Arbeiten in England: Sinn für schwarzen Humor gefragt

14.05.2002
Von in Ingrid
Royalisten, Regen und Nachmittagstee im Ritz verbinden viele mit der britischen Metropole. Roland Barfus lernte ineineinhalb Jahren das Arbeitsleben in London kennen und weiß von einigen Kuriositäten zu berichten.

Fünf zu eins - Roland Barfus ahnte schon am Samstagabend, dass die kommende Arbeitswoche nicht gut beginnen würde. Aber es kam noch schlimmer als befürchtet. Als er am Montagmorgen in seinem Londoner Büro den Monitor einschaltete, schmückten schon druckfrische Aufkleber den Rechner, ein neuer Bildschirmschoner blinkte ihm auf 19 Zoll "5:1" entgegen. Am Samstagabend hatte das englische Team das deutsche geschlagen, und das nur auf dem grünen Rasen. Und genaugenommen handelte es sich bei dem Ereignis nur um ein Fußballspiel. Doch an diesem Morgen hatten solche feinen Unterschiede keinen Platz. Die englischen Kollegen genossen den Sieg ihrer Mannschaft wie einen eigenen. Mit großer Liebe zum Detail hatten sie bei ihren deutschen Kollegen alle Bildschirmschoner ausgetauscht, Aufkleber besorgt. Zudem hatten sie jede Menge flotter Sprüche auf Lager.

Von solchen Ausnahmesituationen einmal abgesehen, erzählt Roland Barfus durchaus begeistert von seinen englischen Kollegen. "Die Strukturen sind weniger hierarchisch und eher offen." Der diplomierte Wirtschaftsingenieur startete seine Berufslaufbahn nach dem Studium bei PricewaterhouseCoopers (PwC) Consulting. Als SAP-Berater hat der 31-Jährige schon einige europäische Länder und ihre unterschiedlichen Arbeitsstile kennengelernt.

Regen ist selten

Nachdem er sich für einen großen Kunden schon in Italien und Frankreich um die Einführung der Software SAP gekümmert hatte, arbeitete er die vergangenen eineinhalb Jahre in London. "Die Kollegen hier sind sehr offen und freundlich", erzählt Barfus. "Allerdings muss man genau zuhören und die Sprache ziemlich gut sprechen, um die Nuancen richtig zu verstehen. Die Engländer spielen mit der Sprache, sind sehr eloquent, legen viel Wert auf elegante Formulierungen." Auch bei Präsentationen seien Witz und Ironie gefragt. "Falls ich bei meinem nächsten Projekt in Deutschland arbeiten sollte, muss ich mich erst wieder an einen sachlicheren Stil gewöhnen", erzählt der Berater.

Schon während seines Studiums an der Technischen Hochschule in Karlsruhe zog es ihn in die Ferne. Die beschauliche badische Stadt tauschte er für ein Jahr gegen die Central Connecticut State University in New Britain, Connecticut, USA, ein. Als er 1997 bei PwC Consulting einstieg, gab es keine Garantie für einen internationalen Arbeitsplatz. "Für die Projekte werden die Mitarbeiter in erster Linie nach fachlichen Kriterien ausgewählt", so Barfus. Da Berater oft kurzfristig für ein Projekt ins Ausland gehen, unterstützt die Global Develoyment Group (GDG) von PwC die Mitarbeiter beispielsweise bei der Wohnungssuche oder bei der Steuererklärung.

Roland Barfus
Roland Barfus

Zur Vorbereitung gehören Sprachkurse und interkulturelle Trainings, die es für europäische Länder bei PwC auch als CBT (Computer-based Training) gibt. "Es hilft, wenn man weiß, welche Unterschiede es gibt", so Barfus, damit man später auch genauer darauf achtet. Speziell für die Arbeit in England gehört ein gutes Gespür für Zwischentöne dazu, um die Stimmung im Team richtig einzuschätzen. Oft bieten sprachliche Nuancen die besten Hinweise auf mögliche Unstimmigkeiten im Team, denn offene Kritik widerspricht den freundlichen britischen Umgangsformen. "Es wird viel Rücksicht genommen, um andere nicht bloßzustellen." Überhaupt wird Teamgeist groß geschrieben. "Unser Projektteam ging ein Mal im Monat gemeinsam ins Pub. Dort war der Umgangston schon mal lockerer, und die vornehme Zurückhaltung blieb dann auch außen vor."

Aktivitäten außerhalb der Arbeit

Gemeinsame Events außerhalb der Arbeit wie beispielsweise ein Softball-Turnier sind für das Team informeller Pflichttermin. "Besonders die englischen Kollegen gingen das Match mit großem Sportsgeist und sehr ehrgeizig an." Wer sich für die britische Insel interessiert und dort eine Zeit lang arbeiten möchte, sollte auf jeden Fall viel Sinn für schwarzen Humor mitbringen. Denn es kann schon mal passieren, dass es bei der Weihnachtsfeier als Geschenk eine Videokassette mit dem besagten Fußballmatch gibt. Auch um sich über ein T-Shirt mit dem Aufdruck "You are the weekest link" zu freuen, braucht man eine Portion Lässigkeit.