Kölner DAG-Schule installiert Mikrocomputer-Verbund:

Apple-Netzwerk kontra MDT-Mehrplatzsystem

29.10.1982

Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) will als Interessenvertretung der Angestellten helfen, mit den datenverarbeitungsbezogenen beruflichen Problemen ihrer Klientel fertig zu werden. So kümmern sich die DAG-Bildungseinrichtungen - die Deutsche Angestellten Akademie (DAA) sowie das Bildungswerk der DAG - intensiv um DV-bezogene Aus- und Fortbildungsinhalte, um zum Beispiel arbeitslosen Angestellten durch Vermittlung von gefragten EDV-Qualifikationen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Wurden als Hardwarebasis für die EDV-bezogenen Lehrinhalte bisher überwiegend Mehrplatzsysteme mittlerer Größenordnung sowie Großrechner mit Timesharingsystemen benutzt, so kommt jetzt auch in diesem Anwendungsbereich mehr und mehr der Mikrocomputer zum Einsatz.

So wurde jetzt bei der Kölner DAG-Schule ein Mikrocomputer-Netzwerk auf Apple-II-Basis installiert, von dem sich der Organisationsleiter der DAA und des Bildungswerkes der DAG Hans-Jürgen Kummert "eine erhebliche Verbesserung des Preis-/Leistungsverhältnisses pro EDV-Ausbildungsplatz sowie mehr methodisch/didaktische Flexibilität bei Einzel- und Gruppenarbeit" verspricht.

Nachdem Kummert und seine Mitarbeiter in der Hamburger Zentrale "seit einem Jahr nach einem geeigneten Mikrokonzept Ausschau gehalten und verschiedene Produkte getestet hatten", wurden die EDV-Experten von DAA/BW auf das Mikronetzwerk "Cluster/One" aufmerksam, daß in Amerika und England bereits mehrfach installiert wurde aber in Deutschland bisher fast unbekannt ist. Um Erfahrungen mit dem auf Apple-II-Basis laufenden Netzwerk zu sammeln, sollen zunächst bis Februar 1983 alle Einsatzmöglichkeiten intensiv getestet werden. Der Fahrplan sieht anfangs ab Ende September 1982 den Einsatz von Programmierschulen in Cobol und Basic vor. Später ist die stufenweise Implementierung eines integrierten kommerziellen Abrechnungssystems mit Programmen für Warenwirtschaft Finanzbuchhaltung und Lohn- und Gehaltsabrechnung geplant. Die vom Kölner Mikrospezialisten für Aus- und Weiterbildungstechnologie Hanns Jochen Bollig betreute Netzwerk- und Softwareinstallation soll später mit der vollständigen Anwendungssoftware unter anderem Übungsfirmen zur praxisnahen Simulierung echter Betriebsabläufe und kaufmännischer Geschäftsvorfälle dienen.

Das lokale Mikrocomputernetzwerk "Cluster/One", das auf Apple-Mikros basiert, aber auch für andere Kleinrechner offen ist und in Deutschland von Zynar in Wiesbaden vertrieben wird, soll folgende Vorteile bringen:

- Kommunikation zwischen den Benutzern;

- gemeinsame Nutzung von großen Dateien und Datenträgern;

- gemeinsame Nutzung von Ressourcen wie Drucker-Pool, Massenspeicher und verschiedene DFV-Protokolle.

Das Charakteristikum dieses Inhouse-Netzwerkes ist die fehlende zentrale Kontrolle - vielmehr haben sich mehrere Mikrocomputerbenutzer und verschiedene Netzwerk-Servicestationen miteinander verbunden, bleiben aber unabhängig und autonom.

Eine Benutzerstation ist dabei ein Apple-Mikrocomputer, dem folgende Verarbeitungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen:

- Betriebssysteme Apple-DOS, UCSD-Pascal Apple III-SOS, CP/M mit der Microsoft Z80 Software;

- entsprechend den Betriebssystemen Compiler wie Basic, Cobol, PL/ 1, Fortran, Assembler, Pascal;

- Netzwerkressourcen wie Drucker, Platten, gemeinsame Dateien/Datenbanken, Ausgänge/Protokolle zu anderen Netzwerken oder Großcomputern wie Btx, Teletext, IBM 3780 (IBM 3270 in Arbeit);

- andere spezielle Hardware wie Sicherungsbänder etc.

