Peoplesoft und J.D. Edwards wehren sich mit allen Mitteln

"Arrogant, gesetzeswidrig, zerstörerisch"

20.06.2003
MÜNCHEN (CW) - Der Softwaremarkt ist in Aufruhr, seit Peoplesoft bekanntgab, J.D. Edwards (JDE) kaufen zu wollen und Oracle wenige Tage später sein feindliches Übernahmeangebot für Peoplesoft meldete. Branchenexperten sind der Ansicht, Oracles Schachzug sorge für Unruhe am Markt und spiele dem Erzrivalen SAP in die Hände.

Zunächst hatten Peoplesoft und JDE am 2. Juni 2003 die Vereinbarung über den geplanten Firmenzusammenschluss bekannt gegeben. Insgesamt 1,75 Milliarden Dollar will Peoplesoft aufbringen. Zunächst sollte der Deal zu 100 Prozent im Rahmen eines Aktientauschs erfolgen, inzwischen ist Peoplesoft aber bereit, die Hälfte in bar zu bezahlen. JDE soll als Peoplesoft-Tochter weiter existieren. Die JDE-Aktionäre würden nach diesen Vorstellungen 25 Prozent des Kapitals der verbundenen Unternehmen halten. Die Fusion soll, so die weiteren Planungen, nach Abschluss der Aktionärsentscheidungen und staatlicher Überprüfungen, Ende des dritten oder Anfang des vierten Quartals 2003 vollzogen sein. Das erste konsolidierte Geschäftsergebnis der beiden Firmen würde Peoplesoft dann 2004 melden können.

Nur vier Tage, nachdem Peoplesoft und JDE die Absicht ihres Zusammenschlusses bekundeten, lancierte Oracle sein feindliches Übernahmeangebot für Peoplesoft. Für 5,1 Milliarden Dollar in bar wolle man den Human-Resource-(HR-)- und Customer-Relationship-Management-(CRM-)Spezialisten aus Pleasanton, Kalifornien, übernehmen. Als Finanzpartner für den Deal hatte sich Oracle die Credit Suisse First Boston LLC ausgesucht. Unklar bleibt, ob die Offerte auch JDE einschließen würde. Oracles Vice President Charles Phillips sagte allerdings, man sei an dem Anbieter von Unternehmensanwendungen insbesondere für den mittelständischen Bereich und für Produktionsbetriebe nicht interessiert. Wenig später allerdings hieß es wieder, eine Entscheidung sei in dieser Angelegenheit noch nicht gefallen.

Peoplesofts Vorstandsvorsitzender Craig Conway, der acht Jahre unter Oracle-Chef Ellison gearbeitet hatte, bezeichnete den feindlichen Übernahmeversuch sofort als "teuflisch". Nicht überraschend lehnte denn auch der Verwaltungsrat (Board of Directors) des Unternehmens Ende vergangener Woche die Offerte einstimmig ab.

Die Manager begründeten den Korb an Ellison damit, dass der angebotene Kaufpreis von 5,1 Milliarden Dollar in bar "den Wert des Unternehmens dramatisch unterschätzt". Zudem müsse man davon ausgehen, dass eine Übernahme Peoplesofts durch Oracle kartellrechtliche Probleme berge - eine Ansicht, die allerdings nicht von allen Rechtsexperten geteilt wird.

Die Aussage Oracles, man werde Teile der Peoplesoft-Software in Oracles E-Business-Suite integrieren, ansonsten aber nur noch Support für Peoplesoft-Anwendungen leisten, verunsichere die Kundenbasis und schrecke Interessenten ab.

Vor allem aber sieht das Peoplesoft-Board in der Übernahmeofferte den Versuch Oracles, den geplanten Firmenzusammenschluss von Peoplesoft und JDE zu torpedieren. Diesen Merger hatte Ellison in gewohnt laxer Art gegeißelt: Wenn ein Unternehmen, dessen Geschäft mit neuen Lizenzen um 39 Prozent eingebrochen sei (Peoplesoft), mit einem Konzern, der Geld verliert (JDE), zusammengehen wolle, sei das für die Aktieninhaber der beiden Firmen "ein sehr riskantes Angebot".

