Arbeiten nicht nur für Geld

28.01.2009
Einige Unternehmen ermöglichen ihren Beschäftigten, sich auch jenseits des beruflichen Alltags zu engagieren. Vier Beispiele zeigen, wie es geht und was es bringt.

Als Maik Schwarze von den neuen Freiwilligenprogrammen seines Arbeitgebers hörte, war er gleich dabei: Microsoft bot 50 Mitarbeitern 500 Euro oder drei frei Tage an, mit der Auflage, diese Ressourcen komplett in ihre eigenen Projekte zu investieren. IT-Berater Schwarze schlug ein. Sein Projekt: Computertraining und Bewerbungshilfe für Hauptschüler. "Viele Schüler haben von Programmen wie Office, Outlook oder Excel kaum eine Ahnung. Dabei spielen sie im Berufsleben eine sehr wichtige Rolle", sagt Schwarze. "Solche Leute scheitern, obwohl sie talentiert sind, oft an kleinen Fallstricken im Bewerbungsprozess."

Crashkurs in Sachen Soft Skills

Zweimal im Jahr schult der 35-Jährige eine Runde von Schulabgängern während seiner Arbeitszeit einen Tag lang im Einmaleins der Anwenderprogramme, zum Abschluss gibt es für die Teilnehmer ein "Microsoft Office Zertifikat". Am dritten Tag hilft er den Jugendlichen mit Bewerbungstipps auf die Sprünge.

Für ein paar Tage die Seiten wechseln, die Welt des Geldes und des Wohlstands gegen die Realität einer Drogenberatung, eines Behindertenheims oder eines Waisenhauses tauschen. Corporate Volunteering ist in Unternehmen mittlerweile keine Seltenheit mehr. Nicht nur weil das Engagement von Mitarbeitern in sozialen Institutionen dem Firmenimage guttut; es lässt sich auch als Instrument für die Personal- und Teamentwicklung nutzen. Der Einsatz im In- und Ausland gilt als Crashkurs in Sachen Soft Skills. Weder Fachwissen noch Status sind gefragt, sondern allein der Mensch mit seiner Fähigkeit zuzuhören, Anteil zu nehmen, Vertrauen aufzubauen, Kräfte zu mobilisieren und Herausforderungen im Einvernehmen aller zu managen.

Für Microsoft als amerikanisches Unternehmen ist Corporate Volunteering Teil der Unternehmenskultur. Im Heimatland des Mutterkonzerns hat die Unterstützung von Freiwilligenarbeit Tradition. Mit den Programmen "3 Days Off" und "50 x 500" will Microsoft-Personalchefin Brigitte Hirl-Höfer nun hierzulande "noch mehr Mitarbeiter anregen, sich am bürgerschaftlichen Engagement zu beteiligen". Schließlich ist der Blick über den Tellerrand auch eine Bereicherung für die tägliche Arbeit im Konzern. Wer neben dem Job Hauptschülern auf die Sprünge hilft, mit der Rettungshundestaffel Oberbayern an Einsatzübungen und Spezialtrainings teilnimmt oder im Sportverein Jugendliche auf Trab bringt, geht anders mit Konflikten im Arbeitsalltag um, entwickelt neue Ideen, ist gelassener. "Entscheidend ist", sagt Microsoft-Berater Schwarze, "nachhaltig dranzubleiben. Wenn Bürgerengagement ein einmaliges Erlebnis bleibt, erreicht man wenig - und profitiert auch selbst kaum davon."

Jörg Ritter kennt das. Er hat vor Jahren selbst einen Bürgerverein gegründet und sich mit ganzer Kraft reingekniet - Netzwerk aufbauen, monatliche Treffen mit dem Team, immer wieder nachhalten. "Das erdet ungemein", sagt der Leiter der Global Practice Group Industrial der Unternehmensberatung Egon Zehnder. Es öffnen sich andere Blickwinkel, stellen sich neue Fragen. "Gerade Managern in den höheren Etagen, vor allem auf Vorstandsebene, würde das guttun." Gerne verweist Ritter auf den Chef des Max-Plank-Instituts für Bildungsforschung, den Psychologie-Professor Gerd Gigerenzer, der mahnt: "Achtet bei Bewerbern nicht nur auf die Schulterklappen, sondern vor allem auf ihre interdisziplinären und sozialen Kompetenzen. Wer hier gut abschneidet, arbeitet um 15 bis 20 Prozent effektiver."

