee dazulernen koenne.

Insgesamt sei, wie die Autoren der Studie bilanzieren, festzustellen, dass eine Reihe wichtiger Themen der neunziger Jahre innerhalb der europaeischen TK-Branche eine zu geringe Beachtung erfaehrt. Dies dokumentiere sich vor allem dadurch, dass amerikanische Unternehmen vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierung ein staerkeres Wettbewerbsbewusstsein als viele ihrer europaeischen Konkurrenten an den Tag legen. Europa muesse daher, so das Fazit von Arthur D. Little, die Herausforderungen der neunziger Jahre erkennen und staerker in konkrete Strategien und Massnahmen umsetzen.