Die Jobs im neuen Jahrtausend

Arbeiten als Knowledge-Managerin

22.02.2000
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Der Raum ist zum Platzen voll. Gebannt folgen die Zuhörer den Worten der zierlichen Frau, die ihnen ins Gewissen redet: "Wir alle investieren viel Zeit und Geld in Informationssysteme. Warum machen wir so wenig daraus?"

Isabelle Droll ist Knowledge-Managerin. Europas größter Touristikkonzern, die Hapag Touristik Union (HTU) in Hannover und ihre Tochtergesellschaft TUI Deutschland, ist besonders darauf angewiesen, dass aus den Rohdaten wertvolles Wissen und die richtigen Entscheidungen hervorgehen. Oder wie die 29-jährige Französin sagen würde: "Informationen gibt es genug, wir müssen nur richtig damit umgehen."

Seit Anfang 1999 baut sie den neuen Bereich auf, der im Controlling Europa Mitte fest verankert ist. Gut drei Jahre ist es her, dass sich der Vorstand zum Aufbau eines Data-Warehouse-Systems entschloss.

Rund 400 Anwender benötigen regelmäßig Statistiken, um Entscheidungen vorzubereiten und das Geschäft steuern zu können. Doch in der Informationstechnik funktioniert nicht alles reibungslos. Droll versteht sich als Mittlerin zwischen Anwendern und dem internen IT-Dienstleister TUI Infotec. Ihr ist an einem möglichst reibungslosen Betrieb der digitalen Infrastruktur gelegen. Noch viel wichtiger ist ihr allerdings, dass Systeme nicht am tatsächlichen Bedarf von Anwendern vorbei entwickelt werden.

Statistik auf Papier bleibt

Den Zugriff auf bestimmte Daten mit einer Machtposition gleichzusetzen, ist genauso unsinnig wie Anwender sozusagen über Nacht mit einer völlig neuen Technik zu konfrontieren. Die liebgewonnene Statistik auf Papier lässt sich eben nicht durch eine Intranet-Anwendung ersetzen. Wer den Menschen der Effizienz halber ausblendet, darf sich nicht wundern, wenn nachher nichts mehr geht. "Kulturwiderstände sollten nie unterschätzt werden", weiß Droll aus eigener Erfahrung.

Knowledge-Manager müssen Organisationen umkrempeln und Menschen dazu auffordern, über ihre Bereiche hinauszudenken. Je mehr die IT sich über Abteilungsgrenzen hinwegsetzt und selbst Kunden, Partner und Lieferanten ins Unternehmen einbindet, desto wichtiger sind Transparenz und Kommunikation. "Unsere Organisation funktioniert nicht mehr bereichs-, sondern wertschöpfungsorientiert", sagt Droll.

Während sich die TUI Infotec auf ihre IT-Aufgaben konzentriert, sind Droll und ihre Mitarbeiter im Knowledge-Management Ansprechpartner der Anwender. Das Motto lautet: vom technischen Fokus Abschied nehmen und dazu beitragen, dass mehr Zeit für Analyse und Steuerung bleibt. Um diese Ziele zu erreichen, veranstaltet Drolls Team betriebswirtschaftliche Seminare, analysiert Geschäftsprozesse und entwickelt neue Steuerungsinstrumente wie die Balanced Scorecard.

"Es reicht nicht mehr aus, nur mit Statistiken zu arbeiten", sagt die Expertin. "Als guter Controller muss ich dafür sorgen, dass wir nicht nur Informationen produzieren, sondern vor allem exzellente Entscheidungsgrundlagen." Wissen aus einem Bereich muss ohne Zeitverzug in einen anderen hinein. Ein Data Warehouse liefert dafür gute Grundlagen, und Internet, Intranet sowie Groupware geben dem gewünschten Wissenstransfer noch mehr Rückenwind.

Die Frühstarterin, die mit 22 Jahren ihr BWL-Studium an der Ecole Superieure de Commerce in Grenoble abschloss, ein Semester an der WHU in Koblenz verbrachte und sich in Atlanta/ Georgia zum MBA qualifizierte, macht vieles schon vor, was andere noch auf Kongressen diskutieren: "Ich muss damit leben, dass ich vieles nicht verändern kann." Wer immer versucht, alles wissen zu wollen, geht einen Irrweg. Oder mit den Worten einer Wissens-Managerin: "Es geht nicht darum, alles zu wissen, sondern im richtigen Moment auf das richtige Wissen zugreifen zu können."

Für den Nachwuchs hat sie einen guten Rat. Am wichtigsten sei es, Neugier und frische Ideen mitzubringen. Spezialist werde man nicht, man habe nur die Chance zu lernen.