Nachfrage nach Marktplätzen nahe null

Ariba muss den Kauf von Agile absagen

06.04.2001
MÜNCHEN (CW) - Der B-to-B-Softwareanbieter Ariba hat vor einem desaströsen Quartalsergebnis gewarnt. Statt der erwarteten Gewinne gibt es Verluste, der Umsatz ist rückläufig, und zu allem Überfluss ist die Übernahme des Softwarehauses Agile geplatzt. Mit Ariba steht nun auch das Geschäftsmodell der elektronischen Marktplätze in Frage.

Die Idee hatte zweifellos Charme: Künftig sollen Unternehmen nicht nur ihre indirekten Güter günstig auf elektronischen Marktplätzen kaufen, sondern auch die produktionsrelevanten Waren. Ermöglicht werden sollte dies durch die Integration der dafür benötigten Software, im Idealfall gleich bei einem einzelnen Anbieter. Das vermeintlich unschlagbare Lockmittel: Anwender würden massiv Kosten einsparen.

Kosten sparen muss nun jedoch erst einmal Ariba, einer der letzten Überflieger aus der B-to-B-Softwarebranche, der im Dezember-Quartal immerhin einen Nettogewinn von 14 Millionen Dollar ausweisen konnte. Die Firma gab am vergangenen Montag jedoch eine Gewinnwarnung heraus, die auf eine negative Entwicklung des gesamten Segments schließen lässt. Statt der erwarteten Umsätze von 180 Millionen Dollar im zweiten Quartal des Fiskaljahres 2001 (Ende: 31. März) gehen die Kalifornier nun davon aus, lediglich 90 Millionen Dollar einnehmen zu können. Als Folge davon müssen sich etwa 700 Mitarbeiter des Unternehmens einen neuen Job suchen - rund ein Drittel der Belegschaft.

Schlimmer noch: Statt der fünf Cent Gewinn pro Aktie, die von Wallstreet-Analysten prognostiziert worden waren, beläuft sich das voraussichtliche Ergebnis auf ein Minus von 20 Cent je Anteilschein. Zwar hätten sich durchwachsene Zahlen für den März abgezeichnet, so Aribas CEO Keith Krach, aber "wir waren selbst von der Dimension des Einbruchs überrascht". Letzterer wurde im nachbörslichen Handel von enttäuschten Investoren fortgesetzt, die Ariba-Aktie fiel um knapp 20 Prozent. Im letzten Herbst stand der Kurs noch auf über 170 Dollar, nun ist die Company bei rund fünf Dollar pro Anteilschein angekommen.

Die Kursentwicklung sorgte nicht zuletzt dafür, dass am Montag die geplante Übernahme der Softwarefirma Agile abgeblasen wurde. Ende Januar hatten sich die Unternehmen auf den Deal geeinigt, rund 2,5 Milliarden Dollar betrug das Volumen. Man habe sich nun in gegenseitigem Einvernehmen anders entschieden, so die offizielle Verlautbarung. Allerdings war die Akquisition Anfang der Woche vor Bekanntgabe der schlechten Erwartungen auch nur noch rund 400 Millionen Dollar wert.

Für Ariba kann der geplatzte Deal weit reichende Folgen haben. Das Unternehmen hatte die Agile-Software für Collaborative Commerce als Eckpfeiler des eigenen "Value-Chain-Management"-Portfolios fest eingeplant und beworben. Mit den Tools sollte der Konkurrent und ehemalige Partner i2 Technologies attackiert werden, der eine ähnliche Integrationsstrategie verfolgt. i2 stammt ursprünglich aus dem Bereich Supply-Chain-Management (SCM), übernahm jedoch unlängst den E-Procurement-Anbieter Rightworks, um ein vergleichbares B-to-B-Programmpaket zu schnüren.

Die Gründe für das vernichtende Quartalsergebnis von Ariba sollen - wie seit einigen Wochen von betroffenen CEOs und Finanzvorständen immer wieder zu hören ist - in der konjunkturellen Talfahrt der USA liegen. Unternehmen haben sich anscheinend die Taschen zugenäht und prüfen jede IT-Investition mehrmals auf höchster Management-Ebene. Daher verlängern sich die Vertriebszyklen, und Projekte verschieben sich in das nächste Quartal. Laut Krach haben sich zwar viele Kunden für Ariba-Tools entschieden, aber die Vertragsunterschriften ständen häufig noch aus.

Die inoffizielle Begründung wurde von Aribas Finanzvorstand Robert Calderoni nachgereicht: Die Nachfrage nach Software zum Aufbau elektronischer Marktplätze sei in diesem Jahr verschwunden. "Das Marktplatz-Geschäft hat sich komplett gedreht", so Calderoni, es sei nahe bei null. Zudem fließen die Transaktionsgebühren nicht wie erhofft. Zwar gibt es inzwischen E-Marktplätze wie Sand am Meer, nur scheint niemand auf ihnen zu handeln.

Eine kurzfristige Aussicht auf Besserung bestehe laut Calderoni nicht, denn neben dem Nachfragerückgang in den USA spüre man inzwischen auch ähnliche Tendenzen in Europa. Mit anderen Worten: Einer der Protagonisten der Internet-Marktplätze gibt zu, dass das Geschäft faktisch zum Erliegen gekommen ist. Wie Ariba künftig an bessere Zeiten anknüpfen und wieder Geld verdienen will, ist unklar. Beobachter rechnen damit, dass sich die Firma und direkte Konkurrenten wie Commerce One schwer tun werden, im B-to-B-Bereich isoliert zu überleben.