Arbeitspsychologisches Konzept für die Einführung von EDV:Mitsprache bringt Motivation

14.09.1979

Das Auftreten von mehr oder minder gravierenden "Abwehr-Reaktionen" beim Aufbau einer EDV-gestützten Organisationsstruktur wird immer noch unnötigerweise häufig als unvermeidlicher Reibungsverlust hingekommen. Wenn man sich jedoch bewußt macht, daß fast alle auftauchenden Akzeptanz-Probleme entweder aus mangelhafter Vorbereitung (Überrumplung) oder aus einer zwar vorhandenen, aber doch korrigierbaren Unkenntnis resultieren, dann ist der erste Schritt zur reibungslosen und damit erfolgreichen und für alle befriedigenden Einführung eines zeitgemäßen Kommunikationssystem getan.

Abbau von Vorurteilen und Ängsten

Mit der Mitteilung: " Wir installieren eine EDV-Anlage ", werden bei allen Beteiligten persönliche Erwartungen geweckt. Diese Erwartungen sind auf ein realistisches Maß zu reduzieren.

Welche positiven Erwartungen sind erkennbar?

Arbeitsentlastung von Anfang an;

Grundlegende Änderung aller (negativen) Organisationsstrukturen;

Unbegrenzte Informationsmöglichkeiten.

Zum sinnvollen Abbau dieser zu positiven Erwartungsmuster gehört unbedingt die faire Information über eine in der Analysephase und beim Dateienaufbau ansteigende physische und psychische Arbeitsbelastung für jeden Einzelnen. Darüber hinaus ist es zumeist wenig sinnvoll, alle vorhandenen Organisationsstrukturen zu ändern. Mit Ausnahme von absoluten Fehl-Organisationsformen ist es einfacher und sinnvoller die EDV-Organisation an die Gegebenheiten anzupassen als umgekehrt.

Wenn nun noch den Beteiligten die Erkenntnis vermittelt wird, daß die EDV-Organisation nur den Informationsgehalt verarbeiten und zurückgeben kann der ihr zuvor eingegeben wurde, so kann der Fehler einer zu hohen, positiven Erwartung mit fast schon programmierter Enttäuschung vermieden werden.

Welche negativen Erwartungen und Ängste sind erkennbar?

Tohuwabohu während der Installationszeit;

Angst vor Arbeitsplatz-Verlust;

Angst vor der Transparenz der eigenen Leistung;

Angst vor der Technik;

Angst vor der Abwertung der eigenen Tätigkeit;

"Big-Brother-Angst" .

Diese Erwartungen müssen unbedingt noch vor Beginn der Analyse-Phase abgebaut sein, damit auf allen Ebenen so früh wie möglich eine hohe Kooperationsbereitschaft vorausgesetzt werden kann.

All diese Erwartungen und Ängste resultieren aus Unkenntnis der Zusammenhänge. Ein ausreichender Kenntnisstand und eine positive Grundeinstellung wird durch die motivierende Heranführung an die Problemkreise erreicht.

Oft erweist es sich als sinnvoll, zunächst spielerisch die "Menschenabhängigkeit" des Computers zu demonstrieren.

Wenn nun noch das Verstehen und Mitdenken während der Analysephase die beruhigende Gewißheit vermiedener Unordnung während der Implementierung erzeugt und zum Beispiel die Teilnahme an einem Kurz-Seminar in die Grundlagen der Systemanalyse und Programmierung dafür sorgt, daß jeder einzelne Mitarbeiter Verständnis für die Belange der Programmierung zeigt und keine Hexerei in der EDV sieht, sind fast schon alle vordergründigen Ängste und Widerstände verschwunden.

Trotz alledem ist gelegentlich zu beobachten, daß nun immer noch einzelne Mitarbeiter von ihrer negativen Grundeinstellung nicht abzubringen sind. Diese Mitarbeiter gilt es dann in Einzelgesprächen zu motivieren und die noch vorhandenen Ressentiments durch behutsame, gezielte "Therapie" abzubauen.

Sorgfältige Ist-Analyse und

Bedarfsrechnung

In intensiven Einzel- und Gruppengesprächen ist mit den Beteiligten der Ist-Zustand zu definieren und ein Forderungskatalog zu entwickeln. Nach diesen Gesprächen sollte das Ergebnis im Rahmen von Arbeitsgruppen relativiert werden. Ist damit eine Forderungsmatrix erstellt, die allgemein anerkannt wird, sollte man prüfen, ob mit vorhandenen oder neu zu schaffenden Organisationsstrukturen eine Lösung erwartet werden kann.

Sofern kein Stellen- und Funktionsplan besteht, ist jetzt der späteste Zeitpunkt gekommen, diese Pläne in Zusammenarbeit mit Firmenleitung, Beteiligten und Betriebsrat zu erstellen. Danach gilt es mit Hilfe einer geeigneten Mengenmatrix das Volumen im Zusammenhang mit der gewählten Organisationsstruktur zu bestimmen.

Durch die bewußte Einbeziehung aller, auch unbequemer Beteiligter, wird Mitwirkung erreicht. Immer wieder kann die Erfahrung gemacht werden, daß neben der motivierenden Vorbereitung diese Aktive-Analyse-Phase eine Voraussetzung für die Kooperationsbereitschaft und damit für eine reibungslose EDV-Einführung ist.

Damit wird ein Kenntnis- und Motivationsstand erreicht, der in der späteren Arbeitsphase Leerlauf durch Einarbeitungen oder Training mindert, wenn nicht gar entbehrlich macht.

Festlegen der geeigneten

Systeme

Nach allen Vorarbeiten sollte nun das geeignete System konfiguriert werden. Die Entscheidung im Unternehmen muß, durch die Einbeziehung der Mengenmatrix in einen Forderungskatalog in Form einer Ausschreibung zusammen mit potentiellen Anbietern vorbereitet werden.

Auch in dieser Phase ist es zweckmäßig, bei den Recherchen und Kontaktgesprächen gezielt die künftigen Anwender mit einzubeziehen. Es ist nicht so wichtig, fachlich geeignete Mitarbeiter einzubeziehen, vielmehr sollte man sich auf die immer noch zaudernden Mitarbeiter konzentrieren oder solche Mitarbeiter, die wegen ihrer besonderen Anerkennung unter ihren Kollegen zu einer Vervielfachung ihrer persönlichen Motivation fähig sind.

'Rolf Siebert ist Unternehmensberater in Radgau bei Frankfurt.