Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz werden geahndet:

Arbeitsamt wird gegen Fremdsoftwerker aktiv

07.07.1989

MÜNCHEN - Seit Jahren arbeiten DV-Profis bei Daimler-Benz illegal. Doch davon will das Stuttgarter Arbeitsamt bislang nichts wissen. Geahndet wurden nur die Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz im Wartungsbereich. Dafür mußte der Konzern 220 000 Mark Bußgeld hinblättern. Bundesweit jedoch klopfen die "Arbeitsamtfahnder" immer häufiger auch die Verträge der "Fremdprogrammierer" ab.

In den meisten Unternehmen gehört Unterstützung durch Fremdprogrammierer zum DV-Alltag. Die Arbeit der Externen kann einen erheblichen Umfang annehmen und - je nach Konstellation - als Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingestuft werden. Allerdings wurde in den vergangenen Jahren die Überprüfung, ob hier für vom Landesarbeitsamt die Verleiharbeitserlaubnis erteilt worden war, von den zuständigen Behörden eher lasch gehandhabt.

Seit einiger Zeit ist jedoch zu beobachten, daß die "Bearbeitungsstellen zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung" der Landesarbeitsämter intensive Nachforschungen in diese Richtung anstellen. Die Abgrenzungskriterien einer Arbeitnehmerüberlassung sind aber so komplex, daß sie nur aufgrund sorgfältiger Prüfung und nur pro Einzelfall von der Behörde bejaht oder verneint werden können. Dieter Nauroth, Rechtsanwalt in Köln warnt vor den Folgen, falls die Prüfung nicht stattfindet: "Fehlt dem Leiharbeitgeber die erforderliche behördliche Erlaubnis, so sind in zivilrechtlicher Hinsicht sämtliche abgeschlossenen Verträge nichtig."

Die Firma, die den Zuschlag für die Software-Arbeiten erhalte, stünde von vornherein fest. Wenn ein Softwarehaus, wie beispielsweise das EDV Studio Ploenzke, Mitarbeiter für unter 100 Mark pro Stunde anböte, hätten andere Mitbewerber keine Chance.

Dabei verstößt, so die benachteiligten DV-Berater, eine Reihe dieser Dienstleister permanent gegen bestimmte Rahmenbedingungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Fremdprogrammierer, die auf Werkvertrags-Basis arbeiten, dürften nämlich von Daimler-Vorgesetzten keine Anweisungen entgegennehmen. Dies sei bei dem Stuttgarter Automobilkonzern jedoch die übliche Praxis. Der Wunsch der betroffenen DV-Berater, inkognito zu bleiben, ist verständlich: Zu groß ist die wirtschaftliche Macht sowie die Einflußnahme des Konzerns auf die Behörden im Stuttgarter Raum. Kommentar von Dietrich Roland Jersch, Unternehmensberater aus Alzey: "Daimler Benz ist doch im Gegensatz zu uns in der Lage, jeden Prozeß über Jahre hinaus zu führen."

Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sind allerdings in der gesamten Software-Branche seit langem gang und gäbe. Die immer häufiger werdenden Kontrollen der Mitarbeiter der "Bearbeitungsstellen zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung", sind - vermutet Rechtsanwalt Nauroth - die Folge des gewaltigen Wachstums des gesamten Softwaremarktes in den vergangenen fünf Jahren. Der Kölner Rechtsexperte: "In nächster Zeit wird wohl noch so mancher ins Messer der Arbeitsamt-Fahnder laufen."

Dies gelte sowohl für die Arbeitsverträge zwischen den DV-Unternehmen und seinen - verliehenen - Mitarbeitern als auch für die mit dem Kunden geschlossenen Verträge. Zudem können die Arbeitsbehörden Bußgelder bis zu 50 000 Mark und mehr verhängen. Aber auch ein Werkvertrag, der formal-juristisch nicht korrekt ist, beziehungsweise nicht entsprechend eingehalten wird, sei letztlich unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung.

So wies das Landesamt Stuttgart dem Automobilkonzern Daimler-Benz nach, daß die über Leihfirmen angeworbenen Arbeitskräfte - vor allem im Wartungs- und Instandsetzungsbereich, aber auch Ingenieure - nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften beschäftigt worden waren. Ein Beispiel ist das Münchner Ingenieurbüro IVM, gegen dessen Chef Julius Kiss derzeit die Staatsanwaltschaft wegen illegaler Leiharbeit und Steuerhinterziehung ermittelt.

Zwar räumt Hans-Dieter Kainzbauer vom Waiblinger Stützpunkt der "Bearbeitungsstelle zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung" ein, daß gegen den Automobilkonzern - auch nach Bezahlung des Bußgeldes von 220 000 Mark - wegen weiterer Verstöße in puncto illegaler Leiharbeit ermittelt werde, doch von Gesetzesübertretungen im DV-Bereich sei noch nichts bekannt. "Dabei ist illegale Leiharbeitspraxis gerade im Bereich der Informationsverarbeitung in unserem Hause gang und gäbe", wettert Maria Morgen, Betriebsrätin bei Daimler. Zwar erlaube das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz das Verleihen von Arbeitskräften bis zu sechs Monaten. Doch die Mitarbeiter der diversen Softwarehäuser arbeiteten seit vielen Jahren im Unternehmen. Die Arbeitnehmervertreterin: "Das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen den sogenannten Externen und den "echten" Daimler-Mitarbeitern im DV-Bereich ist das andersfarbige Türschild an ihrer Bürotür."

So mancher wird ins Messer laufen

Noch mehr Brisanz erhält die illegale Leiharbeitssituation in der Informationsverarbeitung des Konzerns durch die Ankündigung, die DV-Bereiche auszugliedern und als Anbieter von Mehrwertdiensten aufzutreten (siehe CW Nr. 26 vom 23. Juni 1989, Seite 1: "Daimler plant konzerneigenes Systemhaus"). Auch Maria Morgen hegt Befürchtungen trotz gegenteiliger Versprechungen der Geschäftsleitung: "Bis heute haben wir keine Zusage von der Geschäftsleitung erhalten, daß alle DV-Profis auch tatsächlich in die Neugründung übernommen werden." Durch die geplante Holding sei es wesentlich einfacher, erklärt Maria Morgen, ganze Geschäftszweige durchzurationalisieren oder ganz abzustoßen.

Heftig angegriffen wird der Automobilkonzern auch von Unternehmensberatern im Stuttgarter Raum. Beispielsweise halten Geschäftsführer kleinerer DV-Consultants die Ausschreibungspolitik des Unternehmens für neue DV-Projekte lediglich für eine Farce - von offenem Wettbewerb könne keine Rede sein.