Argwoehnische Busenfreunde

04.03.1994

Wir leben in Zeiten, in denen der deutschen Industrie gern ein Innovationsdefizit vorgeworfen wird. Oft zu Recht! Um so bitterer, wenn dann eine hierzulande entwickelte ISDN-Schnittstelle - national wie international anerkannt - TK-politischen Winkelzuegen zum Opfer zu fallen droht.

Die Rede ist vom Common Application Programming Interface - CAPI. Der Philosophie wegen, naemlich dem Anwender freie Wahl zwischen ISDN-Controllern und -Applikationen zu geben, haben das CAPI und seine deutschen Entwickler ueber die Grenzen Deutschlands hinaus viel Lob geerntet. Alle bedeutenden TK-Hersteller, ja, sogar DV- Groessen wie Novell und Microsoft, realisieren diese Schnittstelle bereits in ihren Produkten. Was laege also naeher, als sie in den Rang eines einheitlichen europaeischen ETSI-Standards zu erheben.

Weit gefehlt! Weil es insbesondere dem politisch verordneten Busenfreund France Telecom nicht gefaellt, droht die minderwertige ISDN-Schnittstelle PCI das Rennen zu machen. Der Grund: Die Franzosen protegieren ihre Hersteller und befuerchten einen Wettbewerbsvorsprung der Deutschen. Richtig ist andererseits aber auch, dass sich das CAPI-Lager samt Telekom bereits in seinem Glanz sonnte, waehrenddessen man bei der Standardisierung ueber den Tisch gezogen wurde. Der in der Normierung erprobten Telekom haette das nicht passieren duerfen!

Mit der deutsch-franzoesischen (TK)-Freundschaft kann es jedenfalls nicht so weit her sein, wie man uns gern weismachen moechte. Welche Aussichten wird denn das beschlossene Joint-venture der beiden TK- Riesen haben, wenn die beiden Partner schon bei einer ISDN- Schnittstelle argwoehnen und keinen gemeinsamen Nenner finden? Es ist fuenf vor zwoelf, Herr Ricke und Herr Roulet!