Neue Projekte von Mitarbeitern

Ritter hat das beherzigt. Für den Worldwide Fund for Nature (WWF) hat Zehnder unentgeltlich Geschäftsführer gesucht. Eine Kollegin betreut regelmäßig vernachlässigte Jugendliche. In Vorträgen plädiert der Berater mit Elan für mehr soziales Bewusstsein als Kriterium bei der Personalauswahl. "Stromlinienförmige High Potentials mit Kaminkarrieren, die gleich nach dem Studium durch die internationalen Konzerne gereicht werden, können wir auf Dauer nicht gebrauchen", so Ritter. "Wir benötigen Menschen mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund, die in der Lage sind, differenzierter zu reflektieren und ihre Antworten mit eigenen Erfahrungen zu belegen: Was ist soziale Gerechtigkeit? Wie können wir wirtschaftliche Krisen bewältigen?" Nur so lasse sich die Spaltung der Gesellschaft verhindern.

Vor drei Jahren hat die Personalberatung mit anderen Trägern die Stiftung "Neue Verantwortung" gegründet. Dafür durchstöbern die Berater regelmäßig 850 Organisationen und Dax-Unternehmen nach Nachwuchs, der nicht nur hervorragend qualifiziert, sondern auch sozial engagiert ist - laut Ritter das "wichtigste zusätzliche Exzellenzkriterium der Zukunft". Die 100 Gewinner können eine renommierte Auszeichnung in die nächste Bewerbungsmappe legen. Sie treffen sich viermal im Jahr mit Gleichgesinnten zu Diskussionsveranstaltungen und schieben neue Projekte an.

Albrecht Wild, kaufmännischer Leiter bei der Unternehmensberatung Siemens Management Consulting (SMC), freut sich immer wieder, wenn er einen Blick ins Intranet wirft. Dort findet ein reger Austausch über soziale Projekte statt, die Mitarbeiter von Siemens in Deutschland ins Leben gerufen haben.

Angefangen hat alles mit einem informellen Gespräch im Zimmer des späteren Siemens-Chefs Klaus Kleinfeld. "Das war 1998", erinnert sich Wild. "Bis dato hatten wir nur Geld an Kinder- und Jugendhilfen gespendet, doch das war uns dann zu wenig, wir wollten mehr machen." Für seinen Unternehmenszweig entwickelte er ein Volunteering-Konzept. "Unsere Berater sind viel unterwegs, sie können nicht wöchentlich einen festen Termin wahrnehmen." Die Lösung: Alle zwei Jahre versammeln sich die Mitarbeiter, um mit vereinten Kräften ein soziales Großprojekt zu stemmen. Wild: "Mit 170 Männern und Frauen können wir schon einiges bewegen" - zum Beispiel bei Nürnberg ein Reittherapiezentrum für benachteiligte Jugendliche errichten oder bei München einen Erlebnisgarten für ein Kinderheim - mit Klettergarten, Spielburg, Grillplatz und Pferdefutterhaus. Fünf solche Projekte hat die SMC-Crew gemeistert, und wenn es nach Initiator Wild geht, werden noch einige folgen. "Es ist immer wieder überwältigend: Wenn wir ankommen, ist da nichts außer einer grünen Wiese. Und wenn wir gehen, steht eine komplette Anlage schlüsselfertig da." Darüber könne man stolz sein und davon erzählen. Und nicht zu vergessen: "Zu helfen schweißt zusammen und gibt jedem Einzelnen ein gutes Gefühl."

Executive IT-Specialist Stefan Radtke hat dieses "gute Gefühl im afrikanischen Ghana erlebt. 2007 setzte sein Unternehmen IBM in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen das Volunteering-Programm "Corporate Service Corps" auf, um Projekt- und IT-Know-how in Länder zu bringen, die sich aufwändige Beratung in der Regel nicht leisten können. Die Resonanz war überwältigend. "Für die 100 Plätze in Ghana, Tansania, der Türkei, Rumänien, Vietnam und den Philippinen haben sich damals 350 000 Mitarbeiter weltweit beworben", so Radtke, "damit hatte keiner gerechnet." Acht Wochen lang wurde Radtke auf die bevorstehende Reise vorbereitet, auch um vor Ort nicht in Fettnäpfchen zu treten: "Wir tendieren dazu, anderen unsere Vorstellungen von richtig und falsch aufzupropfen nach dem Motto: Was für uns gut ist, kann euch nicht schaden."

