Berliner Unternehmen wird beschuldigt, Mikroprogramme abgekupfert zu haben:

Apple will gegen Software-"Raubritter" klagen

19.04.1984

BERLIN - Die Fronten sind verhärtet, klären kann nur noch die Justiz. Gegenstand des Streites: Der Mikrocomputerhersteller Apple wirft der Berliner Dipa Computerstudio GmbH vor, seine Geräte nachgebaut, und, was die deutsche Zentrale in München eigentlich erst als Verletzung des Copyrights geltend macht, das Apple-Soft-Basic gleich mitkopiert zu haben. Was dann als Apple-kompatibel offeriert wurde, sind hingegen für Dipa-Inhaber Dieter Paschen eigene Entwicklungen. Er unterstellt Apple schlichtweg Rufmord und will auf zwei Millionen Mark Schadenersatz klagen. Der Rechtsstreit könnte Auswirkungen auf die Branche haben.

Ein Unbekannter war Dieter Paschen für Apple offenbar nicht. "Er stand schon seit langer Zeit auf unserer Liste", erklärte Apple-Manager Norbert Katschinski aus der Münchner Unternehmens-Zentrale. Im Klartext heißt dies: Apple registriert alle Anbieter, die "da ganz frech in die Werbung reingehen und eine hundertprozentige Apple-Kompatibilität offerieren." (O-Ton Katschinski). Konstatiert der Münchner Vertriebsmanager: "Dies heißt eindeutig, daß unsere Software kopiert wurde." Im Visier habe Apple jedoch noch andere Unternehmen. Man wolle jetzt Zug um Zug vorgehen, um dem Softwareklau Einhalt zu gebieten. Jedenfalls hoffen die Verantwortlichen des Mikrocomputerproduzenten, daß mit ihrer Strafanzeige gegen Paschen die "Hochburg" zerschlagen ist.

Ermittelt wird jedoch nicht nur gegen die derzeit versiegte Computerquelle in Berlin. Durchsuchungen und Beschlagnahmungen von Geschäftsunterlagen erfolgten nach dem Strafantrag von Apple vor zwei Wochen zudem bei mehreren Händlern in der einstigen Reichshauptstadt sowie im Bundesgebiet. Die Dipa-Kreationen, im firmeneigenen Keller hinter einer Tür mit der Aufschrift "Nur für Betriebsangehörige" gefertigt, wurden laut Apple als Bausätze oder aber auch betriebsbereit auf den Markt gebracht. Als Dipa-Geräte mit wohlklingenden Typenbezeichnungen wie "Orange" oder "Spring 64" seien sie dann potentiellen Mikrokunden angeboten worden.

"Vom originalgetreuen Nachbau, was sowohl die Schale wie den Kern betrifft", so Katschinski, "bis hin zum IBM PC mit Apple-Innenleben, war alles vertreten." Für die Berliner Staatsanwaltschaft werden bis zur Klärung dieses Falles noch mindestens vier Wochen ins Land gehen. Zunächst liegt die Arbeit bei den Sachverständigen. Sie sollen die Geräte aus Paschens Keller auf mögliche Kopien von Apple-Originalen untersuchen. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge, gab ein mit der Ermittlung beauftragter Staatsanwalt zu verstehen, besteht zumindest der Verdacht, daß im Computerstudio sowohl Hardware als auch Anwendersoftware und Betriebssysteme kopiert worden sind.

Die Anklagevertreter nehmen an, daß die bis zu 50 Prozent preiswerter als die Original-Apple-Geräte verkauften Computer mit den Seriennummern 109, 209 und 309 ohne Lizenz nachgebaut wurden. Unter den Abnehmern befindet sich auch ein großes Kaufhaus, deren Geschäftsleitung, so die Staatsanwaltschaft, nachweislich nicht wußte, was da in ihren Regalen stand.

Während der eine im Verdacht steht, Verbotenes produziert zu haben, und die anderen sich möglicherweise den Vorwurf gefallen lassen müssen, Unrechtmäßiges vertrieben zu haben, müssen die Rechtsvertreter jetzt erst einmal abklären, was überhaupt urheberrechtlich geschützt ist. Ein Staatsanwalt: Da gibt es auch verschiedene Rechtsauffassungen.

Wie die Sache letztendlich aufflog, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Laut Apple ist die Berliner Kriminalpolizei durch Zufall darauf gestoßen, daß Handbücher-Raubkopien des Mikroherstellers von Dipa in größeren Mengen hergestellt und vertrieben wurden. Die Ordnungshüter schalteten daraufhin die Kollegen von der Sonderabteilung für Wirtschaftskriminalität und die wiederum den Gewerbeaußendienst ein. Schließlich informierten die Behörden die Apple-Verantwortlichen, die Experten entsandten und die Vermutungen des Plagiats bestätigten.

