Arbeitsagentur vertraut auf Filetransfer

29.09.2006
Von 
Bernd Seidel ist freier Journalist und Coach in München.
Die IT-Landschaft der BA muss in der Lage sein, schnell auf neue Anforderungen zu reagieren.

Regelmäßig zu Beginn eines jeden Monats warten Journalisten, Börsenmakler, Wirtschaftbosse, Politiker und Bürger gespannt auf die Arbeitsmarktzahlen aus der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg. Damit die Zahlen zu jedem Stichtag vollständig und korrekt vorliegen, müssen sie aus einem Netzwerk von internen und externen Außenstellen gesammelt, in der Zentrale verdichtet und zu Präsentationszwecken aufbereitet werden. "An diesem Tag steht die BA im Rampenlicht der Öffentlichkeit, und es darf nichts schief gehen", erklärt Peter Neuhauser, Teamleiter Sicherheit beim BA-IT-Systemhaus, dem IT-Dienstleiter der Bundesagentur.

Projektsteckbrief

Projektart: Einführung einer Kommunikationsinfrastruktur auf Filetransfer-Basis.

Branche: Öffentliche Hand.

Produkte: "Synchrony MFT" von Axway.

Dienstleister: internes Systemhaus.

Komplexe IT-Landschaft

Die BA hat eine umfassende und hochkomplexe IT-Landschaft installiert: Die zentrale Informationstechnik umfasst ein Host-System von Siemens unter BS2000/OSD mit 1,8 TB Plattenspeicherkapazität sowie 51 Reliant/Unix-Systeme mit rund 3294 TB Plattenspeicher, dazu 103 Server unter Sun-Solaris, 120 Linux- sowie 1560 Windows-Server mit 18 beziehungsweise 85 TB Speicherkapazität. Das interne und externe Kommunika- tionsaufkommen umfasst im Monat durchschnittlich 75 000 File-Transfers sowie 5,25 Millionen E-Mails, 42 Millionen Web-Zugriffe und 17 Millionen Überweisungen. Abgerundet wird das Bild einer der umfangreichsten IT-Installation Deutschlands durch 140000 Desktops, rund 3000 mobile Rechner, 13000 Selbstinformations-Systeme in den Agenturen sowie mehr als 12000 Router und Switches.

Die Anforderungen der BA an ihren IT-Dienstleister sind vielfältig. "Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben sowie die Ansprüche der internen und externen Kunden ändern sich häufig, und wir müssen mit unserer IT darauf reagieren können", so Neuhauser. Eine der umfassendsten Neuerungen war im vergangenen Jahr die Einführung des Arbeitslosengeldes II. Auf diese Weise wuchsen Sozialämter und Arbeitsämter zu Arbeitsgemeinschaften zusammen. "Mit einem Schlag hat sich unser IT-Netz um rund 75 Prozent vergrößert, und wir hatten rund 50000 User mehr", erläutert der Sicherheitsexperte, "denn die Sozialämter wurden vorher durch die Gemeinden eigenständig verwaltet."

Auch der "Virtuelle Arbeitsmarkt" (VAM), der den Arbeitsuchenden die Jobrecherche per Internet erlaubt, erhöhte die Anforderungen an das Systemhaus. Dazu Neuhauser: "Wir können keinen Closed Shop mehr machen." Diese Offenheit habe aber Konsequenzen: "Wir müssen einen Internet-Zugang bereithalten, der extrem sicher ist und Hackern keine Chance bietet." Die VAM-Anwendung wird in Kooperation mit Hewlett-Packard betrieben.

Stabiler Trend

Für die Unterstützung der Kommunikationsabläufe hat das BA-Systemhaus die Filetransfer-Plattform "Synchrony MFT" des Softwareherstellers Axway installiert. Mit der Kommunikation per Filetransfer setzt es auf einen stabilen Trend, wie Untersuchungen des Analystenhauses Gartner zeigen. Zwar nehme die Bedeutung von Message-orientierter Middleware (MOM) zu - ganz zu schweigen von den Verheißungen durch Web-Services - , doch erfolgten auch in modernen Unternehmen immer noch 80 Prozent des Datenaustauschs mit Hilfe von Filetransfers, haben die Marktforscher ermittelt.

Alte Software war unflexibel

Urprünglich hat die BA ihre Filetransfers mit Hilfe einer Individuallösung bewerkstelligt. "Teile der Software waren noch in Assembler geschrieben und nur von Spezialisten zu pflegen und zu erweitern", erinnert sich Neuhauser. "Daher war jede Änderung oder Erweiterung teuer." Zudem sei die alte Software störungsanfällig gewesen. Beispielsweise verfügte sie nur über einfache Kompressionsmechanismen. Axway habe den Zuschlag letztlich wegen der umfassenden Plattformunterstützung erhalten, an der die Mitbewerber scheiterten.

Synchrony MFT ermöglicht heute eine vertikale und horizontale Datenverdichtung. Das Volumen von Textdateien schrumpft dadurch um bis zu 80 Prozent. Zudem bietet das Übertragungswerkzeug eine zentrale Konfiguration und Verteilung, Accounting- und Auditing-Funktionen, Sicherheits-Features für Datenzugriff und -übertragung sowie Verschlüsselungsmechanismen. Außerdem lässt es sich dank der Komponente "Synchrony MFT Navigator" via Browser bedienen.

Die Transfers zu externen Partnern erfolgen über das "Synchrony Gateway" mit Filetransfer Protocol (FTP) oder Hypertext Transfer Protocol (http). Mit der Komponente "Synchrony Transfer", die für die interne Kommunikation und den virtuellen Arbeitsmarkt zum Einsatz kommt, wird hingegen ein Axway-spezifisches Transportprotokoll verwendet. "Es hat die höchste Kompressionsrate und die beste Performance", so Neuhausers Begründung.

Da durch die Umstrukturierungen sowie die Integration externer Stellen eine große Anzahl an Datenquellen hinzugekommen ist, muss der Großteil der Informationen jetzt zusätzlich validiert und bereinigt werden, bevor er in das Zentralsystem übernommen werden kann. Für diesen im Fachjargon als "Mapping" bezeichneten Vorgang war ein weiteres Tool nötig. Anfang 2005 entschied sich die BA deshalb für den File Broker "Synchrony Integrator", ebenfalls von Axway, der eng mit Synchrony MFT verzahnt wurde.

Einen Monat lang parallel

Der Umstieg von den Altverfahren zu Synchrony MFT erfolgte in drei Schritten: Nachdem ein Pflichtenheft verabschiedet war, nahm der Softwarehersteller im zweiten Schritt die nötigen Anpassungen vor. Danach wurden nach und nach die Datentransfers von den Außenstellen auf das neue System umgestellt, wobei der Transfer mit Synchrony MFT im ersten Monat nach der Implementierung parallel zum Altverfahren simuliert wurde. Erst nach bestandenem Test löste das Systemhaus der BA die alte Software ab. (qua)