Mikrocomputer-Anbieter: Mangelhafte Strategie

Arbeitsplatz-Computer ante portas

15.02.1980

Seit Beginn des Jahres 1978 werden auch in der Bundesrepublik die Heim- und Personalcomputer der amerikanischen Marktführer Commodore, Tandy und Apple angeboten. Analog der amerikanischen Marktorientierung wurde zunächst versucht, Käufer im privaten Sektor zu animieren. Dieses Konzept scheint auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein, denn wie anders könnte die aus der Werbung erkenntliche Neuorientierung zum Small Business Computer hin interpretiert werden?

Tatsächlich werden Personalcomputer auch zu Preisen offeriert, die es - wie einst beim Taschenrechner - kleinen, mittleren und großen Unternehmungen problemlos gestatten, ihre Büros mit den genannten Geräten im Sinne von Arbeitsplatz-Computern auszustatten.

Die deutsche Marktsituation

Kaufwillige Interessenten sehen sich einer schnell expandierenden Anbieterschar gegenüber. Zur Zeit werden in der Bundesrepublik neben den durch intensives Marketing bekannten Computern zirka 30 Geräte von über 100 Distributoren in den unterschiedlichsten Konfigurationen verkauft, so daß eine Orientierung und Auswahl für potentielle Käufer schwer ist. Hinzu kommt, daß die Belieferung der deutschen Kunden größtenteils von Kleinunternehmungen (Computershops) übernommen wird, die über Geschäftspartner in den USA ihre Geräte beziehen. Das hat zur Folge, daß zum einen lange Wartezeiten entstehen bis ein genau spezifizierter Auftrag von der Bestellung bis zur kompletten Lieferung vollzogen ist, und daß zum anderen bei Defekten sowohl die Fehlerdiagnose als auch die Ersatzteilbeschaffung schwierig wird. Diese Versorgungslücke wird momentan durch zwei Ansätze gemildert. Zum einen produzieren seit Anfang 1979 deutsche Unternehmungen Eigenentwicklungen und zum anderen bieten die drei größten amerikanischen Hersteller über eigene Vertriebsorganisationen beziehungsweise Generalvertretungen an.

Software als Achillesferse

Die Software muß als die eigentliche Achillesferse der Personalcomputer angesehen werden, da zwar Interpreter oder Compiler für höhere Programmiersprachen zur Verfügung stehen, Programmierung in der Regel dem Anwender noch selbst überlassen bleibt. Sehr kritisch muß unter dem Aspekt "Personalcomputer als Arbeitsplatzcomputer" gefragt werden, ob der Sachbearbeiter in der Fachabteilung selbst programmieren kann und will. Der übliche Vertrieb von Software mit mehreren hundert Seiten starken Manuals (eventuell sogar in Englisch geschrieben) als Implementierungshilfe ist in diesem Anwendungsbereich nicht vertretbar. Das heutige Angebot an Anwendersoftware ist somit bei der betrieblichen Anwendung auf die speziellen Bereiche, die branchenunabhängig sind, beschränkt, zum Beispiel auf Programme mit unterschiedlichen Methoden der Investitionsrechnung oder Textverarbeitung.

Solche Software wird zum Teil von den Hardware-Anbietern mit vertrieb. Und zwar versuchen insbesondere die kleinen Anbieter, amerikanische Software zu importieren und zu verkaufen. Die Frage, ob dies sinnvoll ist, da die Manuals und Dialoge in Englisch geschrieben sind und da die amerikanischen Unternehmungsbedingungen (bei der Buchhaltung beispielsweise) nicht identisch mit den deutschen sind, bleibt offen.

Die großen Anbieter verstehen sich offensichtlich noch als reine Hardware-verkäufer. Die Software für ihre Anlagen wird deshalb häufig über Computerclubs oder von Privatpersonen über Annoncen in Fachzeitschriften angeboten. Inwieweit diese Programme tatsächlich in Unternehmungen eingesetzt werden können, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Zweifel sind jedoch angebracht.

Einführungsunterstützung ?

Auch hier ist der Käufer auf sich gestellt, oder es ist für Unterstützung durch Computershops oder Unternehmensberater zusätzlich ein relativ zur Geräteausstattung hoher Preis zu entrichten. Beispiel: Ein Angebot, daß die Aufstellung eines Rechners, Druckers und eines Terminals sowie eine dreistündige Einführung in die Funktionsweise des System beinhalten sollte, belief sich auf 500 Mark. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Aufstellung bei Vorhandensein entsprechender Anweisungen den Schwierigkeitsgrad der Aufstellung einer Stereoanlage hätte. Keine objektive (!) Unterstützung kann der Computerbenutzer auch bei der Auswahl von Anwendersoftware erwarten.