Maximale Flexibilität

Um sich voll und ganz auf den Aufenthalt einlassen zu können, wurde er während der Zeit im Ausland von all seinen betrieblichen Aufgaben entbunden: "Ich bekam ein neues Handy mit neuer Nummer und eine neue E-Mail-Adresse." Eigentlich sollte Radtke in Ghana vier Wochen lang angehende Lehrer für Internet-Technologie ausbilden. Doch das Projekt wurde kurzfristig abgesagt. "Das gehört dazu", so der IT-Experte, "und das Unternehmen erwartet, dass man flexibel genug ist, auch andere Herausforderungen anzunehmen." In diesem Fall: einem Schulmöbelhersteller in Kumasi, der zweitgrößten Stadt des Landes, auf die Sprünge helfen. Sprich: Markt analysieren, Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten, Business-Plan für die Bank erstellen, Homepage und E-Mail-Programm einrichten, Produktionsprozesse optimieren. "Bis dato wurde alles von Hand hergestellt, jedes einzelne Scharnier. Das dauerte natürlich viel zu lange." Radtke organisierte für seinen Schützling eine Einladung zur Möbelhersteller-Messe in Atlanta, USA: "Wir brauchten Kontakt zu Zulieferern."

Kontakt auch nach Projektende

Heute, ein halbes Jahr später, mailt der IBM-Mann regelmäßig nach Ghana: "Es sieht gut aus, die Weichen für eine Automatisierung des Betriebs sind gestellt, die Bank hat grünes Licht für eine Hobelmaschine gegeben, und die Scharniere kommen aus China, wodurch Möbelserien schneller gefertigt werden können." Sein Fazit: "Jedem Manager sollte so ein Einsatz ermöglicht werden." Ein Training für alle, die im globalen Kontext arbeiten und unter immer vielfältigeren kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen agieren müssen. (hk)

Buchtipps

Ludger Heidbrink, Alfred Hirsch (Hrsg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip, Campus Verlag 2008, 544 Seiten, 39,90 Euro.

Raubtierkapitalist und Wohltäter - die Autoren geben Antwort darauf, wie in einer globalen Marktwirtschaft ökonomische Freiheit und soziale Verantwortung miteinander kombiniert werden können.

Holger Backhaus-Maul u.a. (Hrsg.): Corporate Citizenship in Deutschland: Bilanz und Perspektiven, Vs Verlag 2008, 541 Seiten, 39,90 Euro.

40 Autoren aus Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und Politik zeigen, wie mannigfaltig soziales Engagement im täglichen Wirtschaftsleben aussehen kann.

Pia Wichelhaus: Corporate Volunteering in Deutschland und den USA, VDM Verlag 2007, 128 Seiten, 49,00 Euro.

Im Vergleich zu den USA spielt in Deutschland Corporate Volunteering noch eine untergeordnete Rolle. Die Autorin geht der Ursache auf den Grund.

Zehn goldene Regeln für Corporate Citizenship

  1. Das gesellschaftliche Engagement muss die Grundwerte des Unternehmens widerspiegeln.

  2. Vorbereitung des Engagements ist das A und O. Vermittlungsagenturen und Netzwerke können dabei helfen (zum BeispielBundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement e.V. oder Unternehmen: Aktiv im Gemeinsinn UAG.)

  3. Wichtig sind langfristige Einsätze statt einzelner, unzusammenhängender Sponsoring-Aktivitäten.

  4. Die gemeinsame Arbeit an Projekten, die dem Gemeinwohl dienen, motiviert alle Beteiligten.

  5. Das Projekt muss inhaltlich zum Unternehmen passen. Deshalb sollte es nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch unternehmerisches und gegebenenfalls branchenspezifisches Know-how einbringen.

  6. Der professionelle Anspruch für das gesellschaftliche Projekt muss dem des Kerngeschäfts entsprechen. Die aus dem Engagement erwachsenen Ansprüche und Pflichten sind dauerhaft zu erfüllen.

  7. Es empfiehlt sich, mit einem gemeinnützigen Partner zusammenzuarbeiten.

  8. Mitarbeiter sollten Kontakte knüpfen und das Networking auch für das eigene Unternehmen nutzen.

  9. An die Öffentlichkeit gehen sollte man erst, wenn Partner, Projektziele und erste Maßnahmen feststehen.

  10. Mit Pressearbeit, Geschäftsberichten oder expliziten Corporate-Citizenship-Berichten ist für Kommunikation zu sorgen.

Quelle: BMWI