Die Berliner Justizpressestelle gibt einen Polizeibeamten in Zivil an, der in seiner Freizeit "ab und zu mal" bei Dipa einkaufte. "Dieser stellte merkwürdige Aktivitäten fest", so ein Behördensprecher, "aus denen er schloß, daß es dort nicht mit richtigen Dingen zugehen könnte."

Eine ganz andere Version liefert Dieter Paschen: "Bei uns wurde eingebrochen. Ich gab auf die Frage der Polizei an, daß ich einen Tatverdächtigen hätte. Der Mann wurde verhört und erzählte, daß bei Dipa Software-Raubkopien hergestellt sowie Apple-Computer nachgebaut werden. "

Den Inhaber des Berliner Computershops entrostet, daß keine unabhängigen Sachverständigen, sondern Apple-Experten seine Produkte unter die Lupe genommen haben. Paschen: "Man hat uns einfach die Konkurrenz ins Nest gesetzt." Im übrigen glaubt er, das Opfer einer Intrige geworden zu sein. "Unsere Geräte sind Apple-kompatibel", erläuterte der Dipa-Boß, "aber keine Apple-Geräte." Sie hätten zwar Ähnlichkeit mit Apple, seien aber eigene Entwicklungen. Die Gehäuse wurden nach Paschens Angaben aus Taiwan bezogen, während die gesamte Hard- und Software im eigenen Hause entwickelt wurde.

Bei den beschlagnahmten Programmen war von Apple bis auf das Pascal-System nichts dabei, erklärt der Berliner selbstsicher. Davon habe es allerdings drei Kopien gegeben - "natürlich nur für die Mitarbeiter". Die anderen Disketten für Originalgeräte von IBM, Apple, Osborne, die Dipa laut ihres Chefs auch verkaufte, habe neben der Bezeichnung "Dipa-Computer" auch "für Apple" und nicht nur "Apple" gestanden. Paschen: "Somit war eine Irreführung ausgeschlossen."

Der findige Unternehmer von der Spree glaubt, daß die Sache für ihn "mit Sicherheit gegessen" ist: "Wenn wir rehabilitiert sind, so in zwei Wochen, werden wir zivilrechtlich gegen Apple vorgehen und auf einen Schadenersatz in Höhe von zwei Millionen Mark wegen Rufmordes klagen." Droht der Dipa-Chef: "Denen hauen wir eins zwischen die Hörner, daß es sich gewaschen hat." Auch in Zukunft will er weiter unter dem Siegel "Apple-kompatibel" werben, und in absehbarer Zeit soll es offensichtlich in seiner Kellerschmiede erst so richtig losgehen. Mit drei Millionen Mark, die er bereits von Banken sicher in der Tasche habe, so teilt Paschen mit, will er eine vollautomatische Bestückungsstraße einrichten, 100 Mitarbeiter einstellen und 2000 Geräte monatlich auf den Markt spucken. Den Vertrieb sollen 20 Geschäftsstellen übernehmen, die in den nächsten drei Monaten bundesweit entstehen.

Paschen, der sich nach eigenen Angaben nichts vorzuwerfen hat, dementiert auch, daß die von der Staatsanwaltschaft aufs Korn genommenen Distributoren seine Produkte gekauft und vertrieben haben. "Die stammen nicht von mir. Ein Händler hat beispielsweise die Systeme in Taiwan gekauft. Wo die ihre Software herhaben, kann ich nicht sagen", erklärte der Berliner Firmenlenker.

Hauptgrund des Apple-Ärgernisses sind für Paschen, der vor eineinhalb Jahren schon einmal mit den Anwälten des Mikroherstellers Bekanntschaft machte, sechs PROMs (Programmable Read Only Memories) in dem von ihm vertriebenen Gerät. Ganz selbstverständlich erklärt er: "Für jedes Gerät, das bei uns gekauft wurde, haben wir bei Apple in München Originalbausteine erworben." Diese PROMs habe der Kunde zusätzlich zu den bereits installierten EPROMs erhalten - aus technischen Gründen, da die PROMs nicht inkompatibel zu den EPROMs waren. Hätten die Apple-PROMs gepaßt, hätte Paschen nach eigener Aussage diese eingebaut. Zumindest habe er seinen Käufern einen Begleitbrief mitgegeben, in dem der Ratschlag zu lesen war, die Apple-PROMs wegzulegen - aus Copyright-Gründen.