Insellösung bevorzugt

Eine empirische Erhebung der Fachhochschule München zeigt, daß Personalcomputer zunächst - wie oben schon angedeutet - in den Standardbereichen der DV eingesetzt werden. Realisiert sind vor allem Insellösungen innerhalb der betriebswirtschaftlichen oder verwaltungsmäßigen und mathematisch-technischen Aufgabenbereiche. So werden Personalcomputer genutzt für das Führen von Kunden-, Lieferanten- und Lagerkarteien, für Kostenrechnung, für Vermögensberatung sowie für Textverarbeitung. Der Diebold Management Report bestätigt den Trend zur Insellösung bei rein betriebswirtschaftlich-orientierter Anwendung. Fünf befragte Anwender nennen als Einsatzgebiete:

Datenerfassung und Datenvorverarbeitung

Auftragserfassung

Inventurerfassung und Warendifferenzenerfassung

Tageserfolgsrechnung

Lagerhaltung mit Preisetikettenerstellung

Rechnungserstellung

Alle suchen Buchhaltungsprogramm

Eine im Projekt "Etico" am Bifoa, Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation, durchgeführte Befragung potentieller, kleiner Anwender zeigte, daß

100 Prozent Buchhaltung

95 Prozent FIBU

90 Prozent Lohn und Gehalt

67 Prozent Auftragsabwicklung

55 Prozent Provisionsabrechnung

57 Prozent Lagerwirtschaft

85 Prozent betriebliche Statistik (Kostenrechnung)

56 Prozent Textverarbeitung

als fertige Softwarepakete für Personalcomputer nachfragen würden. Ein interessantes Ergebnis dieser Befragung war die finanzielle Leistungsbereitschaft der Befragten. Durchschnittlich dürfen die Anschaffungskosten für eine Geräteausstattung 25 000 Mark betragen, wobei schwerpunktmäßig 20 000 Mark angegeben wurden. Die Anwendungsprogramme in der Erstausstattung dürfen dagegen komplett nur 3500 beziehungsweise 450 Mark pro Programm kosten. Die jährlichen Aufwendungen für zusätzliche Programme sollen im Mittel bei 600 Mark, Wartungskosten' bei zirka 1000 Mark jährlich liegen. Damit ist gezeigt, daß sich die finanzielle Problematik des Personalcomputereinsatzes im Bereich der Softwarekosten befindet, denn die Einschätzung der Hardwarepreise ist durchaus realistisch. Unterstellt man bei den genannten Angaben eine Nutzungsdauer eines Personalcomputers von fünf Jahren a 250 Arbeitstagen, so ergäbe sich für die tägliche finanzielle Belastung einer Kleinunternehmung folgende Rechnung:

Anschaffungskosten HW 20 000 Mark

Anschaffungskosten SW 3 500 Mark

Reparatur und Wartung 5 000 Mark

Neue Programme 2 500 Mark

Gesamtkosten 31 000 Mark / 1250 Tage = 25 Mark

was auch ökonomisch gerechtfertigt werden kann.

Ob allerdings - wie vielfach angenommen wird - der Einsatz von Personalcomputern keine oder nur geringe organisatorische Probleme hervorruft, ist noch völlig offen.

Eine andere Art der Dezentralisierung

Bei Großunternehmungen werden auch in weiterer Zukunft die meisten Standardaufgaben wie bisher über die firmeneigenen Großrechnernetze abgewickelt werden. In der Vergangenheit wurde versucht, über die Konzentration von Rechnerkapazität in diesem Großrechner sowie die Möglichkeit des Multi-Using und der Dialogverarbeitung - eventuell auch über TS-Firmen - den Fachabteilungen Computerunterstützung zukommen zu lassen. Die Entwicklung von Computern auf Mikroprozessorbasis führt zu einer anderen Möglichkeit der dezentralen Datenverarbeitung. Die Unternehmung beschafft sich einen größeren Posten an Personalcomputern einer bestimmtem Firma und eines bestimmten Firma und eines bestimmten Typs, so daß in Falle des Ausfalls eines Gerätes ein sofortiger Austausch vorgenommen werden kann. Die Standardprogramme, die aufgrund der technischen Gegebenheiten vom Großrechner auf den Tischcomputer übertragen werden können, werden von der DV-Abteilung "umgestrickt". Alle anderen Programme werden wie bisher auf dem Großrechner gefahren. Die Vorteile sind einsichtig: Der Transferaufwand wird reduziert; die Be- und Verarbeitung wird schneller; der Zentralrechner wird entlastet; im Fall eines zentralen Systemzusammenbruchs arbeiten immer noch die autonomen Personalcomputer; der finanzielle Aufwand gegenüber der "permanenten" Online-Lösung ist (aufgrund der notwendigen "Intelligenz" der Tischcomputer) nur geringfügig höher, da Tischcomputer, wenn sie über eine V.24-Schnittstelle verfügen, problemlos als Terminal für den noch notwendigen Online-Verkehr bei den nicht übertragbaren Programmen eingesetzt werden können.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit in Großunternehmen ist, Personalcomputer für alle diejenigen Datenverarbeitungsprojekte in Fachabteilungen einzusetzen, für deren Realisierung auf dem Großrechner, zum Beispiel innerhalb der nächsten zwei Jahre, keine Kapazität vorhanden ist.