Netzwerk-Servicestationen sind Apple-Mikros, die gemeinsame Ressourcen oder Funktionen verwalten:

- der Netzwerk File Server (NFS) bedient ein oder zwei Harddisks mit insgesamt bis zu 80 MB Kapazität.

Aus Benutzersicht stellt sich der gesamte Plattenplatz als "virtuelles Kleinvolumen" mit bis zu 255 Minidisks oder Floppy-Laufwerken dar. Als komplettes Datei-Management-System bietet NFS außerdem hierarchische Directory-Struktur, Simultanzugriff auf mehrere Dateien und beliebig vielen Benutzern, Paßwort-Schutz für Inhaltsverzeichnisse und für allgemeinen, Gruppen- und privaten Zugriff, Blockierschutz bei Zugriffen auf dieselbe Datei.

- Der Netzwerk Printer Server (NPS) bedient bis zu sechs Drucker in einem Pool und verwaltet die Warteschlangen der Druckaufträge. Die Benutzer können für die Warteschlangen Prioritäten, Kopienanzahl sowie den zu benutzenden Drucker angeben.

- Der File Transfer Server (FTS) ermöglicht Daten-/Dateiübertragung zu anderen Inhouse-Netzwerkbenutzern oder in externe Netzwerke. FTS bietet Funktionen wie automatisches Wahlen, gleichzeitiges Senden und Empfangen, Rufwiederholungen und selbständiges Anrufbeantworten. Zusammen mit dem Electronic Mail-System "The Messenger" vom selben Hersteller können Nachrichten mit anderen nationalen und internationalen Netzwerken ausgetauscht werden.

Das Netzwerklayout kann flexibel angepaßt werden - je nach Anforderungen sind Baum-/Stern- oder Busstrukturen möglich und die Netzwerkstationen werden entsprechend mit einem 16adrigen Flachbandkabel verbunden.

In jedem teilnehmenden Mikrocomputer stellt eine Netzwerk Interface-Card die Steckerverbindung zum Kabel her.

Durch das günstige Preis-/Leistungsverhältnis solcher Mikroverbundlösungen hält sich der Netzwerkanbieter Zynar für sehr konkurrenzfähig gegenüber Mini-/MDT-Mehrplatzsystemen. So stelle Cluster/One für die Netzwerkteilnehmer individuelle, konstante und vorhersagbare Leistungen zur Verfügung auch wenn weitere Benutzer hinzukommen, während bei Mehrplatz-Minisystemen die Leistung pro Benutzer mit steigender Teilnehmerzahl abnimmt.

Preisgünstiger Einstieg

Von der Kostenseite sei mit dem Mikro außerdem ein preisgünstiger Einstieg sowie ein bedarfsgerechter Ausbau möglich, dagegen seien bei Minicomputern sowohl die Einstiegskosten als auch die Upgrades wesentlich teurer. Das an der Argumentation was daran ist, kann DAA-Organisationsleiter Hans-Jürgen Kummert nur bestätigen:

"Wir gehen bei der Mikronetzwerkinstallation von zirka 55 000 Mark Kosten aus - dagegen hatten wir bei einem MDT-Mehrplatzsystem mit gleichem Ausbau zirka 100 000 Mark ausgeben müssen", rechnet er vor.

Nachdem angesichts leerer Staatskassen verschiedene Bundeszuschüsse nach dem Arbeitsförderungsgesetz unlängst gekürzt wurden (AFG-Konsolidierungsgesetz), kam den DAG-Bildungseinrichtungen die Möglichkeit der Kosteneinsparung durch Mikroeinsatz gerade recht. Kummert: "Erstens liegt den Mikros der Preis pro EDV-Ausbildungsplatz erheblich niedriger und zweitens haben wir jetzt methodisch/didaktisch wesentlich mehr Möglichkeiten als früher."

Daß man trotz Gemeinnützigkeit der DAA und des Bildungswerks der DAG sich im Wettbewerb mit anderen EDV-Bildungseinrichtungen befindet und aufgrund der technischen Möglichkeiten des neuen Mikro-Netzwerkes auch nach neuen Zielgruppen für EDV-Kurse schielt, will der DAA-Org.-Leiter auch nicht verhehlen: "Wir bekommen schließlich die EDV-Wissensdefizite aus den allgemeinbildenden Schulen deutlich zu spüren und wollen daher jetzt auch Lehrerfortbildung in Sachen EDV anbieten", verrät Hans Jürgen Kummert.

*Udo Kellerbach ist freier DV-Fachjournalist