Das Argument, Oracle wolle bewusst Unsicherheit und Ängste unter der Klientel von Peoplesoft und JDE wecken, ist nicht von der Hand zu weisen. Sofort nach dem feindlichen Übernahmeangebot rieten die Unternehmensberater von Gartner ihren eigenen Kunden (die sich vornehmlich aus Großkonzernen rekrutieren) davon ab, in der nächsten Zeit in Peoplesoft- und JDE-Software zu investieren. Bis klar ist, wohin das Pendel ausschlage, sollten Kunden weder Produkte der beiden Firmen kaufen, noch Serviceverträge mit ihnen abschließen, empfahl Gartner.

Eine gezielte Verunsicherung potenzieller Kunden könnte natürlich von Oracle-Boss Ellison geplant sein: Stagnieren wegen der unsicheren Situation die Umsätze und Gewinne von Peoplesoft im laufenden Quartal (Ende: 30. Juni), wird der Kurs der Aktie weiter fallen. Das wiederum würde die Anteilseigner verunsichern und die Übernahmeofferte von Oracle günstiger aussehen lassen: Bleibt es bei den 16 Dollar pro Anteil, wie von Oracle angeboten, würde sich so das bislang geringe Premium, also der bei einer Übernahme zu erzielende Zugewinn im Vergleich zum aktuellen Aktienkurs, für die Peoplesoft-Aktionäre erhöhen.

Allerdings hat sich der Wert der Peoplesoft-Aktie seit der Übernahmekontroverse positiv entwickelt. Er lag bei Redaktionsschluss bei 16,92 Dollar. Das Oracle-Angebot von 16 Dollar ist für Peoplesoft-Anteilseigner also derzeit uninteressant.

Überhaupt müsste Oracle im Falle einer erfolgreichen Übernahme viel weniger als die errechneten 5,1 Milliarden Dollar zahlen. Allein die Barreserven von Peoplesoft in Höhe von rund zwei Milliarden Dollar würden den Kaufpreis erheblich senken.

Wie verbrannt die Erde zwischen den drei beteiligten Firmen schon ist, zeigt die Tatsache, dass JDE umgehend zwei Klagen gegen Oracle eingereicht hat: In Colorado geht das Unternehmen gerichtlich gegen die Datenbankfirma vor, weil Oracle den Firmenzusammenschluss von Peoplesoft und JDE durch sein feindliches Übernahmeangebot sabotiere. Oracle soll - so der Klagetenor - 1,7 Milliarden Dollar Schadensersatz an JDE zahlen.

Eine Klage mit gleicher Stoßrichtung hat nun auch Peoplesoft gegen Oracle eingereicht. Auch hier soll mittels einer einstweiligen Verfügung erreicht werden, dass Ellison sein feindliches Übernahmescharmützel beendet. Oracles Schachzug sei lediglich ein Scheinangebot zur Übernahme mit dem einzigen Ziel, Peoplesofts Geschäftsbasis zu zerstören. Die wahre Absicht sei es, Peoplesofts Produkte ebenso wie die Serviceleistungen schlecht zu machen. Letztendlich solle die Fusion mit JDE torpediert werden.

JDE zieht in Kalifornien sogar direkt gegen Ellison und Phillips zu Felde. Die beiden Manager verfolgten unfaire Geschäftspraktiken, lautet hier der Anwurf. Ziel dieses Gerichtsgangs soll es sein, Oracle per einstweiliger Verfügung daran zu hindern, Peoplesoft zu übernehmen. Kleiner pikanter Aspekt am Rande: Phillips gehört erst seit vergangenem Monat zum Management von Oracle. Er wechselte von der Investment-Bank Morgan Stanley - diese berät Peoplesoft bei der Übernahme von JDE - zu Oracle.

"Riskantes Unternehmen"

So deutlich Ellison den Merger zwischen Peoplesoft und JDE als "riskantes Unternehmen" für die Aktieninhaber der beiden Firmen kritisierte, so wenig hielt sich der Chef von JDE, Bob Dutkowsky, in seiner Analyse des Oracle-Verhaltens zurück. Oracles "ungebetenes Kaufangebot für Peoplesoft bewirkt lediglich eines: Es mindert den Wert unserer Unternehmen und schadet damit unseren Aktionären, unseren Kunden und unseren Angestellten sowie darüber hinaus auch der gesamten Technologiegemeinschaft." JDE werde jedenfalls nicht untätig herumsitzen und zusehen, wie Oracle seinen "arroganten, gesetzeswidrigen und zerstörerischen Kurs" verfolge.