Was zu fürchten und zu hoffen ist

Durch den entstehenden harten Wettbewerb werden insbesondere die Kleinanbieter aus dem Markt, zumindest aber in Randbereiche gedrängt.

Im Bereich der Software ist zu hoffen, daß insbesondere durch den Einsatz des Personalcomputers im privaten Bereich ein großes Potential an Softwarespezialisten entsteht, so daß insbesondere der Flaschenhals des DV-Personalmarktes, der als Wachstumsschranke für die Computeranwendung gesehen werden kann, abgebaut wird.

So verbleibt als letztes Hindernis einer Personalcomputer-Anwendung in größerem Rahmen, zum Beispiel als Computer am Arbeitsplatz, die DV-Akzeptanzschwelle beim unerfahrenen Benutzer in der Fachabteilung. Deren Abbau ist nur durch eine Intensivierung der schulischen und betrieblichen Ausbildung und durch eine positivere Haltung der öffentlichen Meinung - insbesondere der Medien - gegenüber der DV zu erreichen.

Professor Dr. Norbert Szyperski ist o. Professor an der Universität zu Köln und Direktor am Betriebswirtschaftlichen Institut für Organisation und Automation, Bifoa, an der Universität zu Köln.

Der vorliegende Beitrag wurde von Professor Norbert Szyperski in dem Bifoa-lnformationsforum "Personalcomputer im Büro- und Verwaltungsbereich Anstöße aus der Verfügbarkeit Massen-produzierter Niedrigpreis-Computer" am 1. Februar in Köln referiert. Die Redaktion hat den Beitrag nur wenig gekürzt.

1) Dörringer, Alois: Kommerzielle Software könnte besser sein, in: COMPUTERWOCHE vom 24. 8. 79, S. 14.

o. V. Vernünftig und preiswert - Warum und wofür Unternehmungen Personalcomputer einsetzen, in: Diebold Management Report 11/78, S. 3-6.

Grundsätzliche Aspekte des Personalcomputereinsatzes als Computer am Arbeitsplatz

Unabhängig vom Einsatzgebiet "Groß- oder Kleinunternehmung" entspricht der Personalcomputer in zeitlicher, räumlicher und leistungsmäßiger Hinsicht den technisch-orientierten Anforderungen eines Benutzer eines Computers am Arbeitsplatz, denn

jeder Benutzer kann, seinem Aufgabengebiet und seinem Arbeitsstil entsprechend, jederzeit auf die Leistungen des Computers zugreifen. Voraussetzung ist allerdings, daß er der einzige Benutzter des Rechners ist, was auch bei mittlern Unternehmungen durch die Anschaffung mehrerer Personalcomputer garantiert werden kann, wahrend bei kleinen Unternehmungen vermutlich nur eine Person, zum Beispiel der Unternehmer selbst oder der für das Rechnungswesen Verantwortliche, den Rechner nutzt;

durch seinen geringen Platzbedarf läßt sich ein Tischcomputer in äußerster räumlicher Nähe am Arbeitsplatz installieren. Kommunikationsmittel (Tastatur, Bildschirm, Drucker) und Speichermedien sind zum Teil ebenfalls integriert und zugriffsbereit;

die Nutzung aller Daten und Programme ist jederzeit möglich, da sie auf Disketten oder Kassette gespeichert vorliegen. Die Kapazität der Geräte (Zentraleinheit, Speicher) dürfte genügen, um die bei kleinen Unternehmungen oder in Fachabteilungen, anfallenden Aufgaben zu erledigen.

Ob Personalcomputer in technischer Hinsicht den qualitativen Anforderungen der Benutzer von Computern am Arbeitsplatz entsprechen, muß allerdings noch bezweifelt werden.