Was aus Sicht des Betroffenen eine nachvollziehbare Argumentation scheint, wird auch von dritter Seite ähnlich gesehen. Die Einschätzung der Unternehmensberater von Forrester Research geht in die gleiche Richtung. Die Aussage von Analystin Laurie Orlov ist dabei eindeutig: "Wenn diese feindliche Übernahme Erfolg haben sollte, dann werden die Kunden die Verlierer sein."

Orlov argumentiert, Ellison habe ganz klar ausgedrückt, dass eine Peoplesoft-Übernahme dazu diene, für Oracles E-Business-Suite eine neue Kundenbasis zu gewinnen. Ellison habe auch deutlich gesagt, er werde Peoplesofts Top-Entwickler mit der Aufgabe betrauen, Migrationswerkzeuge zu schreiben sowie Peoplesoft-Anwendungsfeatures in die E-Business-Suite zu integrieren. Diese Absichtserklärung quittierte Orlov trocken mit der Prognose, wahrscheinlicher werde sein, dass die Peoplesoft-Entwickler und -Kunden solch einen "entsetzlichen", "albtraumhaften" Migrationsprozess vermeiden werden.

Orlov sagt weiter, die Lizenzumsätze seien im Markt für Unternehmensanwendungen (Enterprise Application) gefallen. Deshalb hätten sich alle Softwareanbieter an Wartungs- und Service-Umsätzen gütlich getan. Peoplesoft-Kunden, so die Forrester-Expertin, müssten diesbezüglich ohnehin schon sehr hohe Preise zahlen. Bei einer erfolgreichen Übernahme durch Oracle sei zu befürchten, dass Kunden mit ihren Wartungs- und Servicezahlungen künftig Oracles Forschungs- und Entwicklungsausgaben für die Migration von Peoplesoft-Anwendungen auf die Oracle-Plattform finanzieren müssten. Bei der geringen Zahl an ERP-Anbietern bliebe Peoplesoft-Kunden kaum eine Alternative, als mit über kurz oder lang erhöhten Wartungskosten Oracles Aufwendungen für die Übernahme zu alimentieren.

Lachender Dritter: SAP

Als lachender Dritter in der gerade erst begonnenen Übernahmeschlacht darf sich SAP sehen. Die jetzt aufkommende Unsicherheit am Markt und bei den Kunden über die Zukunft von Peoplesoft und JDE dient den Walldorfern.

Im überschaubaren Feld der Enterprise-Applications-Anbieter ist ohnehin genug Diskussionsstoff: Siebels Umsätze mit Software sind innerhalb von zwei Jahren von rund 1,1 Milliarden Dollar auf etwa 700 Millionen Dollar abgestürzt. Und auch die Einnahmen mit Service und Wartung fielen schon zum Jahr 2001 und im vergangenen Jahr deutlich.

Baan wurde von der Mutter Invensys abgestoßen und soll nun gemeinsam mit SSA auf Kundenjagd gehen (siehe CW 23/03, Seite 4 und CW 24/03, Seite 10). Auch Baan hatte zuletzt heftige Umsatzeinbußen zu erleiden.

SAP sitzt bereits in den Startlöchern, um die Kundenbasis von Peoplesoft und JDE für ihre Produkte zu erwärmen. Mit einer weltweiten Kampagne in großen Tageszeitungen wirbt der deutsche Softwarekonzern mit Sonderangeboten und dem Versprechen, eine Migration auf die SAP-Plattform werde "schmerzfrei" sein.

Ein wenig Erfahrung, Kunden auf die eigenen Produkte zu ziehen, hat SAP bereits. Als Invensys im Jahr 2000 den Verkauf von Baan ankündigte, warb das deutsche Softwarehaus mit einer ähnlichen Werbekam-pagne rund 40 Baan-Kunden ab.

Jan-Bernd Meyer, jbmeyer@computerwoche.de